interview mit katapult am 21.7.79 in der waldemarstraße 33 berlin 36 (tiefstes kreuzberg)

kat: katapult ist zum 1.mal musikalisch im sommer 78 in erscheinung getreten. angefangen hat das alles über radios, tonbänder und so. der 1. text von katapult wurde 77 geschrieben. langsam hat sich das dann gefestigt. wir haben uns ne anlage angeschafft, die besetzung hat dauernd gewechselt. seit feb 79 etwa sind wir in der jetzigen festen besetzung (reno kid-voc/white rabbit-g, voc/peter-g/olaf-b ‚voc/looke-dr). unser alter ist von 19 bis 23. die leute von auswurf haben wir hier kennengelernt. wir haben beide allein nicht so viel stücke, daß wir nen abend allein machen können. jetzt üben wir zusammen in einem raum, haben ne gemeinsame anlage.


zwei szenen
es gibt hier in berlin, in kreuzberg, 2 szenes, 2 punkscenes. die eine ist mehr aufs kommerziellen ttrip. das sind pvc, ffurs und solche leute. dann gibt's hier noch ne Szene, früher war das katapult, auswurf. dann gibt 's noch die ätztussis, vollgas, bazillus. unsere musik kannst du nennen wie du willst. punk - was heißt punk. wir machen getto-punk oder getto-rock mit politischem inhalt. in den meisten zeitungen steht anarcho-punk oder sowas. hier in kreuzberg hat sich gemeinsam mit den 6 gruppen schon irgendwie was entwickelt. wir treten hier zusammen auf, haben hier'n straßenfest organisiert am 2. september.
kat: es ist nicht nur musik, sondern eine ganze szene. vor allem auch die theatergruppe hier aus's haus, das fronttheater. beim straßenfest neulich haben auch türkisch/kurdische leute musik gemacht, und die wollen das auch am 27.september auf dem antifaschistischen rockfestival machen, hier in kreuzberg tun sich immer mehr leute zusammen, um gemeinsam was zu produzieren.
uli: ihr habt doch hier auch eigene versorgungsbetriebe, werkstätten, läden...
kat: läden nicht direkt. aber alles auf kollektiver basis. es hat sich alles so entwickelt, daß vieles gemeinsam organisiert wird, weil es allein für dich unheimlich schwierig ist, wir organisieren unsere konzerte auch meist selber, ohne irgendwie große sound-typen im hintergrund. wir haben es auch nicht drauf, große konzerte zu organisieren, wo 3 oder 4 tausend leute hinkommen, sowas wie markthalle bei euch. wir wollen in jugendzentren spielen oder in sälen, wo wir auch meinen, daß wir das richtige publikum ansprechen, wir wollen hauptsächlich jugendliche hier aus den ghettos ansprechen. wir spielen grundsätzlich nicht für geld. für bestimmte auftritte kriegen wir auch geld. aber das wird dafür verwendet es in den knast zu schicken, für knast-gruppen, oder es kommt irgendwelchen anderen leuten zugute.
runter vom konsumstartrip
wenn wir hier' in berlin spielen haben wir keine unkosten. in hamburg ider andere auswärtsgigs da haben wir natürlich unkosten. im krawall haben wir 200 mark gekriegt, da haben wir voll verlust gemacht, mit katapult, auswurf, ätztussis 500 mark ausgegeben. ok, das hat uns nichts ausgemacht. die leute im krawall machen keinen profit.
uli: noch nicht. kann sich ändern.
kat: wir sollten bei into-the-future spielen, aber nach diskussionen unter uns haben wir das abgelehnt. es war erstens klar, daß das'n totales konsumkommerzfest wird und weil wir auch gegen solche großen sachen mit 2000 leuten was haben. wir überlegen uns hier, wie wir unsere eigene konsumhaltung abändern konnen. wir wollen den leuten was durchgeben. wir wollen auch was von den leuten. und wir meinen auch, daß die leute von uns'n bißchen mehr erwarten als nur musik. wir machen ganz bestimmte texte, es sing ganz klar politische sachen. wir wollen von so nem konsumstartrip runterkommen. da steht man auf der bühne, fetzt seinen kram da runter, und die leute himmeln dich an.
uli: so schlimm ist es in der markthalle aber auch nicht gewesen.
kat: das ist unser problem. ich kann dir nur sagen, wie unsere erfahrung ist, wenn du merkst, daß du nur konsumiert wirst, macht dir das mit der zeit auch selber keinen spaß mehr, wir haben uns überlegt, wie man das ändern kann. beim letzten gig in der gropiusstadt, im haus der mitte, haben wir unsere texte kopiert und die ausgehangen, damit die jeder lesen kann. denn man versteht ziemlich schwer unsere texte. wir haben uns erstmal vorgestellt wer wir sind und haben zu jedem lied auch was gesagt. und das ist auch gut angekommen, die leute sind da gut drauf abgefahren.
spontane auftritte
uli: ihr spielt nicht nur in hdm und solchen läden?
kat: mit die besten erfahrungen war, wenn irgendwo was los war, dann haben wir uns nen lkw geliehen und sind da hingefahren, wenn sich das so spontan ergeben hat. das war nicht wie bei einem lang vorbereiteten konzert, wo dann immer ein ziemlicher abstand ist. irgendwelche leute stellen sich da hin und machen musik mit den anderen zusammen, am 1. mai war erst so'n fest da hinten am spreewaldplatz. da haben wir uns auf'n kinderspielplatz gestellt als noch gar nichts los war. das hat sich dann so rumgesprochen in ner halben stunde, und plötzlich kamen da unheimlich viele leute an, nicht nur punks sondern auch andere leute, die da auch drauf abgefahren sind, es gab kurden, die da mitgespielt haben. das ist viel natürlicher als wie wenn man große konzerte macht.
knastgruppe
uli: wie seid ihr gerade auf knast gekommen? habt ihr was mit schwarzer hilfe oder sowas zu tun?
kat: unser ehemaliger gitarrist ist jetzt im knast wegen banküberfall hier in berlin. so'n denunziantenspießer hat ihn an der flucht gehindert, jetzt bauen sie die so politisch auf, sagen, das soll ne nachfolgeorganisation vom 2.juni sein, ne neue terroristenorganisation und so was. 2 von uns, von katapult, haben auch das dpa-büro in frankfurt mit besetzt. wir haben auch selber im knast gesessen. außerdem sind ziemlich viele freunde von uns im knast. wir haben früher schon, vor einem jahr, angefangen, knastarbeit zu machen. jetzt begreifen wir uns hier auch noch als knastgruppe. wir kümmern uns um die 3 erstmal hauptsächlich. das war für uns ein ganz schöner schlag ins gesicht, n schock. unsere texte beinhalten, jetzt mal ganz überspitzt gesagt...du brauchst aber den kassettenrekorder nicht gleich auszustellen, das hat der 'sounds'-typ sofort gemacht (gemeint ist hans keller, der kurz vor uns bei katapult gewesen ist - red!) - überspitzt gesagt: zerstörung von dem system hier.
uli: das wird in sounds wahrscheinlich nicht stehen.
kat: erstmal die knäste. wir haben keinen bock auf knast. es geht nicht nur darum, irgendwelche minimalforderungen oder hafterleichterungen zu diskutieren, sondern auch darum, ne breite bewegung gegen den knast aufzubauen. es ist vielleicht'n bißchen allgemein gesagt.
texte gegen das was uns stinkt
uli: ja.
kat: wir schreiben hauptsächlich texte gegen das, was uns hier anstinkt. z.b. "alles scheiße" ist das erste lied, das von katapult geschrieben wurde, der ist damals noch so eingegangen auf jugendarbeitslosigkeit, auf bullenterror, shitrauchen und solche sachen. unterdrückung in der schule, im betrieb und so. wir haben auch ein lied auf die dpa-besetzer gemacht. "feuer frei" hieß das.
kat: wir haben auch texte gemacht zu Sachen, die gerade anstehen, z.b. zum so-36 wo die meisten von uns hausverbot hatten, weil wir da mit bierbüchsen rumgekickt haben oder sowas, oder bei der erschießung von elisabeth von dyck ist spontan ein lied entstanden.
kat: das wir allerdings nicht mehr spielen, das ist'n spontanes lied gewesen. das haben wir damals in der dachluke gespielt. das war'n gig zugunsten vom antifaschistischen festival. das ist unheimlich gut angekommen bei den leuten. die leute sind nicht nur auf die musik abgefahren sondern haben auch genau auf den text geachtet. dann gibt es ein lied, das heißt "die ratten". ein uralter text. das handelt von einem typen, der von irgendwelchen bürgern zusammengeschlagen wird, von den ratten aufgenommen und gepflegt wird. weil er häßlich und kaputt war ist er immer verscheißert worden. von "liebe" handeln die machen nicht. im "spießerlied" wird'n spießer beschrieben. das eine lied heißt "wer denunziert wird.." das hat was mit der ganzen hysterie zu tun, als die frauen hier aus dem knast abgehauen sind und till meyer wieder geschnappt wurde usw. man sieht nen alten opa im kaufhaus ne flasche bier klauen, und das ist ne aufforderung: halt, nicht gleich zu den bullen rennen. frag dich warum usw. wir haben auch'n lied zum 2.juni, "lorenzsong". das schildert die entführung von lorenz. das ist nicht von uns, sondern 'n kinderlied früher vom 2.juni selber gewesen. daraus haben wir ein schnelles Stück gemacht. das ist'n sehr gutes lied, schildert die entführung, um was es ging, wer lorenz ist, was sie damit erreicht haben. das kommt bei den leuten immer gut an. die schwierigkeit bei unseren auftritten ist meistens, daß die leute zu uns kommen und sagen, daß sie die texte sehr schlecht verstehen. zum großen teil liegt das an der anlage.
nicht auf sich selbst abfahren
kat: die einzelnen sollen auch nicht so auf sich selbst abfahren und die instrumente. wichtiger ist, gemeinsam den leuten was zu vermitteln1, zu sehen, daß das auch'n effekt haben soll.
kat: das problem ist: wenn die leute den text nicht verstehen, fahren sie nur auf die musik ab. du bringst die leute nur zum konsumieren deiner musik. wenn du ne platte hörst, und der sänger singt englisch, du verstehst das nicht, fährst aber unheimlich auf die musik ab. das könnte ja auch z.b. 'n faschistischer text sein, das ist extrem gesagt aber erstmal'n problem. wir haben uns gesagt: die texte sind erstmal wichtiger. das heißt für uns: nicht mehr selbst so abfahren, instrumente leiser machen, daß der gesang auch besser rauskommt. hier im "anschlag" aus hamburg (nr.3 -red!) werden wir so dargestellt als raf-sound usw. das ist augenscheinlich'n typ, der gar nicht durchblickt.
kat: vor allem wenn sie meinen, was wir zwischen den stücken sagen, das wär so'n ideologisches vollgequatsche.
kein vergleich zu tss
uli: das nervt sie. die reden z.b. immer nur von "kommiepack" oder so was. das scheren die wohl alles über eines kamm. aber was du sagst erinnert mich so ein bißchen an die alten ton steine scherben.
kat: was du meinst ist rauchhaus. die scherben waren damals 'n total wichtiger bestandteil. die haben anfangs sehr gute jugendzentrumsarbeit gemacht. die ganze rauchhausbesetzung lief ja so ab, daß die Scherben in der tu-mensa gespielt haben, danach 800 leute losgezogen sind und das rauchhaus besetzt haben. das war ne starke sache. aber über die scherben kann man jetzt nur noch weinen. schade drum, mit den Scherben wollen wir nicht verglichen werden, es ist ne andere art von musik und auch was wir selber machen, wir leben alle hier zusammen in ner kommune. wir verdienen die kohle selber.
netzwerk gibt keinen halt
uli: wovon lebt ihr?
kat: das kollektiv besteht aus mehreren sachen. einmal daß wir musik machen, daß wir leder machen, klamotten, reparaturen, daß wir autos reparieren usw. wir begreifen uns nicht als alternative zu irgendetwas, wir sagen erstmal: wir leben so wie wir's wollen, wenn andere leute anders leben ist das ok. wir haben nur was gegen bestimmte organisationen wie z.b. netzwerk. wir haben ein lied zu netzwerk gemacht, das hieß "fuck off netzwerk". es gab um netzwerk hier ne heftige auseinandersetzung unter den kollektiven. die sind grundsätzlich gegen netzwerk. netzwerk ist erstmal ne Sache, wo irgendwelche prominente und söhne von reichen leuten, z.b. der sohn von willy brandt, gollwitzer und alle diese liberalen typen kohle geben und wo's nen vorstand und ne mitgliederversammlung gibt, die bestimmen, welches kollektiv förderungswürdig ist. das ist keine organisierte Sache von den kollektiven selber, sondern die kollektive sind praktisch selber nur antragsteller. wir haben's so diskutiert, daß alle kollektive, die keine kohle haben, daß die sich zusammenschließen und daß daraus auch sowas wie ein kleiner handel entsteht. daß es z.b. maler-kollektive oder lederkollektive gibt, die sich gegenseitig unterstützen. nicht irgend ne abgehobene sache, von irgendwelchen promis oder professoren abhängig zu werden, um ne mark zu betteln.
kat: das erzeugt auch irgendwie mehr konkurrenz unter den gruppen als zusammenarbeit, wenn sowas nicht von den gruppen selber kommt und natürlich wächst. teilweise ist es schon so, daß man sagt: wir machen dies und das für euch, dafür macht ihr uns ne hose. das werkzeug wird gemeinsam angeschafft und ausgetauscht, autos werden gemeinsam benutzt und all solche Sachen, transporte zusammen gemacht. netzwerk gibt diesen sachen keinen halt.
promis und leute von außerhalb
kat: du bist ne gruppe, hast akein geld, gehst zu netzwerk und läßt dir 5000 mark geben, und dann machst du deine sache für dich. du bist irgendein projekt innerhalb von netzwerk, das unterstützt wird.
uli: es ist damit noch nicht gesagt, wenn du 5000 kriegst, daß du automatisch'n kollektiv für dich bist und in konkurrenz zu anderen leuten trittst. so war die sache wohl auch nicht gedacht. außerdem habe ich den eindruck, daß du dich zu sehr an den promis hochziehst.
kat: der hauptbestandteil von netzwerk, ungefähr 60 prozent, sind leute die geld haben.
uli: dagegen ist doch erstmal nichts zu sagen.
kat: die haben aber auch das sagen. das sind nicht leute, die drinstecken und die erfahrungen machen, sondern leute von ausserhalb.
kat: bei netzwerk sind 5000 mitglieder, da wird alle halbe jahr ne mitgliederversammlung gemacht, aber was läuft mit den kollektiven ab? wo ist da der zusammenschluß? momentan läuft das immer noch so ab, daß die meisten kollektive so vor sich hinarbeiten, daß kaum connectionsbestehen.
kat: so was muß aber auch praktisch laufen. hier in der strasse existieren noch 2 andere lederwerkstätten. jetzt hat sich das so ergeben, daß die rüberkommen, daß wir zusammen mit denen einkauf machen, gemeinsam mit denen arbeiten, mal hier mal drüben. wenn viele aufträge da sind gibt die eine gruppe an die andere was ab usw. irgendwie muß das alles so von unten aufwachsen.
aus eigener kraft
uli: könnt ihr euch mit dem was ihr hier verdient, einigermassen über wasser halten?
kat: wir bezahlen 1360 mark miete für 700 m2, eigentlich billig. aber wir sind jetzt 6 leute, und früher waren es mal doppelt so viele. mit dem leder haben wir einige tausend im monat gemacht. es hat ziemlich lange gedauert, bis der laden wieder lief und sich die last verteilt hat. qualifizierte leute sind weggegangen. wir haben ne zeitlang nicht so sauber gearbeitet wie früher. jeden tag sind leute gekommen, du hast es nicht mehr geschafft. du hast nachtschichten gemacht, dich mit captagon oder was vollgeknallt und die hosen und jacken hingepfuscht. das ging natürlich nicht. wir hatten mietschulden, totale kohleprobleme. jetzt läuft es wieder einigermaßen. das ist natürlich auch ne schwierigkeit wenn du nebenher musik machst. dazu kommt repression von außen, 2 mal im monat ne bullenrazzia, kündigungen usw. darüber sind dann auch texte entstanden. es war für uns wichtig, nicht irgendwelche leute anzupumpen wie bei netzwerk. wir hätten da hingehen konnen, denn wir waren ein bedrohtes kollektiv, das kurz vorm kaputtgehen war, wir haben aus eigener kraft zusammen mit anderen kollektiven die sache wieder hingekriegt. demnächst wollen wir auch mal in urlaub fahren.
ghetto
uli: woran liegt es, daß hier in kreuzberg so viel los ist mit besetzungen, ausländer sind dabei und so. in hamburg läuft sowas kaum.
kat: hier wird schon länger kontinuierliche arbeit gemacht, knastgruppenl, mietergruppen. wir haben uns hier zusammengesetzt mit dem vorderhaus, den ganzen türken usw. und alles von grundauf durchgesprochen. wir machen jetzt zusammen ne mängelliste, da sind die natürlich dabei. schreiben jetzt forderungen auf, und das läuft unheimlich viel, ganze straßen tun sich zusammen. es gibt einige stadtteilzeitungen. das sind auch nicht nur "chaoten", sondern auch ganz einfache bürger, spießer, proleten, die sich aber trotzdem dahinter stellen, das auch akkurat machen. es gibt'n sanierungsplan, und da sind die leute auch wirklich da nutzen das soweit wie's geht und kurbeln was an. es kommen viele flugblätter, broschüren raus usw.

PUNK GENERATION

Wir haben keinen Bock auf Arbeit
Punk Punk Punk Punk Generation
Wir wollen auch keine Karriere machen
Punk Punk Punk Punk Generation
Wir wollen nicht wie die Alten sein
Punk Punk Punk Punk Generation
Wir wollen auch kein trautes Beim

Wir hassen die Bullen und die Armee
Wir hassen den Staat und die Biirokratie
Wir wollen keine Knäste in unserm Land
Wir wollen alle Pigs an die Wand

Wir scheißen auf die Spießersachen
(die nächste Zeile ist für den Schlagzeuger von Rotzkotz)
Wir scheißen auf Fernsehn und Konsum
Wir scheißen auf die Ehe und den Papst
Wir wollen leben wie's uns passt!


kat: wir begreifen das hier auch als ghetto. kreuzberg, hauptsächlich k-36, ist'n ghetto. hier leben auf engstem raum tausende von menschen. hier gibt's wohnungen, sowas hast du noch nicht gesehen. klaffende löcher in den böden, da rinnt das wasser von den wänden runter.
kat: wir waren die einzigen in haus, die noch wasser hatten. morgens kamen schon die omas ausm vorderhaus und haben sich wasser geholt.
kat: hier wohnen unheimlich viele freaks aber auch deutsche proleten. nach offiziellen angaben wohnen hier 40 prozent ausländer. in kreuzberg wohnen 260.000 merschen. kreuzberg ist der 2.-kleinste bezirk von berlin und hat die meisten einwohner. mit dunkelziffer bei den ausländern wohnen hier vielleicht 350.000 leute, davon 60 prozent türken. die deutschen sind hier mehr und mehr in neubauviertel ausgezogen. hier wohnst du noch irgendwie "romantisch". du spürst wenn du am tag durch die straßen läufst daß da'n ständiger kampf läuft. hier fahren massig bullen patroulle, die amis fahren hier an der mauer patroulle. alle 3 bis 5 minuten fährt hier'n bullenwagen durch die gegend. da fühlst du dich schon irgendwie wie im ghetto. ne neue form von besetzung heißt instandbesetzung. da werden wohnungen und ganze häuser besetzt und von den mietern. selber instandgesetzt. da werden ganze häuser nur von den mietern, von proleten übernommen. hier gehen die
leisten leute noch in tante-emma-läden einkaufen. es läuft auck'n kampf gegen supermärkte. ich möchte hier auch nicht wegziehen. was willst du in so nem neubaughetto? da wohnen 1000 leute in einem haus und keiner kennt sich.
gemeinsames leben auf allen ebenen
kat: die leute hier akzeptieren dich, sehen dich mehr als mensch an und sehen, daß hier auch gearbeitet wird.
kat: die kollektive sind hier anerkannt von den bürgern.
uli: von denen kriegt ihr auch aufträge, nicht nur von freaks?
kat: überhaupt nicht, sonst könnten wir wahrscheinlich gar nicht leben. es gibt hier aber auch unheimlich viele kommunen und wg's. geil sind auch die vielen fabriketagen im hinterhaus. das gibt's nirgendwo sonst. dadurch ist die möglichkeit geschaffen, daß auch viele leute zusammen wohnen können. wir haben hier keine privaträume, schlafen auch zusammen in einem raum. wir haben ne gemeinsame kasse, keiner von uns hat privatgelder.wir bestreiten unser leben total gemeinsam, diskutieren alles zusammen. wir sind keine wohngemeinschaft, wo das in zimmer aufgeteilt ist. kommune heißt für uns: gemeinsames leben auf allen ebenen, keine einzelzimmer, keine einzelkohle, keine einzelprobleme. es ist imer ne gruppenfrage.
das so-36
uli: ihr habt vorhin über's so-36 gepöbelt.
kat: die ganze szene hier fand das toll, als endlich so'n laden aufgemacht wurde mit punk usw.nicht von so kommerziellen typen. davon gingen wir aus. schon am ersten tag gab's stunk. du mußtest massig eintritt bezahlen, das bier war sauteuer (n halber kostet da in der gegend 1 mark 50 - red!). die hatten rocker da. 'n paar leute von uns haben gleich am eröffnungstag hausverbot bekommen. wir haben gemerkt: das ist nich unser laden, sondern das sind leute, die damit kohle machen wollen. die punks haben dem auch immer kritischer gegenübergestanden. die hatten sich hunde angeschafft, damit keine leute stürmen können. wahnsinnspreise, du kannst dir das nicht vorstellen. jetzt am letzten tag haben sie 40 mark eintritt genommen.
uli: was haben sie da geboten?
kat: 3 oder 4 gruppen, berliner gruppen. eine aus england. nicht frei, nicht mal'n verzehrbon. die punks konnten da nicht so abtanzen wie sie wollten, wenn sie mal ne bierbüchse geworfen haben, sind sie rausgeschmissen oder rausgeprügelt worden. daraufhin haben wir im drugstore (selbstverw. jz in schöneberg) ein konzert gegen das so-36 organisiert. da waren katapult, rotzkotz und noch're gruppe aus hannover. während dem konzerts gab's ne stürmung des so-36 von ner gruppe, die sich "kommando gegen konsumterror" nannte. die sind da reingestürmt, haben mit knüppeln den ganzen laden zusammengewichst und haben auch die kasse geklaut. danach haben sie dann rocker angestellt. wir hatten bestimmte forderungen an den laden:
1.bierpreis runtersetzen zu ner mark
2.eintritt nicht mehr als 5 mark wenn ne gruppe spielt
3.rocker weg und übergang zur selbstorganisation
das war natürlich ne utopische forderung, denn keiner gibt so nen laden auf, wenn er geld dran verdient. da sind totale straßenschlachten vorm so-36 gelaufen, aufkleber sind rausgekommen gegen's so, zeitungen haben drüber geschrieben usw. mit der zeit kam da nur noch schickeria hin, pseudopunks, leute, die echt kohle haben, leute aus westdeutschland, die hier wie touristen durch die straßen gelatscht sind. im reisebüro konntest du dir das programm vom so-36 geben lassen. die haben natürlich immer wieder versucht, hier die punk-szene anzusprechen mit gruppen aus england, die sonst keiner geholt hat, z.b. adam &the ants, wire und so was. du bist irgendwie in konflikt geraten: gehst du hin, gehst du nicht hin? wir sind nie hingegangen, obwohl wir echt bock dazu hatten. aber wir haben das absolut nicht eingesehen, die hatten nachher nur noch so nen spalt, du konntest nicht mal mehr stürmen. keiner, der sozialhilfe kriegt, hier in kreuzberg wohnt, keine kohle hat, kann jeden tag 5 oder 10 mark für ne gruppe bezahlen und dann noch 3 mark 50 für'n bier. es war klar, daß dann auch keiner mehr hingegangen ist.
gegenkonzerte
uli: du meinst, das so-36 ist pleitegegangen, weil die leute gemerkt haben, das ist kacke und das boykottiert haben?
kat: deshalb machen wir unser eigenes fest, um dem was entgegenzusetzen.
kat: es sind gegenkonzerte organisiert worden, wo auch ausführlich über's so-36 diskutiert wurde. wir haben auch ein lied über's so-36 gemacht. schließlich haben wir nen wirksamen boykott geschafft.
kat: der finanzielle boykott war noch das wenigste, sondern der dauernde terror, der die leute da zermürbt hat.
kat: da ist buttersäure reingeflogen. das so-36 hat jetzt dichtgemacht. die leute haben sich immer selbst bejammert. aber das kommando gegen konsumterror hat was gebracht. alle leute fanden das ok, daß sie die kasse mitgenommen haben. die gelder sind gruppen zugeflossen, in den knast gegangen. die haben sich damit nicht bereichert. die haben auch dazu gesagt, wozu das war, die meisten leute haben geschnallt was da ablief. die größte schweinerei war, daß das mitten im herz von kreuzberg war. da haben die leute so'n ding aufgebaut, so nen total kommerziellen laden. jeder von uns dachte erst: das ist unser laden usw. aber nichts war, der volle anschiß. die power und die wut, die die leute draufhatten, haben sie auch ganz klar gezeigt, jetzt ist das so-36 wieder von leuten übernommen worden. da soll jetzt soul laufen. die leute sollen ok sein, eintritt, bier billig. wir werden mal hingehen und abschecken. räumlich ist das ding ja astrein. der drugstore ist in schöneberg. wir wollen aber hauptsächlich hier in kreuzberg spielen, aufm straßenfest, aufm lastwagen und so. uns kommt es nicht drauf an, wieviel leute da sind, wir spielen auch vor 50 leuten, das macht uns nichts aus, wir erreichen, daß wir währenddessen oder danach was zusammen machen.
rgr-gegeninitiative
kat: zum antifaschistischen festival am 28.sept. wollen wir auch englische gruppen holen. das soll nicht nur punk und reggae sein, sondern alle musikrichtungen vertreten. das antifa-festival ist auch entstanden als gegeninitiative zu rock gegen rechts. solche massenaufläufe wie in frankfurt, wo für ein paar tage mehrere 1000 leute kommen und danach nichts mehr läuft, bringen nichts. das war ne massenveranstaltung wo leute wie udo lindenberg und andere kommerzielle leute bejubelt wurden. rgr sagt: wir sind gegen neofaschismus und nazis. wir sagen: es kommt nicht nur darauf an, was gegen irgendwelche nazis zu machen, sondern auch ganz konkret was gegen das was bei uns im staat abläuft, bullenterror, berufsverbote, todesschuß, knast, vernichtung, hochsicherheitstrakt usw. das sind für uns die wichtigen sachen, die wir den leuten auf unserem festival vermitteln wollen. natürlich auch gegen nazis, aber wir wollen auch ne bewegung dagegen schaffen, die von den leuten selbst kommt. während des antifaschistischen festivals werden arbeitsgruppen gebildet, also nicht nur musik, kino usw.
uli: ich glaube, das ist nicht der wesentliche unterschied zu rock gegen rechts. mir stinkt das auch enorm, so wie die sache da bisher aufgezogen worden ist. aber es stimmt nicht, daß die sich nur spektakulär an irgendwelchen nazigrüppchen da ausrichten, während du sozusagen den anspruch hast: die ganze scheiße geht vom staatsapparat aus. geil dich jetzt nicht nur an frankfurt hoch. das war das deutschlandtreffen der npd..
kat: das stimmt nicht, es sind diskussionen gelaufen mit leuten vom antifaschistischen festival. wir waren nicht abgeneigt, da ne gemeinsame sache draus zu machen und das auch unter dem namen rock gegen rechts laufen zu lassen. aber die haben nicht das interesse. für die geht's hauptsächlich um nazis. die unterstützen uns in keiner weise. im gegenteil, die lehnen uns ab. das ist auch'n chaotenhaufen, daß sie jetzt hier eine Woche vor unserem ding ein rgr-festival durchziehen. sie haben auch klar gesagt: punk ist bei ihnen nicht. es sind leute extra nach hamburg gefahren um mit rgr zu sprechen, auch wegen dem finanziellen. die wollen uns nicht unterstützen. weil das bei denen auf ner ganz anderen ebene abläuft. für uns ist auch wichtig, was sich nach großen veranstaltungen abspielt. schau dir frankfurt an. was ist danach passiert?
uli: es ist wohl einiges gelaufen, nach dem was ich mitgekriegt hab, haben sich z.b. im ruhrgebiet neue gruppen gebildet. allein die tatsache, daß da 50.000 leute oder wieviel gewesen sind, ist doch erstmal gar nicht schlecht.
robert (hh): atomkraft nein danke ist nichts mehr los, jetzt machen sie rock gegen rechts.
uli: atomkraft nein danke ist noch lebendig. da ist keine abschlaffung. du wirst sehen, das wird noch gewaltig zunehmen. bei rock gegen rechts bin ich ziemlich sicher, daß die früher oder später allein aus musikalischen gründen schiffbruch machen werden. da laufen auch sowieso nur solche freaks mit akw plakette usw. hin.
kat: was für gruppen sind denn bei rgr drin? kuck dir doch mal an, mit welchen organisationen die zusammenarbeiten. sie lassen sich auf irgendwelche dgb-ebenen ein, sprich mal hier mit proleten über seinen lohn und den dgb. der wird dir was erzählen.
uli: na ja.
kat: das sind alles so kleinigkeiten, die dazukommen. es ist doch nicht nur wichtig, daß da 40.000 leute hinkommen, frankfurt hochgejubelt wird: das war ein schlag gegen den faschismus.
uli: doch, war's schon, relativ. selbst der frankfurter dgb hat sich diesmal, kann man ruhig sagen, ziemlich korrekt verhalten.
kat: wer steht denn bei rgr drunter? das ist doch wieder so'n ding wie netzwerk, daß da'n paar prominente drunterstehen. darauf ziehen sie ihr ganzem ding hoch.
uli: ich hab nichts gegen prominenz. mir hat gestunken, daß sie da ne politsache hochziehen wollten und die musik der sache als mittel aufgesetzt haben, um leute da hinzulocken. daß sie einen teuren aufruf nach dem anderen rausgespruckt haben, listen, die immer länger wurden, wo alle möglichen leute drunterstanden, um da eindruck mit zu schinden. das ist mir u.a. aufn sack gegangen. mir geht nicht auf'n sack, daß es irgendwelche organisationen sind, die das mit angeleiert haben. höchstens wenn sich da gurus in den vordergrund drängen. das ist gar nicht die frage.
keine abgekapselten politkisten
kat: wir haben gedacht, mit den hamburger leuten von rgr läßt sich das noch vereinbaren. aber das lag überhaupt nicht drin. wir wollen nicht irgendwelche abgekapselten politkisten, sondern andersrum hier im stadtteil von unten her. wir fahren nicht auf irgendwelche promis ab. letztendlich lande ich auch im knast, und so'n liberaler promis kann mich da auch nicht rausholen. du lebst hier nun mal anders als in dahlem (=villenviertel) wo vielleicht einer seinen namen unter rock gegen rechts stehen hat.
uli: ich glaub nicht, daß wir das hier aussprechen konnen. ich bin mit dir nicht einverstanden.
kat: erkundige dich mal bei rgr in hamburg über die gespräche mit dem antifaschistischen festival. ich finde das wichtig, daß ihr das auch kritisch bringt in eurem blatt da. uns ist es wichtig, daß da auch was übers antifaschistische festival erscheint.
kat: weißt du denn wie das da läuft bei rgr mit den gruppen, wie das organisiert wird? bei uns sollen die leute, die da hinkommen, auch von anfang an beteiligt sein. die sollen sich einmischen können, wenn ihnen was nicht paßt, ihre eigenen vorschläge machen, eigene ideen aus den stadtteilen gleich jetzt schon hinbringen.
uli: ich weiß z.b. nicht, wie die vorbereitung zu frankfurt genau abgelaufen ist, weil ich nicht zu rgr gehöre und erst hinterher von einigen auseinandersetzungen hinter den kulissen ...ein wesentlicher unterschied zu euch ist, das sind großenteils etablierte leute, wie oktober z.b., die sind jetzt sogar vollprofis geworden.
alle gruppen spielen umsonst
kat: wir machen auf unserem festival keinen profit. die gruppen spielen absolut ohne geld. gruppen die aus england kommen kriegen spesen, das ist klar, es haben sich alle bereit erklärt so zu spielen, weil sie die sache auch gut finden, in hannover wird jetzt z.b. für den 6. oktober auch so'n rock gegen rechts organisiert, da sind wir auch angesprochen worden. die gruppen kriegen da 2500 bis 5000 mark (ob das richtig ist konnten wir nicht nachprüfen -red!).
uli: die haben in hamburg gesagt, die deutschen gruppen würden so 1000 mark kriegen, haben sie z.b. in der markthalle. die begründung dafür, daß sie so viel kohle bezahlen, war daß sie sich auch als so'ne art gewerkschaft der musiker begreifen.
kat: bei uns gehts nicht darum, große gruppen zu holen, um nen anreißer für leute zu haben. wir diskutieren mit den gruppen. wir wollen, daß die da nicht nur spielen, weil da massig leute sind, die arbeiten da aktiv mit, finden das gut und erklären sich auch bereit, da umsonst zu spielen, das ist doch'n widerspruch: ich spiele nicht auf nem antifaschistischen festival für 2000 mark. warum denn?
uli: natürlich kaufst du dir kein neues auto. du besprichst das hier mit den leuten, und dann machst du dies und das.
kat: ich seh das nicht ein, warum ich gruppen 1000 mark zahlen soll. die kohle kann man für andere gute Sachen verwenden. da soll niemand profit machen, und ich glaube auch, daß das klappt, daß wir da kein defizit machen (dürfte im nachhinein richtig sein -red). sonst müssen wir eben 'n bißchen sammeln.
kat: ich glaube schon, in dem moment, wo solche gruppen anfangen mit ihrer musik geld zu machen, ist da was faul, wir haben uns schon öfter gedanken gemacht über die scherben und gruppen, die unheimlich gut drauf waren, die haben was im kopf und stehen dahinter bei dem was sie sagen, was aus denen geworden ist. entweder du machst die musik, weil du damit was erreichen willst oder das ist nur dein job.
keine musikmaschinen
kat: es kommt immer noch darauf an, wo und wie du spielst, vor welchen leuten. darum haben wir auch gesagt wir spielen nicht in der markthalle.
uli: aber im krawall hats euch gefallen?
kat: ich hatte das gefühl, daß wir ziemlich gut angekommen sind.
kat: scheiße war, daß wir da auch'n paar Sachen sagen wollten. wir lieder zu bestimmten sachen gemacht, dpa-besetzung, lorenz-song. da fingen die an: ach schon wieder politik! die wollten nur musik hören, und das hassen wir.
uli: das wirkt vielleicht auch etwas aufgesetzt, wenn du dich vorne auf die bühne stellst und irgendwelche vorträge hälst.
kat: das sind keine vorträge, sondern das gehört mit dazu was wir meinen.
kat: das ist auch überhaupt so'n punkt, daß man die leute mal anmachen sollte, was da so die beziehungen untereinander sind. wenn da jemand auf der bühne ist, daß sie den auch als menschen sehen müssen, als einen von ihnen, der was zu sagen hat und daß sie den nicht einfach reduzieren können auf ne musikmaschine. man muß auch forderungen ans publikum stellen, sonst kriegt man eben so'n entfremdetes verhältnis dazu.

wir danken! der "band-mama", olaf und reno kid, der zum schluß mit locke noch dazugekommen is! -red!




antifaschistisches rockfestival berlin 28./29./30.9.79. selbstorganisiert von den beteiligten gruppen.

sonnabend vormittag trämpten wir nach berlin. weil's nicht so gut lief sind wir erst am späten nachmittag angekommen. da war die hälfte des festivals fast schon gelaufen. laut programm sollten freitag abend & sonnabend vormittag auswurf, ratz, st 42, salinos, piit, fronttheater, dc 10, katapul, vollgas, xxx, ätztussis usw. gespielt haben. wie uns berichtet wurde, ist der sonnabend-vormittag open air in kreuzberg flachgefallen, warum wußte keiner. das erste was wir mitgekriegt haben war sonnabend abend in der alten tu-mensa. war knallvoll, hektisch, ungemütlich, vieles provisorisch. im foyer und auf den treppen 1000 büchertische von allem möglichen linken gruppen, die mit rock und punk sonst nichts zu tun haben aber sich da einklinkten. treffender zwischenruf überm mikro später: "was hier läuft ist linker kommerz!" im vorraum verteilte auch die rote garde (jugendorg. der kpd/ml) eines der blindesten flugblätter, was wir je gesehen haben. kostprobe:"... musik und theater können dem antifaschistischen kampf dienen. aber doch wohl nicht der rock als solcher oder gar der punk, dieser auswurf an musik... bestimmte teile der rockmusik, vor allem der punk predigen direkt individualismus, anarchie, chaos und desorganisation, eben genau das gegenteil von dem, was wir im kampf gegen kapitalismus und faschismus brauchen. sich in seiner eigenen scheiße suhlen (!)‚ genauso kommen wir nicht weiter... mit punk und hardrock kann man vielleicht die 'alltägliche scheiße'...loswerden aber nicht den faschismus bekämpfen... punker... sind ihnen (= den kapitalisten) 1000 mal lieber als jugendliche, die in den gewerkschaften und jugendverbänden kämpfen...wir von der roten garde machen das so. deshalb mach mit in der roten garde" usw.blah blah. besonders übel daran finden wir das ewige gegeneinanderausspielen von "gewerkschaftsarbeit" (brüst brüst) und eigenständig organisierten sachen.
TAZ 16.10.79
zum Antifaschistischen Rockfestival am 28./29./30.9.1979 in Berlin

Eigentlich haben wir heute keinen Bock, diesen Artikel zu schreiben, weil unsere anfängliche Wut auf euch langsam in Gleichgültigkeit umschlägt, aber wir findens doch ganz schön wichtig, euch mal anzumachen und was von uns und unseren Festivalerfahrungen rüberzubringen.

Also, wir habens gepackt, unser Festival durchzuziehen ohne Manager oder leute, die den großen Durchblick haben. Durch das Chaos, das abgelaufen ist - "wenn Ordnung das halbe Leben ist, dann ist Chaos das ganze Leben" - haben wir Erfahrungen gemacht. Schwierigkeiten wegen Kohle, Organisation und mit den Musikgruppen. Einige Gruppen wollten nur so einen Auftritt durchziehen (eine der Gruppen war, Zitat: "besseres gewöhnt" und zog gleich wieder ab) und auch schon in der Vorbereitung hat sich gezeigt, daß die Punks sich am meisten eingeklingt haben. Für uns war klar, daß wir uns in Beziehung Musikrichtung keine Grenzen setzen wollten, hatten aber auch keinen Bock auf Stargruppen mit englischen Texten. Für uns war das Einklinken also Bock, auf dem Antifaschistischen Festival zu spielen und mit vorzubereiten das wichtigste.
die demo war eine wichtige erfahrung für uns
Eine andere wichtige Erfahrung war die mit der Demo für uns. Klar zu sehen war, daß viele Leute auf der Demo waren, die sonst noch nie da waren, und das war schon ein geiles Gefühl für uns. Für die Leute war es ein ganz schöner Hammer, dieses totale Bullenaufgebot zu erleben:

Schon vor Beginn der Demo, auf dem Hinweg, demonstrative Machtschau der Bullen. Leute mit Lederjacken, Nieten, Taschen, Beuteln (fast die Hälfte der Leute) werden einzeln gefilzt und versucht einzuschüchtern. Aber die Jugendlichen, die in Gruppen aus den UBahneingängen kommen, lassen sich von noch so wild aussehenden Staatsbeschützern nicht erschrecken, für die ist Bulle kein Fremdwort und sie wissen aus eigener Erfahrung, was sie von ihnen zu erwarten haben.


Daß Knastdemos besonders gefährlich eingeschätzt werden, ist uns nicht neu, aber diesmal schien man von Bullenseite Totales befürchten zu müssen oder aber von vornherein auf Provo zu machen: so waren alle anderthalbtauscnd Demonstranten von Beginn an bis zu den Kundgebungen und Konzerten vor dem Lehrten Frauenknast und vorm Moabiter U-Knast, hinten, vorne und an beiden Seiten voll mit Bullen in Kampfmontur umriegelt. Daß die Demo trotz etlicher gezielter Versuche der Bullen (Festnahme wegen Mitnahme eines Spazierstockes...) gut bis zum Knast kam, ist schon eine irre Selbstdisziplin von Leuten mit so wenig Demoerfahrung. Noch schöner wärs gewesen, wenn noch ein paar mehr Typen ihren Arsch hochgekriegt hätten.

Auch wenn uns äußerlich eine Übermacht von Bullen vorgeführt wurde, ganz so beschissen wars doch nicht und unser feeling nicht ganz ausweglos: die Musik ist bei den Knackies gut angekommen, trotz beknackter Anlage sind auch Texte rübergekommen.

Noch ein Satz zum Festifal: es gibt ein Gerücht, wir hätten Saalschutz engagiert:
1. wir engagieren überhaupt niemanden
2. wie schützen uns selber.
das müßt ihr mal in eure köppe reinkriegen

Abgesehen davon, daß es gut ist, wenn das Antifaschistische Festival überhaupt in der. Zeitung erwähnt wird ("Abend" vom Montag danach), sind wir natürlich nicht so blöde, dem "Abend" eine Diskussion abzuverlangen uns seine Behauptung "Punk statt Politik" (Ergänzung zur ARD-Sendung "alternativ statt politisch") zu widerlegen, wir erwarten nichts vom "Abend".

Klar geht es nicht darum, tausende (oder alle TAZ-Leser) vom Punk zu überzeugen. Aber hier unten spielt sich inzwischen wieder was ab, daß müßt ihr mal in eure Köppe reinkriegen (oder rauchen die schon zuviel von euren Strategiedebatten?)

Sicher bestand der größte Teil des 3-Tage-Publikums in der TU-Mensa nicht aus TAZ-Lesern, ein paar waren sicher auch dabei. Den Leuten, die kamen, gings eher darum, mal wieder wohinzugeben, ohne das Gefühl zu haben, von vorne bis hinten ausgelutscht zu werden, es gab nichts zu bestaunen und zu begaffen, wo man entweder mitmachte oder nach Hause ging.

Und wer stand vorm Knast? Es waren genau die Leute, die beim Festival über die Musik und Inhalte angetörnt waren und ihr gutes Gefühl umsetzten und bei der Demo zum Knast mitzumachen.
Erwähnenswert ist vielleicht noch, daß bei dem Antifaschistischen Festival 10.000 Mark rübergekommcn sind - mit Risiko in Grenzen - dafür ohne Management und Profitgier. 5000 gehen auf Beschluß der Initiative (und das wurde auf vier Vorveranstaltungen in Gropiusstadt, Lankwitz, Schöneberg 2x -MV und Mariendorf leider geplatzt - von den Jugendlichen unterstützt) fürn Knast rüber, der Rest ist für weitere Arbeit der Initiative.

Veranstalter des Festival

dieses flugblatt brachte den nl-ern ziemliche anmache. sie sind von den überwiegend punks aus dem saal gedrängt worden, allerdings hatte niemand was dagegen, daß sie ihren kram vor der tür weiterverteilten. wir fanden das ml-schmierblatt zwar auch schlimm und konnten die punks verstehen, waren aber mit der art, wie die "genossen" behandelt wurden auch nicht einverstanden. später lief dann übers mikro noch eine diskussion über den vorfall, die aber kein ergebnis brachte.
musikmäßig gings los mit den resisters aus england. matthias: anfangs sehr blind, später hörbar, was sich meiner meinung nach auch an entsprechenden publikumsreaktionen ablesen ließ (zuerst das ganz große gähnen, nachher etwas pogo). uli: bis vielleicht auf 2 songs nämlich 'keep your mouth shut' & 'official secrets' fürchterlich - wesentlich schlimmer als ihre platte. eindruck bei den resisters: geziert-häßliche kunststudenten, ein absoluter unsicher kaugummikauender schönling, ein verschüchteter sänger, ein lieber-häßlicher keyboarder, eine deutsche bassistin, auf flower-power rausgeputzt, war schlichtweg d o o f alle etwas älter. stießen überwiegend auf ablehnung. unnatürlich, krampfig, affektiert. würden viel besser auf ne rock-gegen-rechts-veranstaltung passen - wo sie auch herkommen.
nächste erwähnenswerte gruppe: hansaplast aus hannover. fähig wie immer, kam entsprechend an.
danach kamen noch meniscos (kennen wir nicht) und buttocks aus hh (wohlbekannt). um ein uhr sind wir ziemlich geschlaucht gegangen.
sonntag 14 uhr demo in moabit (nur matthias konnte hingehen). ankündigung am vorherigen abend: "also leute, helm und ausrüstung sackschutz usw. mitbringen. falls was läuft." es ging an der uni-mensa los, meine schätzung: 2000 leute, taz: 1000. glatt halb so viel kopps, die die demo beständig eingekreist hielten und sich bei bedarf leute rausgriffen, reichlich zivis, wasserwerfer, video- und fototrupps. erste explosive situation bei der frauenhaftanstalt. die ganze demo auf vielleicht 300 meter zusammengedrängt, rundrum kops und/oder mauern, so wie eben das gefängnis, aus dem die gefangenen ihr geschirr auf die bullen runterkippten. gleichzeitig spielte katapult vom lastwagen aus "feuer frei auf die bullen', denen schwerer böller-beschuß aus der demomasse zu schaffen machte und die daraufhin reichlich aggressiv wirkten. dann weitermarsch zum turmweg (u-haft moabit). dort wieder konzert für die gefangenen ("da die gefangenen nicht zu uns kommen können kommen wir zu ihnen"). die kopps hatten aber den knast so abgesperrt, daß für die leute drinnen angeblich kaum was zu verstehen war. wenns stimmt ne schweinerei. dann offizielle auflösung der demo. auf dem weg zur u-bahn stießen wir noch auf eine völlig sinnlose sperre, die das vorgehen der polizei als reine schikane entlarvte, da die stimmung sowieso unheimlich aggressiv war und sich hinter der absperrung ein feister oberkopp mit folgendes spruch produzierte: "wenn die straße nicht sofort geräumt wird, setzen wir wasser ein!" rissen einige leute das pflaster auf und begannen einen steinhagel auf die sperre. plötzlich kamen mannschaftwagen, und mit ner wilden flucht war die sache zu ende.
sonntag abend wieder in der mensa. wesentlich leerer diesmal. da am ersten abend kaum punk ablief, waren wohl auch schon ne menge punks aus westdeutschland wieder abgehauen.
wir führten uns blässe, trio mit einem präpubertären kleinen jungen als sänger, der auch einige chuck-berry-sachen brachte, zu gemüte. much fun. zum schluß noch katapult, die auch mit ihren sprüchen volle aggression abließen. am schluß ihres guten auftritts kündigten sie an, erstmal nicht weiter öffentlich zu spielen, da in berlin schon reichlich konsumerwartungen an sie rangetragen würden und auch schon gerüchte von nem platten-vertrag (!) rumschwirrten. so weit so gut.
so eine halbe Stunde vor mitternacht sind wir im auto zurück nach hamburg.
ihr habt gemerkt, daß unser artikel ein e i n d r u c k -, kein hintergrundbericht ist. wir hatten aber wegen der ganzen hektik keine gelegenheit mehr, uns in ruhe mit den veranstaltern über das festival zu unterhalten. nur olaf (bassist von katapult) hat uns gegenüber zugegeben, daß einiges doch eine "scheißorganisation" gewesen ist, das merkte man allerdings. von den angekündigten gruppen dürfte wohl nur der geringere teil aufgetreten sein. die tu-mensa ist als veranstaltungsort ziemlich ungemütlich und dröhnig. verstärkt wurde der miese sound durch eine hundsmiserable anlage und einen angemieteten professionellen mischpultidioten, der überhaupt nichts abblickte. dadurch gab's z.t. keine, z.t. sehr lange & nervige soundchecks vor dem publikum (bei hansaplast fast ne halbe stunde). ob - wie angekündigt - arbeitsgruppen gelaufen sind, können wir nicht beantworten. nervig waren die politsänger und referate zwischen den auftritten ("da ist schon wieder ne schweinerei mit den grauen wölfen gelaufen..." usw) bei einigen sachen war daher die grenze zu typischen rock-gegen-rechts-veranstaltungen kaum noch klar (mit rgr waren übrigens unterstützungsverhandlungen gelaufen allerdings ergebnislos).
anspruch des antifa-festivals war u.a. vom konsum runterzukommen (s. kant kino und so-36) und die berliner gruppen fester untereinander zusammenzukriegen. wie es mit dem letzten punkt aussieht, können wir auch nicht sagen. das ganze wird sich hoffentlich langsam entwickeln, in punkto konsum muß man wohl anmerken, daß eben auch linker konsum konsum ist. wir glauben es ist nicht damit getan, als organisator alles mögliche anzubieten und dann vielleicht darauf zu hoffen, daß sich da mehr oder weniger spontan schon irgendwas ergeben wird, wir können das nur negativ kritisieren, wie man's tatsächlich besser macht, können wir auch nicht sagen.
die kreuzberger gruppen sind in ihrem politischen anspruch und in dem wie sie's umsetzen, sehr sehr konsequent und bestimmt nicht bereit, kompromisse einzugehen, allerdings fragen wir uns bei "feuer frei" auf die bullen und ähnlichen plakativen sachen, ob das nicht doch reichlich sektiererisch ist und man damit auf lange sicht im eigenen saft schmort, nur seine anarchistische wut reauszuschreien bringt u.e. so viel auf dauer auch nicht ein.
das interview mit katapult ist zwar, wie die anderen auch, nicht mehr ganz aktuell, wir haben uns aber trotzdem zum abdruck entschlossen, weil sich an den grundeinstellungen der leute nichts geändert haben wird. außerdem sind sonst kaum erwähnenswerte sachen passiert.
matthias &uli/okt.79

(Quelle: Rockmusik. Zeitung der AG Rockmusik / Hamburg - Nummer 4/Oktober 1979)


Fresse / Information Overload