In den letzten Monaten häuften sich die Proteste. "Punk-Papst
Alfred Hilsberg betreibt als Mitarbeiter von SOUNDS kostenlose Eigenwerbung
für seinen Punk-Konzern in seinen Kolumnen!" Um solche Missverständnisse
endlich auszuräumen, starten wir nun eine Serie über die Nicht-Musiker
der neuen deutschen Welle, über die "Macher" und Unternehmer,
die bekanntlich so heißen, weil sie etwas unternehmen. Im ersten
Teil befragten wir die Bosse in Hamburg und Hannover. Alfred Hilsberg
und Klaus Maeck als Vertreter des "Rip Off"-Ladens und Plattenvertriebs
sowie für das "Zickzack"-Label, und Hollow Skai für
das Hannoveraner "No Fun"-Label mit gleichnamigem Vertrieb.
Untergrund und Unternehmer (Teil 1)
Die neue deutsche Welle ist in aller Munde. Deutlichstes Kennzeichen
für den Leser dieser Zeilen: SOUNDS eröffnet eine spezielle
Kolumne, das "neueste deutschland". Aber auch andernorts horcht
man auf, reagiert man: die Debüt-LP von Hans-a-plast gibt's mittlerweile
auch über den 2001-Vertrieb und die Frage "Was tun?" wird
nicht mehr mit Lenin und schon gar nicht mehr mit Zeus in Verbindung gebracht,
sondern obligatorisch mit dem Zusatz " . ..wenn es brennt" versehen.
Aus Rousseaus "Zurück zur Natur" ist "Zurück
zum Beton" geworden.
Von Michael O.R. Kröher
Aber man redet nicht nur, klopft nicht nur Sprüche,
schreibt nicht nur Vorspänne (s.o.), sondern man handelt auch, d.h.
man unternimmt etwas. Womit wir bei den Unternehmern wären. Denn
wie wir alle wissen, ist Handeln heutzutage im Zeitalter der Spätkulturindustrie
nicht nur mit Musikmachen und Texteschreiben verbunden, es braucht Kulturindustrielle
- oder weniger geringschätzig: Mediatoren - die die kulturellen
Produkte, von mir aus auch die Waren, populär machen und unters Volk
(gemeint sind nicht zuletzt die Käufer) bringen.
Über die Nicht-Musiker unter den Aktiven der ndW haben wir mit Alfreds
Artikel "Macher, Macht, Moneten" (s. SOUNDS 11/79) schon mal
berichtet. Dieser Artikel ließ allerdings, da er zu einem sehr frühen
Zeitpunkt geschrieben wurde, noch sehr viel offen, legte aber gleichzeitig
den Grundstein für zahlreiche Mißverständnisse, Vermutungen
und Unterstellungen, denn wie sich mittlerweile rumgesprochen haben dürfte,
ist Alfred Hilsberg selbst einer der "Macher", die man nun mit
"Macht" und "Moneten" in Verbindung bringt.
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AH: Noch mit Clash-Badge
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In der Zwischenzeit hat sich die Szene wesentlich vergrößert,
verbreitert und konsolidiert, in den Zentren der ndW gibt es zahlreiche
Aktivisten, die im Jargon halb ernstgemeint "PunkPäpste"
genannt werden. Natürlich wissen wir alle, daß man sowohl mit
dem Begriff "Punk" als auch mit "Papst" und erst recht
mit der Verknüpfung der beiden extrem vorsichtig umgehen soll/muß,
doch hängt auch hier wohl ein Quentchen Wahrheit dran.
Unsere Serie über die "Punk-Päpste" ist daher weniger
tiefgehende Analyse als die Momentaufnahme innerhalb eines größeren
Prozesses just in dem Augenblick, in dem breite Kreise an der Integrität
jener "Macher" zu zweifeln beginnen, von "Punk-Mafia"
und "-Konzernen" reden. Stein des Anstoßes und Zielscheibe
der Kritik ist oft Alfred Hilsberg, weil der gleichzeitig SOUNDS-Kolumnist
und "Rip Off"-Plattenvertreiber, Journalist bei Presse und Rundfunk
und Labelinhaber von "Zickzack" ist.
Einer seiner schärfsten Kritiker ist Hollow Skai, selbst wiederum
Inhaber des "No Fun"-Labels und -Vertriebs.
"Rip Off" ist zunächst mal ein kleiner Laden an der Ecke
der Feldstraße im Hamburger Karolinenviertel. Dort gibt's Platten,
Fanzines und sonstige Punk-Literatur, aber auch (und vor allem) Badges,
Stickers, T-Shirts und was der Punk tagtäglich sonst noch so braucht.
Ein paar Häuser weiter hat Alfred das größere der beiden
Zimmer seiner Hinterhofwohnung für die Plattenkartons freigemacht
und sich ein Tastentelefon mit langem Kabel geleistet - das ist der "Rip
Off"-Plattenversand. Den Laden macht zumeist Klaus Maeck, Jahrgang
54, während sich Alfred Hilsberg, Jahrgang 47, neben seinen zahlreichen
Jobs als Freischaffender und
-schwebender um den Plattenvertrieb das "Rip Off"-eigene "Zickzack"-Label
und um die Tourneeplanung kümmert.
"No Fun" ist auch nur ein Zimmer in Hollow Skais (bürgerlich
Holger Poscich und Jahrgang 54) Vierzimmerwohnung im Hannoveraner Studentenviertel
Nordstadt, in der außer ihm noch Jens und Micha, die beiden männlichen
Mitglieder von Hans-a-plast wohnen. Dort steht wie bei "Rip Off"
eine Unmenge Plattenkartons, ein überquellender Schreibtisch, ein
Tastentelefon mit langem Kabel (unerläßliches Requisit?) und
der Spruch "Immer radikal nie konsequent" an der Wand.
Faschismusverdacht
Gemeinsam haben die drei die links-aktive Vergangenheit. Alfred über
seinen Werdegang:
Ich war Journalist, bei den "Wolfsburger Nachrichten", der "Braunschweiger
Zeitung", also Tageszeitungen. Bis vor zwölf oder dreizehn Jahren.
Ab '69 hab' ich dann Filme gemacht. Was man so nannte: "Underground".
Immer einen durchgezogen und Filme gemacht, den ganzen Tag. (Lachen) Das
war die Procol Harum-Zeit. Und meinen Lebensunterhalt hab' ich als Vorsitzender
der "Filmemacher-Kooperative" verdient. 700 Mark oder so. Ich
war damals ein fester Bestandteil des linken Lagers, seit '67/'68 dabei,
in Hannover bei der Straßenbahnblockade und so... '72 hab' ich den
"Zentral-Filmverleih" aufgebaut. Schlechte deutsche Dokumentarfilme.
(Allgemeines Lachen) Und das hab' ich erst aufgegeben, als ich
'76 von meiner Londonreise kam. Denn dann klaffte alles zu weit auseinander.
Meine unmittelbare politische Rolle, in einer Stadtteilgruppe oder in
meiner Funktion als Dozent für "Dokumentarfilme" an der
Kunsthochschule, und meine Absichten mit Punk. Das war alles nicht mehr
zu vereinbaren - Ich konnte mit niemand mehr reden. Ein totaler Bruch.
Klaus Maeck: Ich hab' in einem linken, alternativen Buchladen gearbeitet,
praktisch umsonst, denn ich hab' nebenbei gejobt, um meinen Lebensunterhalt
zu bestreiten. Diesen Buchladen hab' ich sozusagen mitgegründet und
insgesamt fünf Jahre dort gearbeitet, aber immer reichlich gejobt.
Als ich mich dann mehr für Punk und so engagierte, bin ich ausgestiegen.
Denn meine Haltung stieß dort auf reichlich Widerstand. Ich hab'
z.B. immer Punk-Platten gespielt, wenn ich Ladendienst hatte. Damals kamen
darauf ja noch so Sprüche wie "faschistisch", denn kaum
einer hatte sich damit beschäftigt. Alles wurde mehr unter dem Aspekt
des Konsums, der Modewelle gesehen.
Hollow Skai: Ich hab' studiert und bei einer Alternativ-Zeitung mitgemacht.
MK: Und was hast du studiert?
HS: Natürlich Germanistik - Und kürzlich meinen Magister über
Punk gemacht. Das war das, was ich schon immer früher machen wollte,
im Gegensatz zu der Uni-Szene. Erst über New Wave ist mir das klar
geworden. Meine Abneigung über linkes Theorie-Verhalten. Gegen den
Seminar-Marxismus. Viele gute Sprüche - aber keine Praxis. Einerseits
geht's um ein Denken in Wellen oder in Phasen, andererseits nicht mehr
um diese Fortschrittsgläubigkeit. Z.B. die Theorien von Deleuze und
Guatarri, die haben meines Erachtens ziemlich viel damit zu tun. Mit der
Zeit ist mir die Verbindung zwischen New Wave und diesen Theorien immer
mehr klar geworden.
MK: Was hast du eigentlich genau bei der alternativen Stadtzeitung gemacht?
HS: Im Grunde genommen das Gleiche wie jetzt. Artikel geschrieben, Artikel
besorgt, Werbung gemacht, verkaufen, einfach alles. Ich war damals schon
der Macher im Kollektiv. Das war ich schon immer. Ob das nun früher
in der FKK-Jugend war, ich war mal Landesvorsitzender, oder sonstwo.
Und alle drei hatten was mit dem Publikationswesen am Hut. Alfred sowieso
als journalistischer Profi und:
AH: Klaus hat damals so 'ne Zeitung gemacht, halb Anarcho, halb Freak,
halb Hippie...
KM: Aber immerhin mit den ersten Punk-Berichten!
MK: Über wen und was?
KM: Über Johnny Rotten natürlich, Patti Smith, was damals so
anlag. - Das erste Johnny Rotten-Interview! - Natürlich gefälscht!
MK: Wann ist dein Fanzine "No Fun" zum ersten Mal rausgekommen,
Holger?
HS: April '78. Das hab' ich immer ganz allein gemacht. Alleine bin ich
besser. Das Fanzine ist für mich ein persönlicher Ausdruck.
Die ersten Hefte hatten eine Auflage von 20, die ich alle an Bekannte
und Freunde verteilt habe. Die waren auch nur kopiert, nicht gedruckt.
Einmal habe ich eine Auflage von 150 gemacht, das war mir schon zu anonym.
Fanzines, die so große Auflagen haben, sind außerdem langweilig.
Denn da schreibst du für soundsoviel Idioten, die du nicht kennst.
Dann schreibst du ganz anders.
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HS: Der Ahmet Ertegun der 90er
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Auch mit den Linken gab's zu Zeiten des Starts Probleme, Konflikte,
Konfrontationen. KM : Ich hab' in dem linken Buchladen versucht, die
ersten Fanzines zu verkaufen, englische, aber auch die ersten Nummern
des "Ostrich", aber das lief überhaupt nicht, denn die
Szene, die dort vekehrte, interessierte sich überhaupt nicht dafür.
Aus diesem Versuch hat sich dann aber meine Idee eines speziellen Ladens
für Punk-Literatur und -musik gebildet.
HS: Die Leute hatten angefangen, Musik zu machen, das war sehr wichtig.
Für mich war das die Zeit, mit meinem Fanzine ernst zu machen. Denn
ich wollte dadurch mithelfen, daß die neuen Gruppen ihre Musik auch
aufführen können. Denn auf die Musik haben die meisten Leute,
vor allem die Linken, unheimlich panisch reagiert. Der alte Faschismusverdacht.
Und gegen solche Mißverständnisse wollte ich angehen. Ich wollte
all den linken Ignoranten klarmachen: das, was hier abläuft, ist
im Grunde genommen das, wovon ihr immer brabbelt. Wir machen das,
wovon ihr nur redet. Musik, diese Musik, war und ist für mich
ein Ausdruck von gelebter Politik. Und daher hab' ich auch nie verstanden,
wieso die Linken diese Musik kritisiert haben.
Diedrich Diederichsen: Irgendwann ist dann doch der "Rip Off "-Laden
entstanden. Wessen Idee war denn das?
AH: Eigentlich eine gemeinsame. Ich hab' jedoch Klaus gedrängt, den
Laden zu machen, weil ich dachte, daß das laufen könnte.
Labelpolitik
MK: Woher hattet ihr das Startkapital für den Laden?
KM: Soviel war dafür gar nicht nötig. Ich hatte vorher Taxi
gefahren, da hatte ich noch 3000 DM. Damit hab' ich den Laden aufgemacht.
Die Einrichtung und alles andere ist provisorisch gewesen, selbstgemacht.
DD: Seit wann gibt es den "Rip Off"-Vertrieb/Versand?
AH: Seit letztem Herbst, während der Laden im April '79 aufgemacht
hat.
MK: Was ist eigentlich die Geschäftsform von "Rip Off"?
KM: Einzelhandel. Ich bin der Inhaber.
AH: Ich besitze wirklich keine Anteile. Ich bin - juristisch gesehen -
überhaupt nicht mit "Rip Off" verbunden. Nur durch meine
persönliche Beziehung zu Klaus.
DD: Kriegst du denn von Klaus Gehalt?
AH: Bis jetzt hab' ich nichts gekriegt.
DD: Aber ihr müßt doch was verdienen.
KM: Bis jetzt haben wir alles wieder sofort investiert. Gerade im Versand
kommen in der letzten Zeit jeden Tag neue Platten an - und von unseren
Erträgen kann bis jetzt nur ich leben. Hauptsächlich vom Laden.
DD: Ist denn der Versand ein +/-0-Geschäft?
KM: Theoretisch machen wir auch damit etwas Gewinn, aber wir investieren
sofort wieder. Es bleibt nichts übrig.
KM: Die Konzerte usw. sind ja nur möglich durch den Umsatz, den wir
mit dem Laden, auch mit dem Versand machen.
MK: Und wann wurde das "No Fun"-Label gegründet?
HS: Mein Gewerbeschein nennt den 1.3.80. Er lautet auf den Vertrieb und
die Herstellung von Platten und sonstigen Tonträgern, also Kassetten,
Folien usw.
MK: Mit was für einem Kapital hast du angefangen?
HS: Mit keinem. Offiziell für's Finanzamt stehen 5000 Mark auf der
Liste. Aber die sind nicht da, waren nie da. Das finde ich ja besonders
interessant: was zu wagen.
Aber Spaß beiseite. In der Wirklichkeit sieht's anders aus.
MK: Bist du Alleininhaber?
HS: Offiziell ja. Aber Hans-a-plast wollen sich in Zukunft mehr darum
kümmern. Denn bis jetzt sieht's so aus, daß die geschafft von
ihrer Tournee in Urlaub fahren und ich sitze hier rum. Mache Werbung,
verschicke Kataloge, kümmere mich um Rechnungen und all den Kleinscheiß.
Ich war schon so weit, daß ich gesagt habe: wir stoßen den
Vertrieb ab! Aber die anderen haben mich dann doch noch mal eines Besseren
belehren können. Denn dann hätten wir das wichtigste Instrument
aus der Hand gegeben. Es hängt ja alles am Vertrieb.
MK: Wie wird bei "No Fun" das Geld verteilt?
HS: Bis dato leben wir von Hans-a-plast. Das ganze Geld von Hans-a-plast
steckt bei uns drin.
Und ansonsten produzieren die Gruppen selbst. Wir strecken mal was vor
oder so. Aber im Prinzip kaufen wir den Gruppen ihre fertig produzierten
Platten ab. Das heißt nicht, daß wir ihnen nicht helfen würden,
ein Preßwerk zu finden o.ä. Aber prinzipiell steigen wir erst
dann ein, wenn wir die fertige Platte einkaufen können. Wenn wir
was vorgeschossen haben, ziehen wir das dann beim Ankauf ab. Wir kaufen
die LPs praktisch für 8,- plus Mehrwertsteuer von den Gruppen. Und
wir vertreiben sie für 9,-. Diese eine Mark ist der Teil, von dem
"No Fun" lebt.
"No Fun" ist kein Label, bei dem es nach Geschmackskriterien
geht. Nicht alles muß so sein, wie ich mir das vorstelle. Das sind
die Kriterien: Die Band muß aus Hannover kommen, ich muß sie
kennen oder kennenlernen und sie müssen "irgendwie dazugehören"
Wir sind ein lokales Label.
Hamburg hat eine andere Label-Politik.
AH: Sicher interessieren uns in erster Linie Gruppen aus der Region, zu
denen wir direkten Kontakt haben, mit denen wir ins Studio gehen können.
Aber wir bringen im Prinzip von überallher die Produkte raus, die
wir für "ganz weit vorn" halten, die wir für wichtig
oder für witzig halten. Ich will mich auf jeden Fall weitgehend mit
einem Produkt identifizieren, es zumindest vertreten können.
Utopien
MK: Und von welchem Geld habt ihr das "Zickzack"-Label gegründet?
AH: Ganz ohne Geld.
DD: Aber wer zahlte die Herstellungskosten der ersten Platten?
AH: Der "Rip Off"-Laden hat das vorgestreckt. Das wird aber
sofort durch die Umsätze wieder zurückgezahlt.
DD: Und wie wird der Profit verteilt?
AH: Es gibt zwei Modelle für die Zusammenarbeit mit den Gruppen .Wenn
die Band eine Platte vorfinanziert, bekommen wir etwa fünfzig Pfennig
pro Single für die Vertriebskosten. Wenn wir die Platte selbst finanzieren,
halbieren wir die Erträge. Das macht, Studiokosten nicht gerechnet,
600 bis 700 Markt für jeden Partner. Das sind ganz andere, bessere
Bedingungen als bei der Industrie.
DD: Ist die neue deutsche Welle also eine rein idealistische Angelegenheit
für euch? Denn zumindest Alfred könnte doch als professioneller
Journalist sein Brot woanders verdienen - und dort mehr.
AH: Ist doch völlig uninteressant. Aber "idealistisch"
paßt mir als Bezeichnung auch nicht. Ich mach das aus Lust.
Die meisten Leute denken, daß ich unheimlich viel Geld verdienen
würde, daß ich die Kohle nur so scheffeln würde. Nichts
daran ist wahr. Eher das Gegenteil ist der Fall.
MK: Das Mißverständnis beruht aber vermutlich darauf, daß
man sieht, wieviele Projekte du in den letzten eineinhalb Jahren gestartet
hast. Und da liegt doch die Vermutung nahe: wenn der so viel in neue Projekte
investieren kann, dann muß doch für ihn selbst erst recht genug
übrig bleiben.
AH: Die meisten Projekte, zumindest die Sorte, mit denen ich zu tun habe,
macht man nicht mit Geld, sondern lediglich mit Ideen.
DD: Doch ist doch besonders an deiner Person ein Widerspruch festzumachen.
Denn einerseits verdient "Rip Off" mit dem Verkauf von Schallplatten
Geld, und andererseits schreibst du genau über die Platten, mit denen
"Rip Off" sein Geld verdient, egal wie wenig das auch nun sein
mag. Dein idealistischer Anspruch, die neue deutsche Musik populär
zu machen, also deine kulturpolitischen Anliegen, vermischen sich mit
ökonomischen Interessen.
MK: Das geht sogar soweit, daß du sogar in SOUNDS über dein
eigenes Label "Zickzack" schreibst, in einer Art, daß
unsere Leser häufig deine "Ironie" nicht mehr verstehen.
AH: Es steht noch viel zu wenig darüber in SOUNDS.
MK: Das steht jetzt nicht zur Debatte. Mir kommt es jetzt so vor, als
ob eben nur dein Interesse als Label-Direktor gesprochen hätte.
AH: Klar, in üblichen Kategorien schon.
MK: Aber auch du bewegst dich in üblichen Kategorien. Ist denn deine
offene Stromrechnung z.B. keine übliche Kategorie?
AH: Wenn ich für SOUNDS schreibe, dann nicht, weil ich damit meine
Stromrechnung bezahlen kann, sondern weil ich dann viele Platten verkaufen
kann.
MK: Und damit Geld verdienen!
AH: Wie wir vorhin schon klargestellt haben, verdiene ich bei "Rip
Off" kein Geld!
MK: Von mir aus, aber dein Partner Klaus Maeck! Und wenn der dank deiner
Promotion in SOUNDS genügend verdient, springt doch - wie wir vorhin
schon klargestellt haben - auch für dich was raus!
AH: Reden wir von den realen Verhältnissen und nicht von Utopien.
Bis jetzt brauchen wir alles Geld, auch den erwirtschafteten Gewinn für
Investitionen, d.h. um neue Platten einzukaufen.
Untergrundmusik
MK: Also eine richtige Unternehmerideologie. Alles für das Unternehmen!
AH: Von mir aus! Denn von alternativem Projekt zu sprechen, dürfte
angesichts der kapitalistischen Marktgesetze kaum angebracht sein. Objektiv
füllen wir mit unseren Ideen eine Marktlücke.
MK: Ganz nach frühkapitalistischem Vorbild: durch Entsagung und Askese
vom einfachen Schuster zum internationalen Schuhfabrikanten.
(Langes Schweigen)
DD: Hättest du, naja, ein schlechtes Gewissen, wenn eine eurer Platten
so viel einspielen würde, daß es davon plötzlich allen
gut ginge? Würdest du auch dann noch mal einen Artikel draufhauen?
AH: Ich hätte mit Sicherheit kein schlechtes Gewissen. Ich wüßte
ja, daß die Gruppe nur durch ihre eigenen Anstrengungen so viel
verkauft haben, ausschließlich in Eigenleistung. Ich würde
der Gruppe allerdings eins draufgeben, wenn sie mit diesem Erfolg in der
Tasche zu einem großen Konzern gingen.
MK: In meinen Augen ist es doch egal, ob eine Gruppe ihre Mordsgagen vom
unabhängigen "Zickzack"-Label Alfred Hilsbergs oder von
einem Plattenkonzern einstreichen.
AH: Ich will mit solchen Bands nicht mehr zu tun haben. Was will
eine Band, der das egal ist, bei "Zickzack"? Bei uns sollten
die Bands sich für andere Sachen einsetzen, nicht in erster Linie
für Geld. Für Dinge, die unten, an der Basis, passieren. Solche
Gruppen versuche ich bekannt zu machen, indem ich alle möglichen
Medien einsetze. Wenn ich merke, daß Ideen dahinterstecken.
DD: Der gängige Vorwurf, gegen dich wohl als auch gegen SOUNDS ist
doch folgender: Der Hilsberg schreibt in SOUNDS nicht nur wegen seiner
objektiven Sachkenntnis über die moderne (deutsche) Musik, sondern
auch, weil er dann im redaktionellen Teil der Zeitschrift Werbung für
seine Produkte machen kann, und sie so weniger rezensiert, als an den
Mann oder Käufer bringt.
AH: Aber die Platten müssen doch erkauft werden! Ich habe genauso
Lust, darüber zu schreiben, wie andere.
DD: Du hast jetzt aber dein "Zickack"-Label. Wer garantiert
denn unseren Lesern, daß in deinen Kolumnen eben die Produkte deiner
Projekte nicht mehr und besser abschneiden als z.B. deiner Mitstreiter/Konkurrenten?
AH: Natürlich schreibe ich lieber über Sachen, die meinem persönlichen
Geschmack entsprechen als über Sachen, die nicht meinem persönlichen
Geschmack entsprechen.
DD: Aber wie soll dich ein durchschnittlicher Leser psychologisch ausloten?
MK: Denn jede deiner "Zickzack"Platten soll und muß verkaufen!
AH: Du wirst lachen, ich verlange sogar noch Honorar für meine Eigenwerbung
in SOUNDS, weil die nämlich mit Arbeit verbunden ist. Und Arbeit
muß bezahlt werden. Ich frage, dich jetzt andererseits, wieso in
SOUNDS denn noch immer mindestens 50 % der Geschichten reine Promotionangelegenheiten
der Plattenfirmen sind. Heh? Wer finanziert denn eure Reisen zu den ausländischen
Künstlern? Und was ist da mit den lukrativen Anzeigen? Ich halte
dir jetzt die ganze Struktur von SOUNDS dagegen. Es gibt keinen "objektiven
Journalismus"!
Ich sage ja ganz offen: ich arbeite hier und ich arbeite da. Und ich sage
auch, daß ich das tue, weil ich die Musik gut finde. Und ich sage
auch, daß ich diese Musik, die ich gut finde, unterstütze,
egal mit welchen Mitteln.
KM: Man muß doch festhalten, daß die Musik, die wir verkaufen
und über die auch in SOUNDS geschrieben wird, Untergrundmusik ist,
im Gegensatz zu dem, was die Plattenkonzerne vertreiben.
Regionalvertreter
MK: Wenn's jetzt aber noch einen vierten und fünften, einen x-ten
"alternativen" Vertrieb gibt...
AH: Dann wird's echt schwierig. Ich rate daher allen Leuten, nicht auch
noch selbst sowas anzufangen, denn dann machen die es uns noch
schwerer.
MK: Du möchtest also gerne Mono polist werden?
AH: Nein. Es gibt ein paar Vertriebe, die nur ihre eigenen Platten vertreiben:
"Ata Tak" z.B.. Die verdienen ja alle nicht so viel. Und das
ist ja keine Konkurrenz in dem Sinn. Nur: wenn in allen möglichen
Orten der BRD überall solche Vertriebe entstehen würden, ist
es ziemlich klar, daß dem Zensor und uns ein großer Teil des
Marktes weggenommen würde.
KM: Allein durch den Verkauf von Platten könnte sich unser Laden
z.B. überhaupt nicht halten, ich könnte davon nicht leben. Die
meisten Platten verkaufen doch nur 1000 oder 2000 Stück, da bleibt
kaum was übrig.
Hollow Skai ist anderer Meinung: Ich versteh ja einerseits Alfreds
Standpunkt: "Hier steckt alles noch in den Kinderschuhen, hier muß
alles erstmal gefördert werden!" Ich bezweifle andererseits
nur, daß das, was Alfred betreibt, eine richtige Förderung
ist. Denn wenn z.B. "No Fun" nur Scheißmusik rausbringen
würde, dann geschähe es uns ganz recht, wenn wir pleite gingen,
denn dann hätten wir auch keine Funktion mehr.
Das Problem ist: wir haben eine andere Vertriebspolitik. Wir haben Regionalvertreter;
zwei in Norddeutschland, zwei in Berlin, in Frankfurt und Bremen jeweils
einen, Trikont macht für uns Süddeutschland, und für den
Westen kriegen wir jetzt auch jemand. Ist doch klar, daß wir unsere
Vertreter zuerst beliefern müssen, sonst können die ja nicht
dafür sorgen, daß wir überall in den kleinen Läden
auch ausliegen.
Auch "Punk-Päpste" haben Zukunftsvorstellungen.
HS: Ich möchte - das ist mein Traum - ein Label aufbauen, das ständig
Platten rausbringt, so daß Gruppen die Möglichkeit haben, sich
zu entwickeln. Auf die wirklichen Bewegungen in der neuen Musik kann die
Plattenindustrie überhaupt nicht reagieren, ist sie unfähig.
Wenn ich bei CBS wäre, wenn ich da A&R-Manager wäre...
MK: Möchtest du denn das?
HS: Nee, ist mir zu groß. Ich möchte ein kleines Label haben,
mit gutem Vertrieb. Ich möchte Ahmet Ertegun sein. Der hat's gut
gemacht. Der hat angefangen, als der schwarze Markt noch überhaupt
nicht wahrgenommen wurde. Der hat seine eigenen Platten gemacht und sie
verkauft.
MK: Und heute ist er Direktor von "Atlantic"!
HS: Das müssen wir mal ausklammern. Aber damals! Ich möchte
nicht Direktor von "Atlantic" werden sondern auch in dreißig
Jahren noch mein kleines Label haben und pro Jahr zehn Platten rausbringen,
die aber gut sind und viele Leute erreichen,
Irgendwann mal in ferner Zukunft werde ich auch eine eigene Platte rausbringen:
die Band wird heißen James Bond and the Secret Agent Men. Die Nummer
No Fun 007 bleibt dafür reserviert.
KM: Wir überlegen uns in Anbetracht der schwierigen Situation in
Hamburg (Hochburg des Pogo-Punk - Red.), ob der "Rip Off"-Laden
in seiner jetzigen Struktur objektiv noch sinnvoll ist.
AH: Aber solange sich etwas tut, sich etwas ändern läßt,
bin ich auch dabei. Vielleicht möchte ich in diese Arbeit noch andere
Medien - Video - einbeziehen. Aber vielleicht habe ich irgendwann eine
ganz neue Idee im Kopf.
MK: Und dann: Als Product-Manager zur EMI?
AH: Als DJ zu Radio Luxemburg. Lach nicht, das ist mir ernst.
P.S.: Obiges "Gespräch" ist eine Zusammenstellung aus
zwei verschiedenen Interviews, eins in Hamburg und eins in Hannover.
(Quelle: Sounds 9/80)
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