interview male/markthalle 29.6.79
das interview mit male haben kai & uli während der 2. hamburger punk-nacht gemacht. Male haben das manuskript vor veröffentlichung durchgesehen . -red.!

jürgen -g,lead voc/stefan -g,voc (zensur)/bernward - b/claus -dr

uli: wie habt ihr euch gegründet? wie ist es in d-dorf losgegangen?
jürgen: das war 1976. wir hatten noch nichts gehört. selbst die 1. ramones-lp war noch nicht da.
bernward: wir hatten in der zeitung was gelesen, in der rheinischen post.
jürgen: ja gerau. da stand so'n ganz fieser artikel über purk drin, ais londons gosse und so'n scheiß. das hat uns irgendwie gefallen, was die da gemacbt haben. alle haben sich darüber aufgeregt. wir fanden das toll. endlich mal was anderes, und wir haben uns entschlossen., die musik zu machen, denn damals hast du die musik überhaupt nicht gekriegt. vielleicht dr. feelgood oder sowas, aber das ist ja nichts. wir haben schon ein paar stücke gehabt, dann haben wir stefan geholt, dem habe ich meine alte gitarre untern arm geklemmt, und dann haben wir noch'n schlagzeuger gesucht.
stefan: wir hatten nen schlagzeuger. den haben wir rausgeworfen nach ungefähr nem jahr er hat in der schule nen filosofiekurs belegt.
jürgen: vor allem ist er in kommuristischen kreisen gesehen worden und hat auch noch lila hosen getragen, auf ner flöte gespielt.
stefan: die meiste zeit über haben wir keinen richtigen manager gehabt, so wie die englischen gruppen. das was wir bisher erreicht haben, haben wir aus eigener kraft aufgebaut. deshalb kommt auch die platte erst so spät raus, nach 2 1/2 jahren.
uli: brauchtet ihr'n manager, um die platte zu machen?
stefan: nicht unbedingt. es geht um die finanziellen sachen. wir haben die leute vom 'rock on'. das waren die einzigen, die es gewagt haben, in uns geld zu stecken. die wollen das auch mit ein paar anderen gruppen tun.
uli: 'rock on' fand euch gut und hat euch kohle vorgeschossen...
stefan: wir haben bei denen im kellerraum geprobt. wir haben die kennengelernt, als sie vor 1 jahr den laden aufgemacht haben. die haben uns gesagt: wir möchten gern ne platte mit euch machen. jetzt wollen sie auch so noch was tun, betrifft management.
uli: habt ihr jetzt'n richtigen manager?
stefan: eben noch nicht. wenn wir das machen muß das noch vertraglich geregelt werden.
uli: wieso meint ihr, daß ihr unbedingt nem manager haben müßt?
stefan: unbedingt nicht. aber die haben z.b. bestimmte verbindungen, konzerte in holland abmachen, in amsterdam, was wir nicht können, weil wir die leute nicht kennen.
claus: mein gott, das ist aber kein management, ne hilfstätigkeit, irgendwie sowas.
uli: jetzt sind wir schon ziemlich schnell vorwärtgegangen. ihr habt quasi von hinten angefangen zu erzählen, mit eurer platte, dem management.. mich würde auch interessieren, was in rd~dorf sonst so los ist. ich kenn aus außer euch nur noch mittagspause und den kfc.
zweites akron
claus: man sollte erwähnen, daß der ratinger hof inzwischen total umgebaut worden ist. bis vor kurzem war das der totale laden. da haben sich alle leute getroffen. die alte besitzerin ist abgehauen und die neue hat den laden umbauen lassen zu nem sog. ted-schuppen.
stefan: nein, quatsch, überhaupt nicht das ist ne disko. ganz komische leute rennen da rum. das ist jetzt mehr so künstler und freaks, total bekloppte da.
jürgen: das ist überhaupt so im ruhrgebiet. die ganzen gruppen - syph, materialschlacht, daf und wie sie alle heißen: das sind alles künstler (die sachen mit syph stimmen nicht mehr ganz. hört euch derer single mal an! - anm. male) im ruhrgebiet da glauben fast alle gruppen, das wär irgendwie'n zweites akron. die gehn fast alle in den künstlerischen bereich und machen industriemusik. du kannst dir das nicht vorstellen, das sind im großen & ganzen alles nur arrogante snobs da. wir sind außer z.b. zk oder kfc die einzige gruppe im ruhrgebiet, die sich noch streng an die alte richtung halten.
bernward: was heißt streng an die alte richtung?
jürgen: rock & roll eben.
claus: sagen wir mal so: die eben nock auf der alten richtung aufbauen. die nteuen sachen, das ist alles irgendwie, da blickt kein mensch mehr durch. mich langweilt das was die machen.
stefan: die meinen unbedingt, die musik von morgen machen zu müssen. warum eigentlich?
claus: das verursacht kopfschmerzen.
stefan: wir leben doch gar nicht in der zukuft. wenn wir in der zukunft leben würden, könnten wir sowas auch machen.
claus: ich seh das so: wenn man auf der bühne steht, dann soll man den leuen was bieten mit den instrumenten. nichts gegen syph oder so. aber was die bringen, das ist mehr oder weniger'n tonband ablaufen lassen, jrgendwelche töne dazu spielen und hastig noch'n paar texte dazu labern. das ist langweilig finde ich.
jürgen: im grunde genommen ist das nichts anderes als die ganze psychedelische scheiße, die uns bis 75 überhäuft hat. das ist dasselbe, bloß mit ~anderen texten.
claus: es ist schon vorgekommen, da sollten wir als letzte gruppe auftreten. syph sollten als erste spielen. das erde vom lied war, daß wir als erste 3 stücke spielen mußten, damit die leute nicht gleich wieder gehen, weil syph als erste spielten. das hat ja irgendwie'n grund. die leute sitzen da ne stunde auf der bühne rum...
bernward: die texte sind nicht so schlecht. es kommt darauf an, wie du sowas verpackst. wenn du die leute durch deine musik nervst, dann wollen die die texte gar nicht hören. es muß ne musik dabei sein, die den leuten gefällt. das versuchen wir jedenfalls zu machen. das ist der unterschied. De leute kommen zu uns vielleicht hauptsächlich wegen der musik. aber die kriegen auch die texte mit.
jürgen: die ganzen industrierock-gruppen aus dem ruhrgebiet die benutzen z.b. auch dia-schaus.
alle wollen als künstler akzeptiert werden
claus: ich seh da langsam keine verbindung mehr zum punkrock. die ganzen leute die machen jetzt was anderes. ich erinnere mich noch an syph. die hatten damals in berlin, wo wir alle noch zusammengespielt haben, noch eine relativ normale besetzung. auf einmal ist praktisch nur noch der harry rag übriggeblieben, und der macht jetzt sowas mit tonband.
bernward: die hatten damals aber schon dieselben texte.
claus: ja ja, dieselben texte, aber die musik hat sich total verändert. ich seh da keine entwicklung drin.das wurde auf einmal abgeschnitten, und dann kam da ne ganz anderes sache.
jürgen: früher haben sie sich als punks bezeichret. jetzt wollen sie was anderes machen.
stefan: die leute, die früher über andere, etablierte gruppen gemotzt haben und selber irggendwie punk gemacht haben oder so, meinen jetzt, sie müßten immer profilierter werden, müßten unheimlich gut an ihren instrumenten sein. es ist nicht nöitig, daß man schlecht spielen muß, aber viele übertreiben ein bißchen indem sie sagen: ich muß besser sein, ich bin'n künstler.
jürgen: die wollen alle als künstler akzeptiert sein
uli: es ist vielleicht auch kein zufall, daß so ein mist wie devo bei euch produziert worden ist.
stefan: ja, bei conny plank. es gibt aber noch'n paar andere grupper in d-dorf, z.b. die an-1. das sind zwar punks. bloß die musik ist auch'n bißchen komisch, weil die ihre instrumente noch nicht so beherrschen, daß sie richtige lieder machen. wir haben mehrere neue gruppen im d-dorf, dekolleté und an-1.
claus: dekolleté kannst du als garnichts einstufen, die machen nur krach.
(jemand von zk): seitdem du die musik von denen kennst, bleiben die immer auf derselben stufe stehen. die tun gar nichts an sich, kein bißchen. da geht's nur darum, ob sie die leute nerven wollen oder nicht.
uli: was heißt sich weiterentwickeln? wohin?
zk: wenn ich nach dem konzert merke das nervt die leute, dann würde ich doch mal irgendwas dran ändern. die kriegen doch die meinung on den leuten.
neue stilrichtung
claus: damals, als ich dazugekommen bin, da waren die anderer schon 1 1/2 jahre zusammen, da hatten die schon praktisch'n set vorbereitet, wo ich mich einarbeiten musste. das hat mir unheimlich viel spaß bereitet und ich hab mich auch voll dazugehörig gefühlt aber der einzige fehler war: die hatten englische texte, und das ging mir ziemlich auf'n nerv. die stücke waren supereinfach. ich will nicht sagen, daß das vor mir abhängig ist, aber seit ich dabei bin haben wir den ganzen set bis auf das eine stück "polizei" total umgebaut. die musik ist nicht viel anspruchsvoller geworden, aber die einzelnen leute konnten sich viel besser profilieren da drin. es ist nicht mehr dieser schrabbelrytmus, der einfach runtergehaun wird, 3 akkorde usw. es ist heute, na ich will nicht unbedingt sagen schwieriger, es ist einfach anders geworden. es macht mehr spaß, zuzuhören.
stefan: das war'n einschnitt in unserer ...karriere kann man nicht sagen...
claus: laufbahn!
bernward: entwicklung!
jürgen: entwicklung, genau. das war'n einschnitt nach ungefähr 1 1/2 jahren wo wir zusammen waren, so winter 77/78 haben wir uns überlegt: wir müssen deutsche texte machen. und mit den dreutschen texten kam dann auch die beue stilrichtung.
uli: wieso habt ihr euch überlegt, daß ihr unbedingt deutsche texte machen müßt?
stefan: erstmal, weil wir hauptsächlich vor deutschen spielten. die texte hat vorher kein mensch verstanden.
claus: du spielst nicht immer mit ner anlage so wie hier. da ist ne pa vorhanden, wo die leute ein bißchen herumregeln können. aber wir hatten damals ziemlich viele auftritte, wo keine pa vorhanden war, wo wir nur mit verstärkern spielen mußten, also akustisch praktisch. da war kein vernünftiger sound möglich. die leute konnten ein paar brocken aufschnappen z.b. dieses "zensur zensur", da haben die nur noch verstanden zensur zensur rund um die uhr, und da waren die schon zufrieden. die leute haben sich dann erst hinterher die texte genauer angehört. wir sind damals davon ausgegangen, daß nicht jedesmal ne pa da ist. da haben die von den englischen texten noch viel weniger verstanden als von den deutschen. wir haben versucht, den leuten möglichst nahe zu bringen, was wir überhaupt wollen.
jürgen: das wichtigste war, daß mit den deutscher texten auch die wende in der musik gekommen ist, wir haben früher so ungefähr 50 lieder gemacht, das ist alles ungefähr gleich gewesen, so'n schrammelrytmus. dann haben wir uns überlegt, daß wir auch mal was anderes machen. da sind dann die jetzigen stücke bei rausgekommen.
stefan: die musikalische änderung kam zwar nicht von einem tag auf den anderen. aber man merkt die umstellung ganz klar, wenn man sich sagen wir mal unsere lp anhört und ganz frühe aufnahmen von einer unserer ersten proben.
bernward: wir singen nicht nur für die deutschen sondern auch über deutschland.
claus: mir ist aufgefallen, daß die deutsche sprache zu unserer musik besser paßt.
stefan: es wäre paradox, wenn wir über unsere eigene umgebung singen und dann englisch.
scheißorganisation
uli: habt ihr irgendwelche schweinische erlebnisse mit veranstaltern gehabt?
jürgen: eigentlich nur, daß wir bisher immer ne scheißorganisation gehabt haben
uli: ihr seid nicht mal um ne gage gebracht worden?
bernward: ja doch, im so 36 in berlin.
stefan: die haben uns alles mögliche versprochen. da wird'n film gemacht, 400 mark gage und was weiß ich nicht alles. ne platte wird gemacht.
bernward: die hatten so'nl gremium gebildet, wo sich die gruppen einigen sollten, was mit der gage gemacht wird ob sie ausgezahlt oder weiterverwendet wird.
stefan: für die platte eben. wir haben uns gedacht: weil noch keine vor den gruppen schon ne platte draußen hat wär's klasse, wenn wir alle auf so nem sampler drauf sind. wir haben überlegt: lassen wir's mit dem geld, machen mir lieber noch'n paar so benefizgigs für die platte. bis heute hat man davon noch nichts gehört und von der gage auch nicht.
bernward: die bänder haben sie auch noch nicht rausgerückt. wir haben da 1000 mal angerufen. ich war noch 2 mal in berlin.
uli: das'so'ist zu inzwischen.
claus: gott sei dank.
jürgen: wir werden die auch verklagen wenn die die platte rausbringen.
uli: habt ihr was schriftliches abgemacht?
claus: nein, nichts. aber es geht ja um die rechte an den stücken selbst. wenn sie die rausbringen - wir haben ja die urheberrechte. da können sie nichts machen.
bernward: mit dem schriftlichen, mit den verträgen und so, das haben wir erst danach angefangen.
uli: hier z.b.?
stefan: ja sicher, nachdem wir in berlin ganz scharf auf die nase gefallen sind.
jürgen: obwohl - es hat jedesmal seinen nachteil. wir haben jetzt 2 mal hier gespielt. jedesmal war es eine solche scheißorganisation. jedesmal hieß es: soundcheck 4 uhr oder 3 uhr. ok - wir komnen hier um 11 oder so hin. natürlich steht noch nicht mal die bühne. dann gings weiter, wir habane gewartet. 4 uhr nichts. 5 uhr. (um 18 uhr sollte die veranstaltung losgehen - arm. agr). auf einmal wurden die verstärker auf die bühne getragen. auf einmal kommen big balls oder sonst wer, spielen sich 2 lieder runter und dann: ja, das war der general-soundcheck oder so ähnlich. wir haben gesagt: entweder wir können jetzt was spielen oder wir gehen. wir gehen nicht einfach auf die bühne und schrammeln rum.
claus: wir haben seit dem studio nur ein einziges mal geprobt - das ist über 3 monate her. die 2 neuen stücke sind auch relativ schwer. wir konnten uns nicht mehr groß drüber unterhalten wir haben fest damit gerechnet, hier mal ne halbe stunde soundcheck zu machen. wir kommen her und das läuft einfach nicht, da sagt der hilsberg, ich bin nicht dafür da. wir werden an irgendwelche leute verwiesen, aber die muß man erstmal in die finger kriegen. ja ja, macht ihr mal...!
uli: das hängt vielleicht auch damit zusammen, daß das hier in der markthalle'n ziemlich großes finanzielles risiko ist, daß die ganz andere prob1eme im kopf haben.
jürgen: gut, aber das stand im vertrag - soundcheck.
uli: was stand genau im vertrag?
stefan: zeitpunkt, gage..
claus: soundcheck war garantiert.
stefan: ...bzw. unkostenbegleichung, unterbringung und sowas alles. wir verzichten aufs hotel, wir schlafen alle zusammen in einem raum, den hilsberg organisiert hat, weil wir auch auf das geld fürs hotel angewiesen sind. wir haben in d-dorf noch schulden.
jürgen: das letzte mal haber wir hier noch voll draufbezahlt. 250 mark haben wir gekriegt, und 400 mark haben wir ungefähr bezahlt.
claus: wir haben vorher 3 mal gefragt, ob wir noch einen roadie mitbringen können. klar hieß es. dann haben wir ihm die fahrt bezahlt und das nicht wiedergekriegt. wir kamen zu hören: ja ja, ist nur für die gruppe garantiert. in dem moment standen wir natür1ich aufm schlauch, denn die meisten von uns sind mit'm zug gefahren, und die passage ist ganz schön teuer.
jürgen: die beiden roadies kamen hier an und haben roch nicht mal'n backstage-paß gekriegt.
bernward: du mßt aber auch sehen, daß das für hilsberg ganz schön sckwierg ist.so was zu organisieren.
jürgen: irgendwie sind wir schwachsinng. wir haben jetzt zwar was gemacht aber bestimmt nicht genug. es ist bestimmt 'n scheiß-sound nachher. wenn wir jetzt einfach abhauen würden dann hieße es natürlich: ja ja, starallüren und so. es ist einfach blöd.
tantiemen erst bei ner million
uli: was kriegt ihr als gage heute abend?
claus: unkosten. 350 mark steht im vertrag.
stefan: wir haben mit bremen und hamburg 950 mark ausgemacht. wir werfen unsere unkosten mit zk zusammen, und was übrigbleibt, wird dann an die beiden gruppen aufgeteilt.
uli: gibt's bei der into-the-future-platte sowas wie tantiemen?
stefan: bei der platte ist glaube ich nichts mit tantiemen, weil die nur 1000 auflage hat. die tantiemen für uns das sind 100 platten, die sollen wir verkaufen, weil wir daran beteiligung kriegen.
uli: das hab ich nicht ganz mitgekriegt mit den 100 platten.
stefan: hilsberg hat mir eben noch gesagt, er chickt sie direkt ans rock-on, und zwar 100 platten, daß sie die verkaufen und nochmal 10 platten für die gruppe.
uli: ihr werdet dann am umsatz von rock-on beteiligt?
stefan: hoffentlich. wieviel prozent kann ich nicht sagen. ich nehme an, das ding wird sowieso billig verkauft, 10 oder 12 mark.
jürgen: wir kriegen für unsere platte insgesamt 1000 mark.
uli: na ja, viel ist das nicht.
claus: es lohnt sich erst bei ner million platten.
clash - abklatsch?
uli: nochmal zu eurer eigenen platte. ich weß nicht, ob ihr schon mal drauf angemacht worden seid aber ... es war so. ich hab ein paar fanzines gelesen, und da waren schon rezensionen von dem ding drin, von "zensur". da stand: clash-abklatsch und so. daraufhin hab ich mir die clash-platte nochmal angehört und darauf eure platte nochmal. ich würde sagen, so ein bißchen ist da was dran.
claus: die gruppe hat sich erst richtig anfang 78 profiliert, da fing das erst so richtig an, da kam erst mehr oder weniger die ganze welle aus england rüber, davor waren einzelne leute, die sich wirklich dafür interessiert haben. die haben schon gewußt, was clash ist, was pistols ist usw. wir sind praktisch mit denen in einer welle 'großgeworden'.
jürgen: es ist unheimlich dumm, zu sagen, wir wären ein abklatsch. wir haben die clash nicht nachgemacht.
claus: die leute zielen auch ziemlich auf das aussehen ab. wir versuchen, unser image auch optisch, um diese ganzen sachen auszuräumen, umzubauen. ich hab mir zum ziel gesetzt: ich lauf jetzt nur noch so rum wie mir das echt gefällt. von mir aus sollen die leute mich hippie nennen oder sonstwas. ist mir voll egal, hauptsache nicht mehr mit clash verglichen werden oder mit pistols. das ist besser, das tut gut.
jürgen: mich haben sie immer mit dem strummer verglichen. früher fand ich das irgendwie toll. das war als wir in berlin gespielt haben, mitte 78. da hatte ich aber die clash noch nie gesehen.
stefan: wir haben die im oktober mal in amsterdam gesehen.
jürgen: genau. und davor schon in berlin hab ich gerau das gemacht, was ich.auch in hamburg gemacht habe. rumspringen, aufstampfen usw., das paßt zu der musik. aber mich da zu vergleichen... ich hätte das niemals abgeguckt.
claus: man muß dazu sagen, daß wir auf die frage vorbereitet sind, weil die uns jetzt schon öfters gestellt werden ist. es ist furchtbar. die ganzen leute, die sich für künstler halten, stehen da rum und lachen und grinsen. und sobald wir auf die bühne kommen stehen sie da und kucken nur. die leute machen das aus prinzip, daß sie garnicht der musik zuhören, sondern daß sie nur auf die leute achten, praktisch über die nur lachen und so. in deren augen sind wir seit damals nicht weitgekommen. die sagen: wir sind auf dem stand geblieben wie pistols ganz am anfang. aber das ist mir herzlich egal. ich würde nie so industriemusik machen. das fird ich echt zum kotzen, das ist volle langeweile.
zensur - dub
uli: wieso habt ihr die dub-version von "zensur" mit auf die lp gebracht?
jürgen: wieso nicht? findest du die nicht gut?
stefan: wir fanden das erstmal originell, weil soviel wir wissen noch nie ne deutsche gruppe 'n dub aufgenommen hat. wir dachten, da müßte'n bißchen abwechslung rein.
jürgen: vor allem, weil "zensur" eben das tltelstück ist. wir wollten nen dub machen, unbedingt.
claus: genau. probieren, so schwer wie das ist.
jürgen: "zensur" ist das beste stück das sich dafür eignet.
claus: das ist auch besonders schwierig.
uli: ich dachte das wär im gegenteil sehr einfach.
jürgen: überhaupt nicht, das einfühlungsvermögen hast du gar nicht.
claus: bei dieser ganzen diskowelle ist das ziemlich verallgemeinert worden. es gibt da bestimmte klischeeparts...
jürgen: besonders schlagzeug und bass brauchen sehr viel einfühlungsvermögen. gitarren das geht. da wird hall reingemischt, echo, und das klingt.
stefan: ein normaler reggae ist vielleicht halb so schwer wie'n dub. ein dub besteht erstmal zu 50 % aus dem spielen der leute, was schon schwer ist und dann nochmal 50 % aus der arbeit am mischpult, wo du die ganzen effekte reinmischen kannst, denn ein dub ohne effekte ist kein dub.
claus: das mit der abwechslung würde ich gar nicht so sehr in den vordergrund ziehen. stefan hört sowieso ziemlich viele reggae- und dub-platten, und er hat einfach mal den vorschlag gemacht. da haben wir uns mal mehrere platten angehört. die musik gefällt mir gut. die leute sind mehr oder weniger auch ne minderheit. die musik wird nie in die hitparaden kommen so wie die original auf jamaika gespielt wird.
jürgen: aber unser "zensur" - garantiert!
hektik im studio
uli: wieviel auflage habt ihr pressen lassen?
jürgen: 1000, und 1000 verdienen wir daran.
stefan: nicht wir, sondern rock-on. Die sind ja'n bestimmtes risiko eingegangen.
jürgen: ich finde absolut nicht, daß das ein risiko ist. wenn die ersten 1000 weg sind, verdienen die schon 5000 mark dran. das haben wir ausgerechnet.
claus: das sind ganz koole geschäftsleute. du hast ja schon gesehen, wie die am rummotzen waren im studio. wir hatten mal ne periode da ging das umheimlich schnell im studio, da haben wir die stücke auch ziemlich schnell auf band bekommen, dann auf einmal kamen die dazu, immer abends, da kamen die aus'm laden. die haben ihr geld schon fliegen sehen, wo wir hinterher mit der zeit nicht ganz klar gekommen sind.
uli: die studiomiete haben die vorgeschossen?
claus: ja, das haben die alles bezahlt. wir haben keinen pfennig risiko gehabt. die sahen ihre felle da wegschwimmen. mensch, wir kommen mit der zeit nicht hin, was sollen wir machen usw. totale hektik. sie meinten sogar, wir sollten oldies machen.
uli: das haben sie wirlich vorgeschlagen?
claus: das haben die vorgschlagen. die sahen total ihr geld wegschwimmen.
stefan: sie haben drauf bestanden und gesagt: keine Platte sonst.
vertrag entwickelt sich erst
uli: wie sieht es eigertlich da mit nem vertrag aus?
stefan: der vertrag entwickelt sich erst noch. der vertrieb läuft ja auch noch nicht so richtig. zu allererst wollten sie die platte nur für sich als webung für den laden haben, wir haben gesagt: die platte soll auch in hamburg und berlin, in großstädten wo was lauft, vertrieben werden. da haben sie sich zwar am anfang 'n bißchen gegen gewehrt, aber dann haben wir angedeutet: dann machen wir euch eben 'n strich durch die rechnung. denn wenn wir keinen vertrag unterschreiben, können die die platte auch nicht mehr weiter verkaufen.
uli: "zensur" ist ja wirklich nicht schlecht...
claus: allein in d-dorf haben sie schon nach'n paar tagen über 200 stück verkauft, und da war keinerlei werbung
uli: habt ihr euch wegen nachpressungen abgesichert?
claus: wir haben da so ne art rechtsbeistand.
stefan: n düsseldorfer leerer (= pretty vacant, ehemaliger 'ostrich'-schreiber, jetzt bei syph und 'düsseldorfer leere'), der hat früher mal jura studiert und da n bißchen ahnung von.
claus: mit dem haben wir mal angefangen, nen vertrag zu machen. nur mit den leuten vom rock-on ist das unheimlich schwer. die haben da so ihre spezialbedingungen. also, was mich an der platte z.b. nervt, das ist die schlechte preßqualität. die fängt nach 10 mal anhören an zu rauschen.
stefan: das liegt aber nicht am rock-on sondern, am preßwerk.
claus: gegen sowas müßte man sich z.b. absichern. das finde ich ne ungeheure sauerei.
stefan: als wir uns die aufnahme im studio argehört haben hat sich das echt klasse angehört. besonders bei jungen gruppen kümmern die sich im werk gar nicht darum. wenn z.b. eine seite vom mastertape zu lang ist, schneiden die das einfach weg. dann wundert man sich auf einmal, wenn man die anpressung bekommt, warum da was fehlt.
claus: bei "1 tag in düsseldorf" ist so ein komiscbes geräusch, ein oberton, der so ganz komisch piepst. wenn man genau hirhört kommt der raus, und der nervt immer wieder. das war auf dem mastertape nicht drauf. ich war enttäuscht, als ich mir zu hause die platte angehört hab. ich wollte schon unheimlich terror deswegen machen. das finde ich ne schweinerei.
ausnehmerei?
jürgen: auch das cover finden wir scheiße. wenn wir ne zweitauflage machen wollen wir ein anderes cover nehmen und das selbst entwerfen, ich hab gehört, daß die leute vom rock-on nur ein weißes cover nehmren wollen, sonst nichts. das ist billiger.
uli: da werden sich wohl auch nur die bootleg-freaks für interessieren.
claus: die vom rock-on sagen: ja ja, wir verkaufen die platte in d-dorf. das wird gehen, wir machen nur 1000 stück. also, wenn die in berlin, wo wir schon gespielt haben, in hamburg, im ruhrgebiet, ist ja auch'n schwerpunkt, richtig mit werbung verkauft würde ...aber es geht ja nur um eine stadt. und das ist eben d-dorf. wenn das so gemacht würde, dann würde die sich 1000 mal besser verkaufen, die leute vom rock-on sagen uns dann so sätze wie: wir haben krach mit den läden in hamburg und berlin. die leute kommen nicht gut mit uns aus. wir schicken denen keine platten, da könnt ihr euch auf'n kopf stellen. wir haben in dem moment, wo wir nichts bezahlt haben für die platte keinerlei rechte, wir können nichts geltend machen. was ist denn bei einer unbekannten gruppe, wie wir das sind, schon das recht an einem stück? das recht wird ja erst schwerwiegend, wenn das stück mal groß verkauft wird. diese boney m oder wie die heißen haben ja auch schon stücke aufgenommen von jamaica-gruppen. da kräht kein hahn mehr nach. die kriegen 'n paar 100 mark, da sind die zufrieden, und die anderen verdienen damit ne million. das könnte uns genauso gehen oder anderen gruppen, die z.b. auf diesem sampler da sind (into-the-future).
bernward: z.b. der bowie. der macht doch sowas immer.
claus: ein typ hört das, n paar griffe gefallen ihm gut ...das kotzt mich unheimlich an sowas, das ist totale ausnehmerei finde ich, wir können nichts geltend machen, wir haben nichts investiert. wenn wir die hälfte bezahlt hätten, könnte man alles zurückziehen und so.
mit intellektuellen nichts im sinn
kai: macht ihr hauptsächlich musik oder arbeitet ihr noch nebenbei?
claus: ich arbeite nebenbei.
stefan: wir 3 gehen noch zur schule.
claus: ich bin wegen der musik schon 3 mal von zu hause rausgeflogen. wir sind keine profis. ich muß irgendwie klarkommen.
uli: ihr müßt wissen, daß kai'n totaler intellektuellenfeind ist, punk-poseure und sowas absolut nicht abkann.
stefan: muß man denn auf ne hauptschule oder ne hilfsschule gehn, um'n richtiger punk zu sein?
kai: es kommt immer drauf an, in welcher gegend du aufgewachsen bist, ich komm hier aus wilhelmsburg, und das ist praktisch'n reines arbeiterviertel.
jürgen: wir wohnen auch in nem totalen arbeiterviertel.
stefan: so total ist es auch wieder nicht.
jürgen: na klar! wie willst du bilk nennen?
kai: ruhe!! dann kommt da eines tages so'n typ hin, student, schön langhaarig, und erzählt da'n paar schöne sachen. was man da so besser machen kann und alles ausbeutung und so. aber wenn man sich dieselben typen mal'n paar jahre später ankuckt, dann sitzen die da in dicken büros, machen einen auf rechtsanwalt und sowas. und deswegen ist dann bei mir der ofen aus.
stefan: mit intellektuellen haben wir auch nichts am hut.
es bringt nichts wenn, der eine den anderen schlecht macht
uli: kennt ihr punk-gruppen aus hh?
stefan: die babbits waren damals da. ich fand das ganz mutig von denen. die musik war zwar vielleicht roch nicht ganz gut. aber die waren unheimlich mutig mit 3 mädchen.
jürgen: hinterher haben sie wieder auf disko gemacht, das war unheimlich komisch als ich sie vorn auftritt gesehen hab, da standen sie unten vorm spiegel, schön geschminkt, diskotäschchen umgehängt, und dann sind sie rausgeganger. voll lächerlich.
stefan: was war noch aus hamburg?
kai: hinterbergers wut.
claus: der wolfgang vom rock-om hat mir noch ne kopfschmerztablette gegeben. ich hätte sonst nicht spielen können.
jürgen: die haben, s o lange gespielt und s o genervt. ich hätte die glatt erschlagen können.
claus: total genervt. das war 2 mal fast die gleiche besetzung. hinterbergers wut und kiev stingl.
stefan: hinterbergers wut und kiev stingl waren die schlechtesten.
bernward: vor allem die nervigsten.
claus: wir wollen keine andere gruppe schlecht mache. aber wir haben das schon öfters erlebt, daß wir von anderen gruppen schlechtgemacht worden sind. da braucht man jetzt keine namen zu nennen. die ganzen gruppen, uns eingerechnet, stehen doch noch mehr oder weniger auf derselben stufe, zumindest finanziell gesehen. und wenn der eine den anderen schlecht macht, bringt das im endeffekt gar nichts.
wir liefern beschreibungen
uli: ihr habt irgendwie ne politische platte gemacht.
jürgen: ja klar.
stefan: aber nicht im sinn einer bestimmten politischen richtung oder parteipolitisch.
uli: es sind texte ...man hat den eindruck, ihr habt was gegen polizeistaat, diese ganze städtekacke usw.
claus: nervt ja wohl auch.
jürgen: das ist irgendwie mit ner haßliebe verbunden. wir lieben d-dorf, und irgendwie hassen wir das auch. ich könnte nirgendwo anders leben, aber manchmal möchte ich am liebsten weglauffen.
stefan: es ist aber nicht so, daß wir eindeutig sachen angreifen. mit der polizei der text ist ja mehr ironisch. wir liefern meistens beschreibungen. "zensur" ist ja z.b. ziemlich vordergründig.
bernward: oder "risikofaktor". da beschreiben wir auch nur.
jürgen: habt ihr "kh3" verstanden?
stefan: kh3 haben wir mal im schaufenster in 'ner apoteke gesehen (= mittel gegen altersschwäche, impotenz & so).
jürgen: ich hab z.b. mal die zeitung aufgeschlagen und alle tollen begriffe ruagesucht, und wir haben die irgendwie zusammengesetzt.
bernward: hinterher hat das irgendwie den sinn einer modernen romanze ergeben oder sowas.
stefan: meistens versuchen wir sachen, die uns stören, was wir jeden tag so sehen oder was wir machen, zu beschreiben. z.b. "ampelstadt": ich fahr eines morgens zur schule und sehe, daß da auf einmal 2 neue ampeln stehen. ampeln nerven mich. gleich'n text drüber gemacht. oder wir haben z.b. 2 neue lieder. eins heißt "anschlag". das handelt davon wie wir nachts rumziehn, sprühen usw., nen anschlag auf unsere schule verübt haben.
jürgen: sprüh sprüh.
stefan: wir sind auch immer in kaufhäuser gegangen, rolltreppe gefahren. auf einmal haben wir gesehen, wie so ne frau umgefallen und mit den haaren reingekommen ist ("risikofaktor").
bernward: wir verstehen das manchmal nur subjektiv, das kann man aber auch objektiv verstehen.
jürgen: jeder versteht unsere lieder anders.
claus: eben, jedem das seine.
stefan: das ist das schöne.
uli: es soll aber kein "politrock" sein?
stefan: nein, alltägliches. politik ist ein relativer begriff.
rock gegen rechts = rock für links
uli: habt ihr was von rock gegen rechts mitgekriegt? was meint ihr dazu? letzte frage.
stefan: ich glaube in deutschland ist das mehr eindeutig nach links gerichtet als in england. in deutschland sind die neonazis so ne verschwindende minderheit, daß eigentlich keine große gefahr besteht. in england hat die national front schon nen ziemlich großen einfluß. was die leute dagegen unternehmen ist ganz legitim.
jürgen: das klingt aber auch schon langsam ab da drüben.
stefan: ja das stimmt, vor nem jahr war das schlimmer, als so die ersten anti-nazi-carnevals waren. bloß hier weiß ich nicht so, ob das hier seine berechtigurg findet. vor allem, die ahmen das hier irgendwie nach. das sind hier andere gruppen, die das marchen. in england auf dem anti-nazi-carneval da spielen gute reggae-gruppen, da spielt trb, die clash und so, und hier spielen dann guru guru und was weiß ich.
bernward: ich glaube, das ganze ist hier eher rock für links als rock gegen rechts.
kai: das ist so ne institution, die für die leute auf stimmenfang geht, mehr ist das nicht.
bernward: in england ist es wirklich rock gegen rechts, weil ja von rechts die große gefahr kommt, die nf 10 oder 15 oder was weiß ich wieviel % stimmen kriegt.
stefan: und vor allem auch unheimlich aggressiv sind.
alle haben nachgelassen
uli: jetzt fällt mir noch eine dumme frage ein...
jürgen: oh ja, dumme fragen mag ich.
claus: lauter dumme fragen. toll.
uli: was hört ihr sonst gerne, welche platten, welche gruppen?
jürgen: rockabilly.
stefan: reggae.
jürgen: beat.
bernward: beatmusik.
stefan: deutsche schlager... die alten sachen wie velvet underground, stooges haben wir mal gehört aber nie mit der großen begeisterung. die sachen langweilen einen irgendwie mit der zeit. wir hören teilweise auch ganz gerne punkgruppen aus england.
jürgen: 999 finde ich die einzigen, d die noch richtig frisch sind, wie am anfang.
stefan: die meisten haben unheimlich nachgelassen. z.b. die 1. clash-lp ist für mich echt die beste lp, die jemals auf'n markt gekommen ist. wenn man dagegen mal die 2. lp vergleicht oder sogar die neue ep, sind das 10 schritte zurück, kein schritt nach vorne. oder gruppen wie die pistols mit ihrer schwindel-lp. da freut man sich direkt über neue frische gruppen.
bernward: wer noch stark nachgelassen hat: die buzzcocks. vielleicht noch die 1. lp, aber dann die 2...
jürgen: wer hat denn nicht nachgelassen?
stefan: die lassen sich jetzt alle bärte wachsen.
uli: wolln mal sehen wie lange das mit euch dauert. vielleicht wenn ihr eure 2. lp draußen habt mit 10000 oder so, dann habt ihr auch schon bärte.
jürgen: ich weiß nur eins, daß ich nichts anderes machen kann als die musik.
stefan: wir wehren uns so weit wie möglich dagegen.
uli: ihr habt nicht vor, irgendwann mal profis zu werden?
jürgen: was heißt profis!?
stefan: wir machen die sachen ja gern. und wenn man daraus nen beruf machen kann, das wär ne ideale lösung.
claus: ich finde das wort profi blöde, weil das bedeutet, daß man damit seinen unterhalt finanziert. wenn ich davon leben kann ist das nicht schlecht. dann wär ich echt zufrieden. aber ich würde es selbst dann machen, wenn es mich nicht ernähren kann, einfach aus spaß, selbst wenn ich da nur im keller sitzen würde.
stefan: musik würde ich immer machen.
claus: musik auf jeden fall.
stefan: auch wenn ich noch draufzahlen muß.
red.: meine herren, wir danken ihnen für das gespräch!
(dieses interview ist dem italienurlauber rudolfo a. gewidmet)

(Quelle: Rockmusik. Zeitung der AG Rockmusik / Hamburg - Nummer 4/Oktober 1979)


Fresse / Information Overload