 
      interview mit katapult am 21.7.79 in der waldemarstraße 33 berlin 
      36 (tiefstes kreuzberg)  
      kat: katapult ist zum 1.mal musikalisch im sommer 78 in erscheinung 
        getreten. angefangen hat das alles über radios, tonbänder und 
        so. der 1. text von katapult wurde 77 geschrieben. langsam hat sich das 
        dann gefestigt. wir haben uns ne anlage angeschafft, die besetzung hat 
        dauernd gewechselt. seit feb 79 etwa sind wir in der jetzigen festen besetzung 
        (reno kid-voc/white rabbit-g, voc/peter-g/olaf-b voc/looke-dr). 
        unser alter ist von 19 bis 23. die leute von auswurf haben wir hier kennengelernt. 
        wir haben beide allein nicht so viel stücke, daß wir nen abend 
        allein machen können. jetzt üben wir zusammen in einem raum, 
        haben ne gemeinsame anlage.
        
      zwei szenen  
       
      es gibt hier in berlin, in kreuzberg, 2 szenes, 2 punkscenes. die eine 
      ist mehr aufs kommerziellen ttrip. das sind pvc, ffurs und solche leute. 
      dann gibt's hier noch ne Szene, früher war das katapult, auswurf. dann 
      gibt 's noch die ätztussis, vollgas, bazillus. unsere musik kannst 
      du nennen wie du willst. punk - was heißt punk. wir machen getto-punk 
      oder getto-rock mit politischem inhalt. in den meisten zeitungen steht anarcho-punk 
      oder sowas. hier in kreuzberg hat sich gemeinsam mit den 6 gruppen schon 
      irgendwie was entwickelt. wir treten hier zusammen auf, haben hier'n straßenfest 
      organisiert am 2. september. 
      kat: es ist nicht nur musik, sondern eine ganze szene. vor allem auch die 
      theatergruppe hier aus's haus, das fronttheater. beim straßenfest 
      neulich haben auch türkisch/kurdische leute musik gemacht, und die 
      wollen das auch am 27.september auf dem antifaschistischen rockfestival 
      machen, hier in kreuzberg tun sich immer mehr leute zusammen, um gemeinsam 
      was zu produzieren. 
      uli: ihr habt doch hier auch eigene versorgungsbetriebe, werkstätten, 
      läden... 
      kat: läden nicht direkt. aber alles auf kollektiver basis. es hat sich 
      alles so entwickelt, daß vieles gemeinsam organisiert wird, weil es 
      allein für dich unheimlich schwierig ist, wir organisieren unsere konzerte 
      auch meist selber, ohne irgendwie große sound-typen im hintergrund. 
      wir haben es auch nicht drauf, große konzerte zu organisieren, wo 
      3 oder 4 tausend leute hinkommen, sowas wie markthalle bei euch. wir wollen 
      in jugendzentren spielen oder in sälen, wo wir auch meinen, daß 
      wir das richtige publikum ansprechen, wir wollen hauptsächlich jugendliche 
      hier aus den ghettos ansprechen. wir spielen grundsätzlich nicht für 
      geld. für bestimmte auftritte kriegen wir auch geld. aber das wird 
      dafür verwendet es in den knast zu schicken, für knast-gruppen, 
      oder es kommt irgendwelchen anderen leuten zugute.  
       
      runter vom konsumstartrip  
       
      wenn wir hier' in berlin spielen haben wir keine unkosten. in hamburg 
      ider andere auswärtsgigs da haben wir natürlich unkosten. im krawall 
      haben wir 200 mark gekriegt, da haben wir voll verlust gemacht, mit katapult, 
      auswurf, ätztussis 500 mark ausgegeben. ok, das hat uns nichts ausgemacht. 
      die leute im krawall machen keinen profit. 
      uli: noch nicht. kann sich ändern. 
      kat: wir sollten bei into-the-future spielen, aber nach diskussionen unter 
      uns haben wir das abgelehnt. es war erstens klar, daß das'n totales 
      konsumkommerzfest wird und weil wir auch gegen solche großen sachen 
      mit 2000 leuten was haben. wir überlegen uns hier, wie wir unsere eigene 
      konsumhaltung abändern konnen. wir wollen den leuten was durchgeben. 
      wir wollen auch was von den leuten. und wir meinen auch, daß die leute 
      von uns'n bißchen mehr erwarten als nur musik. wir machen ganz bestimmte 
      texte, es sing ganz klar politische sachen. wir wollen von so nem konsumstartrip 
      runterkommen. da steht man auf der bühne, fetzt seinen kram da runter, 
      und die leute himmeln dich an. 
      uli: so schlimm ist es in der markthalle aber auch nicht gewesen. 
      kat: das ist unser problem. ich kann dir nur sagen, wie unsere erfahrung 
      ist, wenn du merkst, daß du nur konsumiert wirst, macht dir das mit 
      der zeit auch selber keinen spaß mehr, wir haben uns überlegt, 
      wie man das ändern kann. beim letzten gig in der gropiusstadt, im haus 
      der mitte, haben wir unsere texte kopiert und die ausgehangen, damit die 
      jeder lesen kann. denn man versteht ziemlich schwer unsere texte. wir haben 
      uns erstmal vorgestellt wer wir sind und haben zu jedem lied auch was gesagt. 
      und das ist auch gut angekommen, die leute sind da gut drauf abgefahren. 
       
       
      spontane auftritte  
       
      uli: ihr spielt nicht nur in hdm und solchen läden? 
      kat: mit die besten erfahrungen war, wenn irgendwo was los war, dann haben 
      wir uns nen lkw geliehen und sind da hingefahren, wenn sich das so spontan 
      ergeben hat. das war nicht wie bei einem lang vorbereiteten konzert, wo 
      dann immer ein ziemlicher abstand ist. irgendwelche leute stellen sich da 
      hin und machen musik mit den anderen zusammen, am 1. mai war erst so'n fest 
      da hinten am spreewaldplatz. da haben wir uns auf'n kinderspielplatz gestellt 
      als noch gar nichts los war. das hat sich dann so rumgesprochen in ner halben 
      stunde, und plötzlich kamen da unheimlich viele leute an, nicht nur 
      punks sondern auch andere leute, die da auch drauf abgefahren sind, es gab 
      kurden, die da mitgespielt haben. das ist viel natürlicher als wie 
      wenn man große konzerte macht.  
       
      knastgruppe  
       
      uli: wie seid ihr gerade auf knast gekommen? habt ihr was mit schwarzer 
      hilfe oder sowas zu tun? 
       kat: 
      unser ehemaliger gitarrist ist jetzt im knast wegen banküberfall hier 
      in berlin. so'n denunziantenspießer hat ihn an der flucht gehindert, 
      jetzt bauen sie die so politisch auf, sagen, das soll ne nachfolgeorganisation 
      vom 2.juni sein, ne neue terroristenorganisation und so was. 2 von uns, 
      von katapult, haben auch das dpa-büro in frankfurt mit besetzt. wir 
      haben auch selber im knast gesessen. außerdem sind ziemlich viele 
      freunde von uns im knast. wir haben früher schon, vor einem jahr, angefangen, 
      knastarbeit zu machen. jetzt begreifen wir uns hier auch noch als knastgruppe. 
      wir kümmern uns um die 3 erstmal hauptsächlich. das war für 
      uns ein ganz schöner schlag ins gesicht, n schock. unsere texte beinhalten, 
      jetzt mal ganz überspitzt gesagt...du brauchst aber den kassettenrekorder 
      nicht gleich auszustellen, das hat der 'sounds'-typ sofort gemacht (gemeint 
      ist hans keller, der kurz vor uns bei katapult gewesen ist - red!) - überspitzt 
      gesagt: zerstörung von dem system hier. 
      uli: das wird in sounds wahrscheinlich nicht stehen. 
      kat: erstmal die knäste. wir haben keinen bock auf knast. es geht nicht 
      nur darum, irgendwelche minimalforderungen oder hafterleichterungen zu diskutieren, 
      sondern auch darum, ne breite bewegung gegen den knast aufzubauen. es ist 
      vielleicht'n bißchen allgemein gesagt.  
       
      texte gegen das was uns stinkt  
       
      uli: ja. 
      kat: wir schreiben hauptsächlich texte gegen das, was uns hier 
      anstinkt. z.b. "alles scheiße" ist das erste lied, das von 
      katapult geschrieben wurde, der ist damals noch so eingegangen auf jugendarbeitslosigkeit, 
      auf bullenterror, shitrauchen und solche sachen. unterdrückung in der 
      schule, im betrieb und so. wir haben auch ein lied auf die dpa-besetzer 
      gemacht. "feuer frei" hieß das. 
       kat: 
      wir haben auch texte gemacht zu Sachen, die gerade anstehen, z.b. zum so-36 
      wo die meisten von uns hausverbot hatten, weil wir da mit bierbüchsen 
      rumgekickt haben oder sowas, oder bei der erschießung von elisabeth 
      von dyck ist spontan ein lied entstanden. 
      kat: das wir allerdings nicht mehr spielen, das ist'n spontanes lied gewesen. 
      das haben wir damals in der dachluke gespielt. das war'n gig zugunsten vom 
      antifaschistischen festival. das ist unheimlich gut angekommen bei den leuten. 
      die leute sind nicht nur auf die musik abgefahren sondern haben auch genau 
      auf den text geachtet. dann gibt es ein lied, das heißt "die 
      ratten". ein uralter text. das handelt von einem typen, der von irgendwelchen 
      bürgern zusammengeschlagen wird, von den ratten aufgenommen und gepflegt 
      wird. weil er häßlich und kaputt war ist er immer verscheißert 
      worden. von "liebe" handeln die machen nicht. im "spießerlied" 
      wird'n spießer beschrieben. das eine lied heißt "wer denunziert 
      wird.." das hat was mit der ganzen hysterie zu tun, als die frauen 
      hier aus dem knast abgehauen sind und till meyer wieder geschnappt wurde 
      usw. man sieht nen alten opa im kaufhaus ne flasche bier klauen, und das 
      ist ne aufforderung: halt, nicht gleich zu den bullen rennen. frag dich 
      warum usw. wir haben auch'n lied zum 2.juni, "lorenzsong". das 
      schildert die entführung von lorenz. das ist nicht von uns, sondern 
      'n kinderlied früher vom 2.juni selber gewesen. daraus haben wir ein 
      schnelles Stück gemacht. das ist'n sehr gutes lied, schildert die entführung, 
      um was es ging, wer lorenz ist, was sie damit erreicht haben. das kommt 
      bei den leuten immer gut an. die schwierigkeit bei unseren auftritten ist 
      meistens, daß die leute zu uns kommen und sagen, daß sie die 
      texte sehr schlecht verstehen. zum großen teil liegt das an der anlage. 
       
       
      nicht auf sich selbst abfahren  
       
      kat: die einzelnen sollen auch nicht so auf sich selbst abfahren und 
      die instrumente. wichtiger ist, gemeinsam den leuten was zu vermitteln1, 
      zu sehen, daß das auch'n effekt haben soll. 
      kat: das problem ist: wenn die leute den text nicht verstehen, fahren sie 
      nur auf die musik ab. du bringst die leute nur zum konsumieren deiner musik. 
      wenn du ne platte hörst, und der sänger singt englisch, du verstehst 
      das nicht, fährst aber unheimlich auf die musik ab. das könnte 
      ja auch z.b. 'n faschistischer text sein, das ist extrem gesagt aber erstmal'n 
      problem. wir haben uns gesagt: die texte sind erstmal wichtiger. das heißt 
      für uns: nicht mehr selbst so abfahren, instrumente leiser machen, 
      daß der gesang auch besser rauskommt. hier im "anschlag" 
      aus hamburg (nr.3 -red!) werden wir so dargestellt als raf-sound usw. das 
      ist augenscheinlich'n typ, der gar nicht durchblickt. 
      kat: vor allem wenn sie meinen, was wir zwischen den stücken sagen, 
      das wär so'n ideologisches vollgequatsche.  
       
      kein vergleich zu tss  
       
      uli: das nervt sie. die reden z.b. immer nur von "kommiepack" 
      oder so was. das scheren die wohl alles über eines kamm. aber was du 
      sagst erinnert mich so ein bißchen an die alten ton steine scherben. 
      kat: was du meinst ist rauchhaus. die scherben waren damals 'n total wichtiger 
      bestandteil. die haben anfangs sehr gute jugendzentrumsarbeit gemacht. die 
      ganze rauchhausbesetzung lief ja so ab, daß die Scherben in der tu-mensa 
      gespielt haben, danach 800 leute losgezogen sind und das rauchhaus besetzt 
      haben. das war ne starke sache. aber über die scherben kann man jetzt 
      nur noch weinen. schade drum, mit den Scherben wollen wir nicht verglichen 
      werden, es ist ne andere art von musik und auch was wir selber machen, wir 
      leben alle hier zusammen in ner kommune. wir verdienen die kohle selber. 
       
       
      netzwerk gibt keinen halt  
       
      uli: wovon lebt ihr? 
      kat: das kollektiv besteht aus mehreren sachen. einmal daß wir musik 
      machen, daß wir leder machen, klamotten, reparaturen, daß wir 
      autos reparieren usw. wir begreifen uns nicht als alternative zu irgendetwas, 
      wir sagen erstmal: wir leben so wie wir's wollen, wenn andere leute anders 
      leben ist das ok. wir haben nur was gegen bestimmte organisationen wie z.b. 
      netzwerk. wir haben ein lied zu netzwerk gemacht, das hieß "fuck 
      off netzwerk". es gab um netzwerk hier ne heftige auseinandersetzung 
      unter den kollektiven. die sind grundsätzlich gegen netzwerk. netzwerk 
      ist erstmal ne Sache, wo irgendwelche prominente und söhne von reichen 
      leuten, z.b. der sohn von willy brandt, gollwitzer und alle diese liberalen 
      typen kohle geben und wo's nen vorstand und ne mitgliederversammlung gibt, 
      die bestimmen, welches kollektiv förderungswürdig ist. das ist 
      keine organisierte Sache von den kollektiven selber, sondern die kollektive 
      sind praktisch selber nur antragsteller. wir haben's so diskutiert, daß 
      alle kollektive, die keine kohle haben, daß die sich zusammenschließen 
      und daß daraus auch sowas wie ein kleiner handel entsteht. daß 
      es z.b. maler-kollektive oder lederkollektive gibt, die sich gegenseitig 
      unterstützen. nicht irgend ne abgehobene sache, von irgendwelchen promis 
      oder professoren abhängig zu werden, um ne mark zu betteln. 
      kat: das erzeugt auch irgendwie mehr konkurrenz unter den gruppen als zusammenarbeit, 
      wenn sowas nicht von den gruppen selber kommt und natürlich wächst. 
      teilweise ist es schon so, daß man sagt: wir machen dies und das für 
      euch, dafür macht ihr uns ne hose. das werkzeug wird gemeinsam angeschafft 
      und ausgetauscht, autos werden gemeinsam benutzt und all solche Sachen, 
      transporte zusammen gemacht. netzwerk gibt diesen sachen keinen halt.  
       
      promis und leute von außerhalb  
       
      kat: du bist ne gruppe, hast akein geld, gehst zu netzwerk und läßt 
      dir 5000 mark geben, und dann machst du deine sache für dich. du bist 
      irgendein projekt innerhalb von netzwerk, das unterstützt wird. 
      uli: es ist damit noch nicht gesagt, wenn du 5000 kriegst, daß du 
      automatisch'n kollektiv für dich bist und in konkurrenz zu anderen 
      leuten trittst. so war die sache wohl auch nicht gedacht. außerdem 
      habe ich den eindruck, daß du dich zu sehr an den promis hochziehst. 
      kat: der hauptbestandteil von netzwerk, ungefähr 60 prozent, sind leute 
      die geld haben. 
      uli: dagegen ist doch erstmal nichts zu sagen. 
      kat: die haben aber auch das sagen. das sind nicht leute, die drinstecken 
      und die erfahrungen machen, sondern leute von ausserhalb. 
      kat: bei netzwerk sind 5000 mitglieder, da wird alle halbe jahr ne mitgliederversammlung 
      gemacht, aber was läuft mit den kollektiven ab? wo ist da der zusammenschluß? 
      momentan läuft das immer noch so ab, daß die meisten kollektive 
      so vor sich hinarbeiten, daß kaum connectionsbestehen. 
      kat: so was muß aber auch praktisch laufen. hier in der strasse existieren 
      noch 2 andere lederwerkstätten. jetzt hat sich das so ergeben, daß 
      die rüberkommen, daß wir zusammen mit denen einkauf machen, gemeinsam 
      mit denen arbeiten, mal hier mal drüben. wenn viele aufträge da 
      sind gibt die eine gruppe an die andere was ab usw. irgendwie muß 
      das alles so von unten aufwachsen.  
       
      aus eigener kraft  
       
      uli: könnt ihr euch mit dem was ihr hier verdient, einigermassen 
      über wasser halten? 
      kat: wir bezahlen 1360 mark miete für 700 m2, eigentlich billig. aber 
      wir sind jetzt 6 leute, und früher waren es mal doppelt so viele. mit 
      dem leder haben wir einige tausend im monat gemacht. es hat ziemlich lange 
      gedauert, bis der laden wieder lief und sich die last verteilt hat. qualifizierte 
      leute sind weggegangen. wir haben ne zeitlang nicht so sauber gearbeitet 
      wie früher. jeden tag sind leute gekommen, du hast es nicht mehr geschafft. 
      du hast nachtschichten gemacht, dich mit captagon oder was vollgeknallt 
      und die hosen und jacken hingepfuscht. das ging natürlich nicht. wir 
      hatten mietschulden, totale kohleprobleme. jetzt läuft es wieder einigermaßen. 
      das ist natürlich auch ne schwierigkeit wenn du nebenher musik machst. 
      dazu kommt repression von außen, 2 mal im monat ne bullenrazzia, kündigungen 
      usw. darüber sind dann auch texte entstanden. es war für uns wichtig, 
      nicht irgendwelche leute anzupumpen wie bei netzwerk. wir hätten da 
      hingehen konnen, denn wir waren ein bedrohtes kollektiv, das kurz vorm kaputtgehen 
      war, wir haben aus eigener kraft zusammen mit anderen kollektiven die sache 
      wieder hingekriegt. demnächst wollen wir auch mal in urlaub fahren. 
       
       
      ghetto  
       
      uli: woran liegt es, daß hier in kreuzberg so viel los ist mit 
      besetzungen, ausländer sind dabei und so. in hamburg läuft sowas 
      kaum. 
      kat: hier wird schon länger kontinuierliche arbeit gemacht, 
      knastgruppenl, mietergruppen. wir haben uns hier zusammengesetzt mit dem 
      vorderhaus, den ganzen türken usw. und alles von grundauf durchgesprochen. 
      wir machen jetzt zusammen ne mängelliste, da sind die natürlich 
      dabei. schreiben jetzt forderungen auf, und das läuft unheimlich viel, 
      ganze straßen tun sich zusammen. es gibt einige stadtteilzeitungen. 
      das sind auch nicht nur "chaoten", sondern auch ganz einfache 
      bürger, spießer, proleten, die sich aber trotzdem dahinter stellen, 
      das auch akkurat machen. es gibt'n sanierungsplan, und da sind die leute 
      auch wirklich da nutzen das soweit wie's geht und kurbeln was an. es kommen 
      viele flugblätter, broschüren raus usw. 
       
      
         
            | 
           
             PUNK GENERATION  
            Wir haben keinen Bock auf Arbeit 
              Punk Punk Punk Punk Generation 
              Wir wollen auch keine Karriere machen 
              Punk Punk Punk Punk Generation 
              Wir wollen nicht wie die Alten sein 
              Punk Punk Punk Punk Generation 
              Wir wollen auch kein trautes Beim  
            Wir hassen die Bullen und die Armee 
              Wir hassen den Staat und die Biirokratie 
              Wir wollen keine Knäste in unserm Land 
              Wir wollen alle Pigs an die Wand  
            Wir scheißen auf die Spießersachen 
              (die nächste Zeile ist für den Schlagzeuger von Rotzkotz) 
              Wir scheißen auf Fernsehn und Konsum 
              Wir scheißen auf die Ehe und den Papst 
              Wir wollen leben wie's uns passt!  
           | 
         
       
       
      kat: wir begreifen das hier auch als ghetto. kreuzberg, hauptsächlich 
      k-36, ist'n ghetto. hier leben auf engstem raum tausende von menschen. hier 
      gibt's wohnungen, sowas hast du noch nicht gesehen. klaffende löcher 
      in den böden, da rinnt das wasser von den wänden runter.  
      kat: wir waren die einzigen in haus, die noch wasser hatten. morgens 
      kamen schon die omas ausm vorderhaus und haben sich wasser geholt. 
      kat: hier wohnen unheimlich viele freaks aber auch deutsche proleten. nach 
      offiziellen angaben wohnen hier 40 prozent ausländer. in kreuzberg 
      wohnen 260.000 merschen. kreuzberg ist der 2.-kleinste bezirk von berlin 
      und hat die meisten einwohner. mit dunkelziffer bei den ausländern 
      wohnen hier vielleicht 350.000 leute, davon 60 prozent türken. die 
      deutschen sind hier mehr und mehr in neubauviertel ausgezogen. hier wohnst 
      du noch irgendwie "romantisch". du spürst wenn du am tag 
      durch die straßen läufst daß da'n ständiger kampf 
      läuft. hier fahren massig bullen patroulle, die amis fahren hier an 
      der mauer patroulle. alle 3 bis 5 minuten fährt hier'n bullenwagen 
      durch die gegend. da fühlst du dich schon irgendwie wie im ghetto. 
      ne neue form von besetzung heißt instandbesetzung. da werden wohnungen 
      und ganze häuser besetzt und von den mietern. selber instandgesetzt. 
      da werden ganze häuser nur von den mietern, von proleten übernommen. 
      hier gehen die 
      leisten leute noch in tante-emma-läden einkaufen. es läuft auck'n 
      kampf gegen supermärkte. ich möchte hier auch nicht wegziehen. 
      was willst du in so nem neubaughetto? da wohnen 1000 leute in einem haus 
      und keiner kennt sich.  
       
      gemeinsames leben auf allen ebenen  
       
      kat: die leute hier akzeptieren dich, sehen dich mehr als mensch an und 
      sehen, daß hier auch gearbeitet wird. 
      kat: die kollektive sind hier anerkannt von den bürgern. 
      uli: von denen kriegt ihr auch aufträge, nicht nur von freaks? 
      kat: überhaupt nicht, sonst könnten wir wahrscheinlich gar nicht 
      leben. es gibt hier aber auch unheimlich viele kommunen und wg's. geil sind 
      auch die vielen fabriketagen im hinterhaus. das gibt's nirgendwo sonst. 
      dadurch ist die möglichkeit geschaffen, daß auch viele leute 
      zusammen wohnen können. wir haben hier keine privaträume, schlafen 
      auch zusammen in einem raum. wir haben ne gemeinsame kasse, keiner von uns 
      hat privatgelder.wir bestreiten unser leben total gemeinsam, diskutieren 
      alles zusammen. wir sind keine wohngemeinschaft, wo das in zimmer aufgeteilt 
      ist. kommune heißt für uns: gemeinsames leben auf allen ebenen, 
      keine einzelzimmer, keine einzelkohle, keine einzelprobleme. es ist imer 
      ne gruppenfrage.  
       
      das so-36  
       
      uli: ihr habt vorhin über's so-36 gepöbelt. 
      kat: die ganze szene hier fand das toll, als endlich so'n laden aufgemacht 
      wurde mit punk usw.nicht von so kommerziellen typen. davon gingen wir aus. 
      schon am ersten tag gab's stunk. du mußtest massig eintritt bezahlen, 
      das bier war sauteuer (n halber kostet da in der gegend 1 mark 50 - red!). 
      die hatten rocker da. 'n paar leute von uns haben gleich am eröffnungstag 
      hausverbot bekommen. wir haben gemerkt: das ist nich unser laden, sondern 
      das sind leute, die damit kohle machen wollen. die punks haben dem auch 
      immer kritischer gegenübergestanden. die hatten sich hunde angeschafft, 
      damit keine leute stürmen können. wahnsinnspreise, du kannst dir 
      das nicht vorstellen. jetzt am letzten tag haben sie 40 mark eintritt genommen. 
      uli: was haben sie da geboten? 
      kat: 3 oder 4 gruppen, berliner gruppen. eine aus england. nicht frei, nicht 
      mal'n verzehrbon. die punks konnten da nicht so abtanzen wie sie wollten, 
      wenn sie mal ne bierbüchse geworfen haben, sind sie rausgeschmissen 
      oder rausgeprügelt worden. daraufhin haben wir im drugstore (selbstverw. 
      jz in schöneberg) ein konzert gegen das so-36 organisiert. da waren 
      katapult, rotzkotz und noch're gruppe aus hannover. während dem konzerts 
      gab's ne stürmung des so-36 von ner gruppe, die sich "kommando 
      gegen konsumterror" nannte. die sind da reingestürmt, haben mit 
      knüppeln den ganzen laden zusammengewichst und haben auch die kasse 
      geklaut. danach haben sie dann rocker angestellt. wir hatten bestimmte forderungen 
      an den laden: 
      1.bierpreis runtersetzen zu ner mark 
      2.eintritt nicht mehr als 5 mark wenn ne gruppe spielt 
      3.rocker weg und übergang zur selbstorganisation 
      das war natürlich ne utopische forderung, denn keiner gibt so nen laden 
      auf, wenn er geld dran verdient. da sind totale straßenschlachten 
      vorm so-36 gelaufen, aufkleber sind rausgekommen gegen's so, zeitungen haben 
      drüber geschrieben usw. mit der zeit kam da nur noch schickeria hin, 
      pseudopunks, leute, die echt kohle haben, leute aus westdeutschland, die 
      hier wie touristen durch die straßen gelatscht sind. im reisebüro 
      konntest du dir das programm vom so-36 geben lassen. die haben natürlich 
      immer wieder versucht, hier die punk-szene anzusprechen mit gruppen aus 
      england, die sonst keiner geholt hat, z.b. adam &the ants, wire und 
      so was. du bist irgendwie in konflikt geraten: gehst du hin, gehst du nicht 
      hin? wir sind nie hingegangen, obwohl wir echt bock dazu hatten. aber wir 
      haben das absolut nicht eingesehen, die hatten nachher nur noch so nen spalt, 
      du konntest nicht mal mehr stürmen. keiner, der sozialhilfe kriegt, 
      hier in kreuzberg wohnt, keine kohle hat, kann jeden tag 5 oder 10 mark 
      für ne gruppe bezahlen und dann noch 3 mark 50 für'n bier. es 
      war klar, daß dann auch keiner mehr hingegangen ist.  
       
      gegenkonzerte  
       
      uli: du meinst, das so-36 ist pleitegegangen, weil die leute gemerkt 
      haben, das ist kacke und das boykottiert haben? 
      kat: deshalb machen wir unser eigenes fest, um dem was entgegenzusetzen. 
      kat: es sind gegenkonzerte organisiert worden, wo auch ausführlich 
      über's so-36 diskutiert wurde. wir haben auch ein lied über's 
      so-36 gemacht. schließlich haben wir nen wirksamen boykott geschafft. 
      kat: der finanzielle boykott war noch das wenigste, sondern der dauernde 
      terror, der die leute da zermürbt hat. 
      kat: da ist buttersäure reingeflogen. das so-36 hat jetzt dichtgemacht. 
      die leute haben sich immer selbst bejammert. aber das kommando gegen konsumterror 
      hat was gebracht. alle leute fanden das ok, daß sie die kasse mitgenommen 
      haben. die gelder sind gruppen zugeflossen, in den knast gegangen. die haben 
      sich damit nicht bereichert. die haben auch dazu gesagt, wozu das war, die 
      meisten leute haben geschnallt was da ablief. die größte schweinerei 
      war, daß das mitten im herz von kreuzberg war. da haben die leute 
      so'n ding aufgebaut, so nen total kommerziellen laden. jeder von uns dachte 
      erst: das ist unser laden usw. aber nichts war, der volle anschiß. 
      die power und die wut, die die leute draufhatten, haben sie auch ganz klar 
      gezeigt, jetzt ist das so-36 wieder von leuten übernommen worden. da 
      soll jetzt soul laufen. die leute sollen ok sein, eintritt, bier billig. 
      wir werden mal hingehen und abschecken. räumlich ist das ding ja astrein. 
      der drugstore ist in schöneberg. wir wollen aber hauptsächlich 
      hier in kreuzberg spielen, aufm straßenfest, aufm lastwagen und so. 
      uns kommt es nicht drauf an, wieviel leute da sind, wir spielen auch vor 
      50 leuten, das macht uns nichts aus, wir erreichen, daß wir währenddessen 
      oder danach was zusammen machen.  
       
      rgr-gegeninitiative  
       
      kat: zum antifaschistischen festival am 28.sept. wollen wir auch englische 
      gruppen holen. das soll nicht nur punk und reggae sein, sondern alle musikrichtungen 
      vertreten. das antifa-festival ist auch entstanden als gegeninitiative zu 
      rock gegen rechts. solche massenaufläufe wie in frankfurt, wo für 
      ein paar tage mehrere 1000 leute kommen und danach nichts mehr läuft, 
      bringen nichts. das war ne massenveranstaltung wo leute wie udo lindenberg 
      und andere kommerzielle leute bejubelt wurden. rgr sagt: wir sind gegen 
      neofaschismus und nazis. wir sagen: es kommt nicht nur darauf an, was gegen 
      irgendwelche nazis zu machen, sondern auch ganz konkret was gegen das was 
      bei uns im staat abläuft, bullenterror, berufsverbote, todesschuß, 
      knast, vernichtung, hochsicherheitstrakt usw. das sind für uns die 
      wichtigen sachen, die wir den leuten auf unserem festival vermitteln wollen. 
      natürlich auch gegen nazis, aber wir wollen auch ne bewegung dagegen 
      schaffen, die von den leuten selbst kommt. während des antifaschistischen 
      festivals werden arbeitsgruppen gebildet, also nicht nur musik, kino usw. 
      uli: ich glaube, das ist nicht der wesentliche unterschied zu rock gegen 
      rechts. mir stinkt das auch enorm, so wie die sache da bisher aufgezogen 
      worden ist. aber es stimmt nicht, daß die sich nur spektakulär 
      an irgendwelchen nazigrüppchen da ausrichten, während du sozusagen 
      den anspruch hast: die ganze scheiße geht vom staatsapparat aus. geil 
      dich jetzt nicht nur an frankfurt hoch. das war das deutschlandtreffen der 
      npd.. 
      kat: das stimmt nicht, es sind diskussionen gelaufen mit leuten vom antifaschistischen 
      festival. wir waren nicht abgeneigt, da ne gemeinsame sache draus zu machen 
      und das auch unter dem namen rock gegen rechts laufen zu lassen. aber die 
      haben nicht das interesse. für die geht's hauptsächlich um nazis. 
      die unterstützen uns in keiner weise. im gegenteil, die lehnen uns 
      ab. das ist auch'n chaotenhaufen, daß sie jetzt hier eine Woche vor 
      unserem ding ein rgr-festival durchziehen. sie haben auch klar gesagt: punk 
      ist bei ihnen nicht. es sind leute extra nach hamburg gefahren um mit rgr 
      zu sprechen, auch wegen dem finanziellen. die wollen uns nicht unterstützen. 
      weil das bei denen auf ner ganz anderen ebene abläuft. für uns 
      ist auch wichtig, was sich nach großen veranstaltungen abspielt. schau 
      dir frankfurt an. was ist danach passiert? 
      uli: es ist wohl einiges gelaufen, nach dem was ich mitgekriegt hab, haben 
      sich z.b. im ruhrgebiet neue gruppen gebildet. allein die tatsache, daß 
      da 50.000 leute oder wieviel gewesen sind, ist doch erstmal gar nicht schlecht. 
      robert (hh): atomkraft nein danke ist nichts mehr los, jetzt machen sie 
      rock gegen rechts. 
      uli: atomkraft nein danke ist noch lebendig. da ist keine abschlaffung. 
      du wirst sehen, das wird noch gewaltig zunehmen. bei rock gegen rechts bin 
      ich ziemlich sicher, daß die früher oder später allein aus 
      musikalischen gründen schiffbruch machen werden. da laufen auch sowieso 
      nur solche freaks mit akw plakette usw. hin. 
      kat: was für gruppen sind denn bei rgr drin? kuck dir doch mal an, 
      mit welchen organisationen die zusammenarbeiten. sie lassen sich auf irgendwelche 
      dgb-ebenen ein, sprich mal hier mit proleten über seinen lohn und den 
      dgb. der wird dir was erzählen. 
       uli: 
      na ja. 
      kat: das sind alles so kleinigkeiten, die dazukommen. es ist doch 
      nicht nur wichtig, daß da 40.000 leute hinkommen, frankfurt hochgejubelt 
      wird: das war ein schlag gegen den faschismus. 
      uli: doch, war's schon, relativ. selbst der frankfurter dgb hat sich diesmal, 
      kann man ruhig sagen, ziemlich korrekt verhalten. 
      kat: wer steht denn bei rgr drunter? das ist doch wieder so'n ding wie netzwerk, 
      daß da'n paar prominente drunterstehen. darauf ziehen sie ihr ganzem 
      ding hoch. 
      uli: ich hab nichts gegen prominenz. mir hat gestunken, daß sie da 
      ne politsache hochziehen wollten und die musik der sache als mittel aufgesetzt 
      haben, um leute da hinzulocken. daß sie einen teuren aufruf nach dem 
      anderen rausgespruckt haben, listen, die immer länger wurden, wo alle 
      möglichen leute drunterstanden, um da eindruck mit zu schinden. das 
      ist mir u.a. aufn sack gegangen. mir geht nicht auf'n sack, daß es 
      irgendwelche organisationen sind, die das mit angeleiert haben. höchstens 
      wenn sich da gurus in den vordergrund drängen. das ist gar nicht die 
      frage.  
       
      keine abgekapselten politkisten  
       
      kat: wir haben gedacht, mit den hamburger leuten von rgr läßt 
      sich das noch vereinbaren. aber das lag überhaupt nicht drin. wir wollen 
      nicht irgendwelche abgekapselten politkisten, sondern andersrum hier im 
      stadtteil von unten her. wir fahren nicht auf irgendwelche promis ab. letztendlich 
      lande ich auch im knast, und so'n liberaler promis kann mich da auch nicht 
      rausholen. du lebst hier nun mal anders als in dahlem (=villenviertel) wo 
      vielleicht einer seinen namen unter rock gegen rechts stehen hat. 
      uli: ich glaub nicht, daß wir das hier aussprechen konnen. ich bin 
      mit dir nicht einverstanden. 
      kat: erkundige dich mal bei rgr in hamburg über die gespräche 
      mit dem antifaschistischen festival. ich finde das wichtig, daß ihr 
      das auch kritisch bringt in eurem blatt da. uns ist es wichtig, daß 
      da auch was übers antifaschistische festival erscheint. 
      kat: weißt du denn wie das da läuft bei rgr mit den gruppen, 
      wie das organisiert wird? bei uns sollen die leute, die da hinkommen, auch 
      von anfang an beteiligt sein. die sollen sich einmischen können, wenn 
      ihnen was nicht paßt, ihre eigenen vorschläge machen, eigene 
      ideen aus den stadtteilen gleich jetzt schon hinbringen. 
      uli: ich weiß z.b. nicht, wie die vorbereitung zu frankfurt genau 
      abgelaufen ist, weil ich nicht zu rgr gehöre und erst hinterher von 
      einigen auseinandersetzungen hinter den kulissen ...ein wesentlicher unterschied 
      zu euch ist, das sind großenteils etablierte leute, wie oktober z.b., 
      die sind jetzt sogar vollprofis geworden.  
       
       alle gruppen spielen umsonst  
       
      kat: wir machen auf unserem festival keinen profit. die gruppen spielen 
      absolut ohne geld. gruppen die aus england kommen kriegen spesen, das ist 
      klar, es haben sich alle bereit erklärt so zu spielen, weil sie die 
      sache auch gut finden, in hannover wird jetzt z.b. für den 6. oktober 
      auch so'n rock gegen rechts organisiert, da sind wir auch angesprochen worden. 
      die gruppen kriegen da 2500 bis 5000 mark (ob das richtig ist konnten wir 
      nicht nachprüfen -red!). 
      uli: die haben in hamburg gesagt, die deutschen gruppen würden so 1000 
      mark kriegen, haben sie z.b. in der markthalle. die begründung dafür, 
      daß sie so viel kohle bezahlen, war daß sie sich auch als so'ne 
      art gewerkschaft der musiker begreifen. 
      kat: bei uns gehts nicht darum, große gruppen zu holen, um nen anreißer 
      für leute zu haben. wir diskutieren mit den gruppen. wir wollen, daß 
      die da nicht nur spielen, weil da massig leute sind, die arbeiten da aktiv 
      mit, finden das gut und erklären sich auch bereit, da umsonst zu spielen, 
      das ist doch'n widerspruch: ich spiele nicht auf nem antifaschistischen 
      festival für 2000 mark. warum denn? 
      uli: natürlich kaufst du dir kein neues auto. du besprichst das hier 
      mit den leuten, und dann machst du dies und das. 
      kat: ich seh das nicht ein, warum ich gruppen 1000 mark zahlen soll. die 
      kohle kann man für andere gute Sachen verwenden. da soll niemand profit 
      machen, und ich glaube auch, daß das klappt, daß wir da kein 
      defizit machen (dürfte im nachhinein richtig sein -red). sonst müssen 
      wir eben 'n bißchen sammeln. 
      kat: ich glaube schon, in dem moment, wo solche gruppen anfangen mit ihrer 
      musik geld zu machen, ist da was faul, wir haben uns schon öfter gedanken 
      gemacht über die scherben und gruppen, die unheimlich gut drauf waren, 
      die haben was im kopf und stehen dahinter bei dem was sie sagen, was aus 
      denen geworden ist. entweder du machst die musik, weil du damit was erreichen 
      willst oder das ist nur dein job.  
       
      keine musikmaschinen  
       
      kat: es kommt immer noch darauf an, wo und wie du spielst, vor welchen 
      leuten. darum haben wir auch gesagt wir spielen nicht in der markthalle. 
      uli: aber im krawall hats euch gefallen? 
      kat: ich hatte das gefühl, daß wir ziemlich gut angekommen sind. 
      kat: scheiße war, daß wir da auch'n paar Sachen sagen 
      wollten. wir lieder zu bestimmten sachen gemacht, dpa-besetzung, lorenz-song. 
      da fingen die an: ach schon wieder politik! die wollten nur musik hören, 
      und das hassen wir. 
       uli: 
      das wirkt vielleicht auch etwas aufgesetzt, wenn du dich vorne auf die bühne 
      stellst und irgendwelche vorträge hälst. 
      kat: das sind keine vorträge, sondern das gehört mit dazu was 
      wir meinen. 
      kat: das ist auch überhaupt so'n punkt, daß man die leute 
      mal anmachen sollte, was da so die beziehungen untereinander sind. wenn 
      da jemand auf der bühne ist, daß sie den auch als menschen sehen 
      müssen, als einen von ihnen, der was zu sagen hat und daß sie 
      den nicht einfach reduzieren können auf ne musikmaschine. man muß 
      auch forderungen ans publikum stellen, sonst kriegt man eben so'n entfremdetes 
      verhältnis dazu.  
       
      wir danken! der "band-mama", olaf und reno kid, der zum schluß 
      mit locke noch dazugekommen is! -red!  
       
       
       
       
      antifaschistisches rockfestival berlin 28./29./30.9.79. selbstorganisiert 
      von den beteiligten gruppen.  
       
       sonnabend vormittag 
      trämpten wir nach berlin. weil's nicht so gut lief sind wir erst am 
      späten nachmittag angekommen. da war die hälfte des festivals 
      fast schon gelaufen. laut programm sollten freitag abend & sonnabend 
      vormittag auswurf, ratz, st 42, salinos, piit, fronttheater, dc 10, katapul, 
      vollgas, xxx, ätztussis usw. gespielt haben. wie uns berichtet wurde, 
      ist der sonnabend-vormittag open air in kreuzberg flachgefallen, warum wußte 
      keiner. das erste was wir mitgekriegt haben war sonnabend abend in der alten 
      tu-mensa. war knallvoll, hektisch, ungemütlich, vieles provisorisch. 
      im foyer und auf den treppen 1000 büchertische von allem möglichen 
      linken gruppen, die mit rock und punk sonst nichts zu tun haben aber sich 
      da einklinkten. treffender zwischenruf überm mikro später: "was 
      hier läuft ist linker kommerz!" im vorraum verteilte auch die 
      rote garde (jugendorg. der kpd/ml) eines der blindesten flugblätter, 
      was wir je gesehen haben. kostprobe:"... musik und theater können 
      dem antifaschistischen kampf dienen. aber doch wohl nicht der rock als solcher 
      oder gar der punk, dieser auswurf an musik... bestimmte teile der rockmusik, 
      vor allem der punk predigen direkt individualismus, anarchie, chaos und 
      desorganisation, eben genau das gegenteil von dem, was wir im kampf gegen 
      kapitalismus und faschismus brauchen. sich in seiner eigenen scheiße 
      suhlen (!) genauso kommen wir nicht weiter... mit punk und hardrock 
      kann man vielleicht die 'alltägliche scheiße'...loswerden aber 
      nicht den faschismus bekämpfen... punker... sind ihnen (= den kapitalisten) 
      1000 mal lieber als jugendliche, die in den gewerkschaften und jugendverbänden 
      kämpfen...wir von der roten garde machen das so. deshalb mach mit in 
      der roten garde" usw.blah blah. besonders übel daran finden wir 
      das ewige gegeneinanderausspielen von "gewerkschaftsarbeit" (brüst 
      brüst) und eigenständig organisierten sachen. 
      
         
          TAZ 16.10.79 
            zum Antifaschistischen Rockfestival am 28./29./30.9.1979 in Berlin 
             
             
            Eigentlich haben wir heute keinen Bock, diesen Artikel zu schreiben, 
            weil unsere anfängliche Wut auf euch langsam in Gleichgültigkeit 
            umschlägt, aber wir findens doch ganz schön wichtig, euch 
            mal anzumachen und was von uns und unseren Festivalerfahrungen rüberzubringen. 
             
             
            Also, wir habens gepackt, unser Festival durchzuziehen ohne Manager 
            oder leute, die den großen Durchblick haben. Durch das Chaos, 
            das abgelaufen ist - "wenn Ordnung das halbe Leben ist, dann 
            ist Chaos das ganze Leben" - haben wir Erfahrungen gemacht. Schwierigkeiten 
            wegen Kohle, Organisation und mit den Musikgruppen. Einige Gruppen 
            wollten nur so einen Auftritt durchziehen (eine der Gruppen war, Zitat: 
            "besseres gewöhnt" und zog gleich wieder ab) und auch 
            schon in der Vorbereitung hat sich gezeigt, daß die Punks sich 
            am meisten eingeklingt haben. Für uns war klar, daß wir 
            uns in Beziehung Musikrichtung keine Grenzen setzen wollten, hatten 
            aber auch keinen Bock auf Stargruppen mit englischen Texten. Für 
            uns war das Einklinken also Bock, auf dem Antifaschistischen Festival 
            zu spielen und mit vorzubereiten das wichtigste. 
             
            die demo war eine wichtige erfahrung für uns  
             
            Eine andere wichtige Erfahrung war die mit der Demo für uns. 
            Klar zu sehen war, daß viele Leute auf der Demo waren, die sonst 
            noch nie da waren, und das war schon ein geiles Gefühl für 
            uns. Für die Leute war es ein ganz schöner Hammer, dieses 
            totale Bullenaufgebot zu erleben:  
             
            Schon vor Beginn der Demo, auf dem Hinweg, demonstrative Machtschau 
            der Bullen. Leute mit Lederjacken, Nieten, Taschen, Beuteln (fast 
            die Hälfte der Leute) werden einzeln gefilzt und versucht einzuschüchtern. 
            Aber die Jugendlichen, die in Gruppen aus den UBahneingängen 
            kommen, lassen sich von noch so wild aussehenden Staatsbeschützern 
            nicht erschrecken, für die ist Bulle kein Fremdwort und sie wissen 
            aus eigener Erfahrung, was sie von ihnen zu erwarten haben.  
             
             
            Daß Knastdemos besonders gefährlich eingeschätzt werden, 
            ist uns nicht neu, aber diesmal schien man von Bullenseite Totales 
            befürchten zu müssen oder aber von vornherein auf Provo 
            zu machen: so waren alle anderthalbtauscnd Demonstranten von Beginn 
            an bis zu den Kundgebungen und Konzerten vor dem Lehrten Frauenknast 
            und vorm Moabiter U-Knast, hinten, vorne und an beiden Seiten voll 
            mit Bullen in Kampfmontur umriegelt. Daß die Demo trotz etlicher 
            gezielter Versuche der Bullen (Festnahme wegen Mitnahme eines Spazierstockes...) 
            gut bis zum Knast kam, ist schon eine irre Selbstdisziplin von Leuten 
            mit so wenig Demoerfahrung. Noch schöner wärs gewesen, wenn 
            noch ein paar mehr Typen ihren Arsch hochgekriegt hätten.  
             
            Auch wenn uns äußerlich eine Übermacht von Bullen 
            vorgeführt wurde, ganz so beschissen wars doch nicht und unser 
            feeling nicht ganz ausweglos: die Musik ist bei den Knackies gut angekommen, 
            trotz beknackter Anlage sind auch Texte rübergekommen.  
             
            Noch ein Satz zum Festifal: es gibt ein Gerücht, wir hätten 
            Saalschutz engagiert: 
            1. wir engagieren überhaupt niemanden 
            2. wie schützen uns selber. 
             
            das müßt ihr mal in eure köppe reinkriegen  
             
            Abgesehen davon, daß es gut ist, wenn das Antifaschistische 
              Festival überhaupt in der. Zeitung erwähnt wird ("Abend" 
              vom Montag danach), sind wir natürlich nicht so blöde, 
              dem "Abend" eine Diskussion abzuverlangen uns seine Behauptung 
              "Punk statt Politik" (Ergänzung zur ARD-Sendung "alternativ 
              statt politisch") zu widerlegen, wir erwarten nichts vom "Abend". 
               
               
              Klar geht es nicht darum, tausende (oder alle TAZ-Leser) vom Punk 
              zu überzeugen. Aber hier unten spielt sich inzwischen wieder 
              was ab, daß müßt ihr mal in eure Köppe reinkriegen 
              (oder rauchen die schon zuviel von euren Strategiedebatten?)  
               
              Sicher bestand der größte Teil des 3-Tage-Publikums in 
              der TU-Mensa nicht aus TAZ-Lesern, ein paar waren sicher auch dabei. 
              Den Leuten, die kamen, gings eher darum, mal wieder wohinzugeben, 
              ohne das Gefühl zu haben, von vorne bis hinten ausgelutscht 
              zu werden, es gab nichts zu bestaunen und zu begaffen, wo man entweder 
              mitmachte oder nach Hause ging.  
               
              Und wer stand vorm Knast? Es waren genau die Leute, die beim Festival 
              über die Musik und Inhalte angetörnt waren und ihr gutes 
              Gefühl umsetzten und bei der Demo zum Knast mitzumachen. 
              Erwähnenswert ist vielleicht noch, daß bei dem Antifaschistischen 
              Festival 10.000 Mark rübergekommcn sind - mit Risiko in Grenzen 
              - dafür ohne Management und Profitgier. 5000 gehen auf Beschluß 
              der Initiative (und das wurde auf vier Vorveranstaltungen in Gropiusstadt, 
              Lankwitz, Schöneberg 2x -MV und Mariendorf leider geplatzt 
              - von den Jugendlichen unterstützt) fürn Knast rüber, 
              der Rest ist für weitere Arbeit der Initiative.  
            Veranstalter des Festival 
           | 
         
       
      dieses flugblatt brachte den nl-ern ziemliche anmache. sie sind von den 
      überwiegend punks aus dem saal gedrängt worden, allerdings hatte 
      niemand was dagegen, daß sie ihren kram vor der tür weiterverteilten. 
      wir fanden das ml-schmierblatt zwar auch schlimm und konnten die punks verstehen, 
      waren aber mit der art, wie die "genossen" behandelt wurden auch 
      nicht einverstanden. später lief dann übers mikro noch eine diskussion 
      über den vorfall, die aber kein ergebnis brachte. 
      musikmäßig gings los mit den resisters aus england. matthias: 
      anfangs sehr blind, später hörbar, was sich meiner meinung nach 
      auch an entsprechenden publikumsreaktionen ablesen ließ (zuerst das 
      ganz große gähnen, nachher etwas pogo). uli: bis vielleicht auf 
      2 songs nämlich 'keep your mouth shut' & 'official secrets' fürchterlich 
      - wesentlich schlimmer als ihre platte. eindruck bei den resisters: geziert-häßliche 
      kunststudenten, ein absoluter unsicher kaugummikauender schönling, 
      ein verschüchteter sänger, ein lieber-häßlicher keyboarder, 
      eine deutsche bassistin, auf flower-power rausgeputzt, war schlichtweg d 
      o o f alle etwas älter. stießen überwiegend auf ablehnung. 
      unnatürlich, krampfig, affektiert. würden viel besser auf ne rock-gegen-rechts-veranstaltung 
      passen - wo sie auch herkommen. 
      nächste erwähnenswerte gruppe: hansaplast aus hannover. fähig 
      wie immer, kam entsprechend an. 
      danach kamen noch meniscos (kennen wir nicht) und buttocks aus hh (wohlbekannt). 
      um ein uhr sind wir ziemlich geschlaucht gegangen. 
      sonntag 14 uhr demo in moabit (nur matthias konnte hingehen). ankündigung 
      am vorherigen abend: "also leute, helm und ausrüstung sackschutz 
      usw. mitbringen. falls was läuft." es ging an der uni-mensa los, 
      meine schätzung: 2000 leute, taz: 1000. glatt halb so viel kopps, die 
      die demo beständig eingekreist hielten und sich bei bedarf leute rausgriffen, 
      reichlich zivis, wasserwerfer, video- und fototrupps. erste explosive situation 
      bei der frauenhaftanstalt. die ganze demo auf vielleicht 300 meter zusammengedrängt, 
      rundrum kops und/oder mauern, so wie eben das gefängnis, aus dem die 
      gefangenen ihr geschirr auf die bullen runterkippten. gleichzeitig spielte 
      katapult vom lastwagen aus "feuer frei auf die bullen', denen schwerer 
      böller-beschuß aus der demomasse zu schaffen machte und die daraufhin 
      reichlich aggressiv wirkten. dann weitermarsch zum turmweg (u-haft moabit). 
      dort wieder konzert für die gefangenen ("da die gefangenen nicht 
      zu uns kommen können kommen wir zu ihnen"). die kopps hatten aber 
      den knast so abgesperrt, daß für die leute drinnen angeblich 
      kaum was zu verstehen war. wenns stimmt ne schweinerei. dann offizielle 
      auflösung der demo. auf dem weg zur u-bahn stießen wir noch auf 
      eine völlig sinnlose sperre, die das vorgehen der polizei als reine 
      schikane entlarvte, da die stimmung sowieso unheimlich aggressiv war und 
      sich hinter der absperrung ein feister oberkopp mit folgendes spruch produzierte: 
      "wenn die straße nicht sofort geräumt wird, setzen wir wasser 
      ein!" rissen einige leute das pflaster auf und begannen einen steinhagel 
      auf die sperre. plötzlich kamen mannschaftwagen, und mit ner wilden 
      flucht war die sache zu ende. 
      sonntag abend wieder in der mensa. wesentlich leerer diesmal. da am ersten 
      abend kaum punk ablief, waren wohl auch schon ne menge punks aus westdeutschland 
      wieder abgehauen. 
      wir führten uns blässe, trio mit einem präpubertären 
      kleinen jungen als sänger, der auch einige chuck-berry-sachen brachte, 
      zu gemüte. much fun. zum schluß noch katapult, die auch mit ihren 
      sprüchen volle aggression abließen. am schluß ihres guten 
      auftritts kündigten sie an, erstmal nicht weiter öffentlich zu 
      spielen, da in berlin schon reichlich konsumerwartungen an sie rangetragen 
      würden und auch schon gerüchte von nem platten-vertrag (!) rumschwirrten. 
      so weit so gut. 
      so eine halbe Stunde vor mitternacht sind wir im auto zurück nach hamburg. 
      ihr habt gemerkt, daß unser artikel ein e i n d r u c k -, kein hintergrundbericht 
      ist. wir hatten aber wegen der ganzen hektik keine gelegenheit mehr, uns 
      in ruhe mit den veranstaltern über das festival zu unterhalten. nur 
      olaf (bassist von katapult) hat uns gegenüber zugegeben, daß 
      einiges doch eine "scheißorganisation" gewesen ist, das 
      merkte man allerdings. von den angekündigten gruppen dürfte wohl 
      nur der geringere teil aufgetreten sein. die tu-mensa ist als veranstaltungsort 
      ziemlich ungemütlich und dröhnig. verstärkt wurde der miese 
      sound durch eine hundsmiserable anlage und einen angemieteten professionellen 
      mischpultidioten, der überhaupt nichts abblickte. dadurch gab's z.t. 
      keine, z.t. sehr lange & nervige soundchecks vor dem publikum (bei hansaplast 
      fast ne halbe stunde). ob - wie angekündigt - arbeitsgruppen gelaufen 
      sind, können wir nicht beantworten. nervig waren die politsänger 
      und referate zwischen den auftritten ("da ist schon wieder ne schweinerei 
      mit den grauen wölfen gelaufen..." usw) bei einigen sachen war 
      daher die grenze zu typischen rock-gegen-rechts-veranstaltungen kaum noch 
      klar (mit rgr waren übrigens unterstützungsverhandlungen gelaufen 
      allerdings ergebnislos). 
      anspruch des antifa-festivals war u.a. vom konsum runterzukommen (s. kant 
      kino und so-36) und die berliner gruppen fester untereinander zusammenzukriegen. 
      wie es mit dem letzten punkt aussieht, können wir auch nicht sagen. 
      das ganze wird sich hoffentlich langsam entwickeln, in punkto konsum muß 
      man wohl anmerken, daß eben auch linker konsum konsum ist. wir glauben 
      es ist nicht damit getan, als organisator alles mögliche anzubieten 
      und dann vielleicht darauf zu hoffen, daß sich da mehr oder weniger 
      spontan schon irgendwas ergeben wird, wir können das nur negativ kritisieren, 
      wie man's tatsächlich besser macht, können wir auch nicht sagen. 
      die kreuzberger gruppen sind in ihrem politischen anspruch und in dem wie 
      sie's umsetzen, sehr sehr konsequent und bestimmt nicht bereit, kompromisse 
      einzugehen, allerdings fragen wir uns bei "feuer frei" auf die 
      bullen und ähnlichen plakativen sachen, ob das nicht doch reichlich 
      sektiererisch ist und man damit auf lange sicht im eigenen saft schmort, 
      nur seine anarchistische wut reauszuschreien bringt u.e. so viel auf dauer 
      auch nicht ein. 
      das interview mit katapult ist zwar, wie die anderen auch, nicht mehr ganz 
      aktuell, wir haben uns aber trotzdem zum abdruck entschlossen, weil sich 
      an den grundeinstellungen der leute nichts geändert haben wird. außerdem 
      sind sonst kaum erwähnenswerte sachen passiert.  
      matthias &uli/okt.79 
      (Quelle: Rockmusik. Zeitung der AG Rockmusik / 
        Hamburg - Nummer 4/Oktober 1979) 
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