PUNX IN DER DDRPaletten mit Dosenbier aus den lntershops sind für sie das Größte, Platten von der Gruppe "Slime" schon fast ein Heiligtum. Ihre Lieblingsgruppe heißt "Wutanfall" und kommt aus Erfurt. Wenn sie feiern, dann zwischen Mülltonnen und irgendwelchen dunklen Hinterhöfen. ihre Klo- und Wandspruche halten nie länger als 24 Stunden - dann werden sie von den Vopos übergemalt. Punks In der DDR - MUSIKER MUSIC NEWS hat einige in Ost-Berlin aufgespürt. Aus der Hauptstadt der Republik berichten Dietmar Hegemann (Text) und Armin Haase (Fotos). "Obstsonntag" in Ost-Berlin! Das ist wie ein 
        Feiertag! An einigen Ecken der Hauptstadt sind Stände aufgebaut mit 
        frischen Erdbeeren oder Kirschen. Davor endlose Schlangen von Hausfrauen, 
        die schon seit Stunden geduldig darauf warten, einen Korb Frischobst zu 
        ergattern. 
 Die blonde Nadja stößt zu unserer Runde. Sie 
        zeigt mir einen Weihnachtsgruß ihrer Eltern. "Das war das letzte, 
        was ich von ihnen gehört habe." Bei Stefan im Übungsraum Zwei Tage später treffe ich Stefan. Er holt mich 
        vom Grenzübergang Bornholmer Straße ab. Eine gute Stunde dauert 
        die Kontrolle. Mitgebrachte Geschenke - sprich 1 Punk-Scheiben - mußten 
        am Kontrollpunkt bleiben. Es konnte nicht festgestellt werden, "ob 
        die Platten den kulturpolitischen Richtlinien" entsprächen. 
 (Quelle: Musiker Music News 15/82)  | 
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      PUNKS IN DER DDR TEIL 2Sieben Tage lang sind Dietmar Hegemann (Text) und 
        Armin Haase (Fotos) täglich via Grenzübergang Bornholmer Straße 
        nach Ostberlin gepilgert auf der Suche nach "Punxs in der DDR". 
        In der ersten Folge haben sie sechs von ihnen vorgestellt. Wir sind immer noch in Stefan's Übungsraum. Ab und zu fällt einer der Eierkartons von der Wand. Sie dienen als Schallisolierung. Stefan sagt, daß es sechs Punkbands in Ostberlin gibt. Zur Punkgemeinde zählen ungefähr 2000 Leute. Daß er von "Gemeinde" spricht, kommt nicht von ungefähr. Denn meistens sind es die Kirchengemeinden in der DDR, die den Punkgruppen Auftritte auf jungen Kirchen-Festen verschaffen. Geld fällt dabei natürlich nur spärlich ab. Vom Punk kann im Osten keiner leben. Es gibt ganze zwei Studios, die überhaupt in der Lage sind, Schallplattenaufnahmen zu machen. Das eine ist für den klassischen Bereich da, das andere für Pop, Rock und sonstige Unterhaltung. Dazu kommt, daß die "VEB Amiga", das ist die staatseigene Plattenfirma, nur zwei Scheiben im Monat veröffentlicht. Kein Wunder, daß mir Stefan immer wieder von seinen Träumen erzählt: "Einmal eine selbstproduzierte Platte aufnehmen, einmal ein eigenes Acht-Kanal-Mischpult haben und bedienen." 2000 träumen von PIL, Clash und Slime - VEB hat gerade die Stones entdeckt Ob eine Band in der DDR staatlich unterstützt öffentlich 
        auftreten darf, entscheidet die "Einstufungskommission". Die 
        prüft, ob "kulturpolitisch wichtige Arbeit geleistet wird". 
        Punkbands wurden da bisher immer abgelehnt. So kann man auch verstehen, 
        daß, wenn die Kirche irgendwo irgendeine Punkgruppe auftreten läßt, 
        die halbe DDR-Punkszene dorthin pilgert. 
 Annette: Die schönste Frau der DDR Annette von Weiden lädt zum Kaffee. Für mich 
        ist sie die schönste Frau in der DDR. Mit einer Freundin lebt sie 
        zusammen. Die Begrüßung ist herzlich, richtig punk-untypisch. 
        Man umarmt sich, schüttelt die Hände - Freude über seltenen 
        Besuch. An ihrer selbstgebastelten Pin-Wand gibt ein Zettel Aufschluß 
        über Annettes Job: Die ganze Ostberliner Punk-Szene scheint sich an diesem 
        Tag bei Annette zu treffen. Bekannte Gesichter der Vortage tauchen auf. 
        Dazu Robert. Er hat trotz seiner verwegenen Punk-Frisur seine Prüfung 
        als Werkzeugmacher mit "gut" bestanden. Jetzt wartet die nationale 
        Volksarmee auf ihn. Er hat schon an Verweigern wegen dem Berlin-Status 
        gedacht, doch er weiß auch: Das bedeutet Knast. Dazu kommen dann 
        die vielen "eigenartigen" Pannen in seinem weiteren Leben. "Wie sieht's eigentlich mit Drogen bei euch aus?", 
        frage ich Leon. "Da läuft gar nichts. Wir ham' eben keene - 
        tote Hose. Blockparties - Der Tanz zwischen Mülltonnen 
 Wir fahren zurück zu Annettes Feier. Doch bis dahin kommen wir erst gar nicht. Denn drei Ecken weiter steigt eine tierische Blockparty auf einem Hinterhof. Blockparties sind die liebste Abend und Nachtbeschäftigung der Ostberliner Punks. Abwechselnd auf verschiedenen Hinterhöfen treffen sich die Leute um bei eingeschmuggelten Cassetten mit Westpunk zu feiern und zu tanzen. Bier in Arzneigläsern Der kleine Hinterhof ist total überfüllt. Ca. 60 Punks sind da. Ständig läuft einer 'rum und sammelt Geld, damit sich die Biervorräte nicht erschöpfen. Neues Bier muß gerade ran. Das gibt's in der Kneipe um die Ecke. Ich gehe mit. Ich kann's kaum fassen. Der Mann hinter dem Tresen füllt das Bier in große Fünf-Liter-Arzneigläser ab. Bierkrügeweise schüttet er das Glas bis zum Rand voll. Im nächsten MMN: Wie reagiert die Umwelt auf die DDR-Punks? (Quelle: Musiker Music News 16/82)  | 
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      PUNKS IN DER DDR 
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| Punks in der DDR - dem Staat ein Dorn im Auge | 
Die Behörden der Deutschen Demokratischen Republik verweigerten am 20. September unserem Mitarbeiter Dietmar Hegemann die Einreise, als er sich in Ost-Berlin mit den Punks treffen wollte. Begründung: Er sei in der DDR nicht mehr erwünscht.
PS 1: So leid es uns auch tut, den dritten Teil zur Zeit nicht drucken zu können, fühlen wir uns doch geehrt, daß die DDR-Staatsführung die "MUSIC NEWS" liest (wie wär's mit 'nem Abo, Jungs?). Außerdem ist es der Beweis, daß es diese Bewegung in der DDR wirklich gibt, und daß die Staatsorgane allmählich Probleme mit den Punks bekommen.
PS 2: Wir hoffen aufrichtig, daß die in den letzten beiden Teilen erschienenen Personen durch unsere Veröffentlichung keinen Schaden davontragen werden.
PS 3: Den dritten Teil werden wir sehr bald nachziehen, denn wir lassen uns unsere Arbeit nicht verbieten. Ein (diesmal namenloser) Mitarbeiter ist schon auf dem Weg nach Ost-Berlin.
(Quelle: Musiker Music News 17/82)
Hallo MUSIC NEWS!
        Erstmal mochte ich sagen, daß ich es ganz toll fand, daß ihr 
        über die Punks in der DDR berichtet habt. Ich hatte es vorher nicht 
        geglaubt, daß es dort auch Punks gibt, obwohl mir schon ein paar 
        Leute davon erzählt hatten.
        Obwohl ich seit meiner Geburt in (West)-Berlin lebe, finde ich es echt 
        blöd von mir, daß ich noch nie in (Ost)-Berlin gewesen bin! 
        Da ich aber nun weiß, daß es dort Punks gibt, finde ich es 
        ganz interessant, mal rüber zu fahren.
        Da ich aber keine Verwandten und auch keine anderen Leute dort kenne, 
        wollte ich fragen, ob ihr mir nicht ein paar Kontaktadressen geben könntet.
        Dank im Voraus!!!
        Tschüß
        Martina Leonhard, 1 Berlin 26
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| Zerfetzte T-Shirts, wilder Haarschnitt: Chaos, Sänger der Leipziger Band "Wutanfall" könnte auch aus einer westdeutschen Stadt kommen. | 
Hallo Music News,
        es ist gut, daß ihr über Punks in der DDR berichtet. Ich war 
        letzten Sommer dort auf Urlaub und habe einige Punks kennengelernt, auch 
        die Jungs von der Gruppe WUTANFALL. über die ihr geschrieben habt. 
        Nur, die kommen nicht aus Erfurt, sondern aus Leipzig. Ihr letzter Titel 
        heißt übrigens "Leipzig's burning". Ihr Sänger 
        ist der 17jährige Chaos, ein wirklich sympathischer Typ, der schon 
        mal, bloß weil er ein Punk ist, von der Polizei zusammengeschlagen 
        wurde. Ich leg euch ein Foto bei, dass ich bei der Probe von Wutanfall 
        gemacht habe.
        Es grüßt
        Michael Holländer, Herstraat 23, NL-Horst.
(Quelle: Musiker Music News 18/82)