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       Kid P. konnte sich der Prügel, die ihm in Berlin angedroht wurde, noch rechtzeitig entziehen, um den zweiten Teil seiner deutschen Wahrheiten fertigzustellen.  | 
  
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             (Foto: LFI) 
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"There are many people in die world who really don't understand what is the great issue between die free world and die communist world. Let them come to Berlin! There are some who say that Communism is the wave of the future. Let them come to Berlin!" (sagt John F. Kennedy vor dem Schöneberger Rathaus am 26.6.1963).
Von Kid P.
Dazu höre ich Frank Sinatra und Gene Kelly singen "Berlin, 
        Berlin, a wonderful town" (wie in ihrem New-York-Kiassiker "Heut 
        gehn wir bummeln"), begleitet von schwulen, steppenden Vopo-GoGos 
        (erinnere dich an Mel Brooks' Naziballett "Springtime for Hitler.") 
        und twistenden Hausbesetzerteenies (die "West Side Story"-Masche).
        Aber keine farbigen Revueträume mehr, denn Berlin besteht heute aus 
        Rentnern, Türken und Versagern (jenen, die Kennedys Aufforderung 
        gefolgt sind). Die Ersten (und die übrigen Angehörigen des dummen 
        und frechen Volksstamms "Berliner", den Bayern des Nordens) 
        haben ihr Leben vergeudet und müssen mitansehen, wie ihr gutes altes 
        Berlin, von dem man sagt, es wäre einmal schön gewesen, die 
        Kanalisation hinuntergeht. Wäre das verlogene Gefühl "Mitleid" 
        nicht so lächerlich altmodisch, hätten sie meins. Die Zweiten 
        sind als exotische Ghettotierchen Lieblingsspielzeug an linken, liberalen 
        und anderen selbstgefälligen, dummen Spießerstammtischen (Aktuellster 
        Türkenwitz aus der BILD-Zeitung: "Wie bekämpft man das 
        Türkenproblem in Berlin? Mit Wasserballspielen! Die Türken bekommen 
        die grünen Mützen, die Krokodile die roten." Hintergrund: 
        Berlin ist Deutschlands Wasserballhochburg.). Von den Dritten handelt 
        diese Geschichte.
Ich treffe und unterhalte mich mit Musikern, die (immer) dumm und spießig sind und nichts auszusagen haben. Und mit Künstlern, die überdreht/verdreht sind und nichts Interessantes auszusagen haben. Und ich treffe sehr wenige Ausnahmen.
Sehr viele der Szene kamen aus dem Bundesgebiet, um dem Wehrdienst zu 
        entgehen, zu studieren oder im Bodensatz der alternativen Kunst/Kulturszene 
        auf den Durchbruch zu hoffen. Und alle (fast alle) können mit dem 
        Leben nicht zurechtkommen. Oder wie es PVC, die mir vorkommen wie Berlins 
        Fremdenwerber Nr.1, freundlicher ausdrücken: Sie sind Versager, weil 
        sie sich dem bürgerlichen Leben/Trott versagen. Mein Gott, und ich 
        hoffte schon, diese Aussteigerideologie wäre die Sache des letzten 
        Jahrhunderts.
        Und die wichtige Regel der Berliner Szene: Sei bloß nie unwichtig 
        und gewöhnlich. Jeder ist beschäftigt mit lebenswichtigen Sachen 
        wie Musikmachen, Filmen, Performances, Malen blablablabla. Aber rede nicht 
        von so profanen Dingen wie dem täglichen Leben, oder daß du 
        dein Geld als Lastwagenfahrer verdienen mußt. Max Goldt (Sänger 
        der mittelmäßigen Foyer des Arts, dessen Witz mich nicht trifft; 
        aber noch eine der besseren Berliner Bands) arbeitet als Matthias Ernst 
        (bürgerlich) als Reiseleiter für Stadtrundfahrten. Und ihm ist 
        das peinlich. (Kommentar: Unverständnis in der Redaktion)
Dieselben Aussagen bei der Industrie (die, die es geschafft haben, wie 
        Jim Rakete, der Spliff-Manager, der sich gern als idealistischer 
        Fotograf mit lausigen Kontoauszügen vorstellt) und in der alternativen, 
        Kunst- und Dilletantenszene (die, die es noch schaffen wollen, und nicht 
        zugeben, sich schon seit Jahren erfolglos abzustrampeln): Keiner will 
        ein Star sein und reich und jedem auf den Kopf pinkeln, sondern nur seine 
        ernsthafte, wichtigtuende, anspruchsvoll unterhaltende Aussage/Botschaft 
        vermitteln. Die alte Künstler/Amateur-Marotte, an die ohnehin (fast) 
        keiner mehr glaubt. Aber es macht sich doch immer gut, nicht wahr? Jim 
        Rakete (der, Anfang dreißig, schon gebrochen und alt aussieht) erzählt 
        mir, er kann im Gegensatz zum skrupellosen Malcolm McLaren beim Rasieren 
        noch in den Spiegel schauen. Ich bin für Malcolm McLaren! Und alle 
        erzählen mir, Malaria (Gudrun, Bettina) und Blixa Bargeld (Falschgeld) 
        seien rücksichtslos "geldgeil".
        Und Thomas Kapielski (ein 30jähriger, unauffälliger, uninteressanter, 
        ernsthafter Allround-Künstler/Schwätzer der weiten Liga) beschwert 
        sich, daß ich soviel von Geld rede (wovon denn sonst? Höchstens 
        noch: Sex). Und (fast) alle Berliner jammern, daß ich so böse 
        und gemein bin und viele Vorurteile habe und mich in Berlin so unbeliebt 
        gemacht habe.
        1977/78, in den Frühwehen neuerer deutscher Wellen, wußte keiner 
        genau, was los ist in Berlin. Und jeder meinte, es müßte was 
        ganz Tolles sein. Ach hätte man ihnen doch bloß genauer auf 
        die Finger gesehen, denn herausgekommen ist nur der normale zähflüssige 
        Breitquark deutscher Prägung, mit Berlin-üblicher (meist peinlicher) 
        Übertreibung. Aber spätestens jetzt merkt jeder, daß man 
        in Berlin völlig den Anschluß verschlafen hat und weit hinter 
        Düsseldorf und (sogar!) Hamburg liegt. Du merkst, für jemanden 
        wie Andreas Dorau müssen wir dem Himmel danken! Und für Berlin 
        bleibt der "Trost", immer noch vor Bremen, Hannover, Frankfurt 
        und Bottrop zu liegen.
GESCHICHTE
        Man kann Geschichte in Berlin riechen, erzählt mir Mark Reeder 
        und deutet auf die Weltkrieg-2-Einschußlöcher in Kreuzberger 
        Häusern. Die Deutschen waren schon immer gute Spürhunde (dazu 
        braucht man auch keinen Verstand), und die Berliner laufen schon 50 Jahre 
        dem Mythos der 20er/frühen 30er Jahre nach. Der Legende, als Berlin 
        noch kulturelle Hauptstadt der Welt war (aber ich kann nicht nachprüfen, 
        ob es wirklich so toll war!), und die Massen noch wirklich auf der Straße 
        kämpften. Erzähl mir nicht, daß man 1968 oder in der Kreuzberger 
        Hausbesetzerszene auf derselben Fährte ist/war. Diese Leute (Spinner, 
        Querschläger) sind nur dazu da, daß die Massen sich im Fernsehen 
        oder der BILD-Zeitung über sie lustig machen. Oder man liefert ihnen 
        das Stichwort: "Wir gehen duschen, in die Fabrik" singen Malaria, 
        die sich als wild/ungezähmt-eleganter Ausdruck Berliner verruchter 
        Dekadenz verkaufen. Auch wenn sie eine der besten deutschen Bands sind 
        (was heißt das schon!), mir sind sie zu steif, ernst, gekünstelt 
        und frigide. Und verhätschelt wie kleine Kinder, höre ich. Seit 
        sie im Studio 54 (NY) von Leibdienern verwöhnt wurden. Viele erzählen 
        mir mit hämischem Vergnügen, sie wären nicht die Klügsten/Intelligentesten. 
        Und sie sollen noch jung (Anfang bis Mitte zwanzig) sein. Sie langweilen 
        mich. Aber Deutsche können eh nicht mit ihrer Geschichte umgehen 
        (höchstens "einen Flash kriegen", wie Knut Schaller/PVC, 
        wenn er an der Ruine des Anhalter Bahnhofs vorbeigeht). Ihnen fehlt die 
        Distanz, der Witz und der Stil. Etwas besser kommt da schon Mark Reeder 
        zurecht, ein 24-jähriger, arbeitsloser Engländer, Factory-Vertreter 
        für Deutschland und Mitglied der Langweiler-Gruppe Die Unbekannten 
        (die nicht ernsthaft sein wollen, aber nichts besseres als den schleppenden 
        Joy-Division-Sound zustandekriegen). Mark ist eins der wenigen Berliner 
        Originale und immer für einen (Führer) Witz gut. Bei einem Auftritt 
        in der Nähe von Dachau kommt er mit Führergruß auf die 
        Bühne und sagt "Ich bin zurückgekommen". Solche Witze 
        sind nicht jedermanns Sache, und natürlich gibt es dumme Studenten, 
        die Plakate der Unbekannten runterreißen, oder Berliner Polizeistreifen, 
        die die Unbekannten mit Maschinenpistolen an der Mauer stellen, 
        wo sie im Nebel und in langen SS-Mänteln Promoaufnahmen machen. Oder 
        Mark wird von Vopos verhaftet, als er wieder mal in Ost-Berlin billigen 
        Wodka kauft, gekleidet in volle Rommel-Wüstenfuchs-Uniform. Mit anschließendem 
        Verhör, wie wir es auch aus billigen Agentenfilmen kennen. Auch wenn 
        mir einige seiner Aktionen keinen Spaß machen, hat er immerhin gemerkt 
        (wenn er auf der Bühne zitiert, wie afrikanische Neger auf ihren 
        Erlöser/Führer warten, und ihnen das Kraft gibt), daß 
        wir HELDEN brauchen.
DAVID BOWIE/IGGY
        "Weil sie unschlagbar erscheinen, werden wir Helden für einen 
        Tag. Wir sind dann wir, an diesem Tag", singt Bowle in seiner 
        übermächtigen "Heroes"-Hymne, (vielleicht) mein Lieblingsstück 
        aller Zeiten. Er bringt Iggy Pop mit nach Berlin, und mit ihren vier gigantischen 
        Platten (LOW, IDIOT, HEROES, LUST FOR LIFE) machen sie alles vorher und 
        nachher überflüssig und sagen alles über das Leben und 
        über Berlin, oder besser: über das Berlin, das sie sich wünschen, 
        aber das es nicht gibt. Bowie spielt sein altes Spiel: von ihm ist in 
        Berlin mehr zu hören als zu sehen. Wenn er mal irgendwo auftaucht 
        (wie mit Iggy zur Eröffnung des SO 36, 1979), wird er sofort bestürmt, 
        leider nicht nur von schönen Frauen, sondern auch von Punks mit tiefschürfenden 
        Fragen wie "Wie findsten Jimmy Pursey?" (bei gleicher Gelegenheit 
        verfolgt Harry Rag Iggy und preist ihm Mittagspause an). Und Bowle spielt 
        in dem Low-Camp-Klassiker "Schöner Gigolo, armer Gigolo" 
        (das Pop-Ereignis, in dem große, wichtige Themen - Berliner Nazi/Weimargeschichte 
        - mit Groteskunterhaltung verquirlt wird), der zusammen mit "Cabaret" 
        (grandiose Revue und, mit Iggy/Bowie, beste Berlin-Musik aller Zeiten, 
        trotz langweiliger High Camp-Handlung) der beste Berlin-Film überhaupt 
        ist. Mit der unvergeßlichen Szene, in der die preußische Generalswitwe 
        Kim Novak ihren Mann beerdigt und in einer Leichenhalle vorm Regen Schutz 
        sucht, wo sie von Bowie hergenommen wird. Während Bowle auch in Berlin 
        in (langweiligen) Künstlerkreisen verkehrt (von Tangerine Dream bis 
        Romy Haag), macht Iggy das, was kleine Jungen in großen Städten 
        tun: Ausgehen und sich besaufen (so sehr, daß er in einer Nacht 
        von einem Witzbold volltrunken in einer Telefonzelle eingeschlossen wurde 
        und die Polizei anrufen mußte, um sich befreien zu lassen)
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             Rotziger und leicht tölpelhafter Charme: 
              Nina Schultz 
          (Foto: Gerald Schultz)  | 
        
VERLORENE UNSCHULD
        "Sag, was mach ich bloß/meine Sehnsucht ist so groß/wie 
        das Bild von dir an meiner Wand/Ringo oder John/ja sogar ein Rolling Stone/hätt 
        mir längst ein Autogramm gesandt/Doch ich habe eingesehn/ich muß 
        andere Wege gehn/und drum singe ich für dich jetzt dieses Lied", 
        sang Marianne Rosenberg vor zehn Jahren in dem gigantischen Gefühlsdrama 
        "Mr. Paul McCartney", dem Song, mit dem Joachim Heider mit sparsam-hypnotischer 
        Instrumentierung und Monotonbeat die Neue Welle (oder zumindest Andreas 
        Dorau) vorweggenommen hat. Die zärtlichste, unschuldige Liebeserklärung 
        (an einen Star) seit Judy Garland's "Dear Mr. Gable" aus den 
        vierziger Jahren. Ein Meisterwerk der Popmusik und des erwachenden weiblichen 
        Selbstbewußtseins im Marianne RosenbergImage.
        "Gimme gimme gimme gimme gimme your love" sangen die Teens 
        1978 auf ihrer ersten klassischen Bubblegum-Mutation (Bay City Rollers 
        gegen Wall City Rockers!), zu einer Zeit, als sie noch wie Gummibärchen 
        aussahen. Und ein Jahr später waren sie in dem Alter, in dem BRAVO-Leser 
        ihre Helden brauchen und sangen Songs "aus dem Teeny-Alltag: der 
        Tag gehört der Schule, aber den Abend hat man für sich alleine, 
        und den verbringt man am schönsten verliebt zu zweit" (Werbetext).
        Marianne Rosenberg und die Teens haben angefangen mit kindlichem (nicht 
        kindischem!), stürmischen Charme und haben keine souveräne weibliche/männliche 
        Eleganz und Reife gewonnen. Die Zeit hat sie überflüssig gemacht, 
        und die Kids (Vulgärausdruck für Jugend) brauchen neue Heiden/Ideale 
        (aber nicht: Ideal!). Marianne Rosenberg ist bei Siegel/Meinunger, den 
        Totengräbern des deutschen Schlagers, gelandet.
        Und die Teens, die vergangenes Jahr als letzte Zuckung "Eloise" 
        gecovert haben (nicht ganz schlecht, aber besorg dir unbedingt das Original/die 
        Greatest Hits des genialen Pop-Kitsch-Schrei-Carusos Barry Ryan!), haben 
        jetzt keinen Sänger mehr und dafür einen dicken Tastenmann. 
        Du merkst: das muß das endgültige Ende sein.
        Neue Teenagerhelden 1982? Tempo haben es vor zwei Jahren versucht 
        (irgendwo in der Nachfolge des 60er-Berliner-Schlagerrockern Drafi Deutscher, 
        aber ohne dessen Ausstrahlung). Aber sie waren einfach zu lahm und einfallslos 
        (trotz ihres "Kalt wie Eis", ein gutes Lied), und alle Berliner 
        (die noch dümmer als Tempo waren) haben sie gehaßt. Ihr Sänger 
        Dave Balko hat sich als peinlicher Ersatz-James-Dean in zwei Filmchen 
        versucht und hat jetzt (angeblich) seine Band "Club E". Und 
        Tempo nehmen nach ihrem Schiffbruch bei der Industrie (sie waren für 
        das Geschäft mit der Neuen Welle zu früh dran) mit neuer Besetzung 
        noch einen Anlauf.
        Also Nina Schultz? Sie war das Mädchen, das in Albrecht Metzgers 
        "Hippie-trifft-auf-Berlin"-Video tanzte, in den Pausen zwischen 
        den auftretenden öden Secondhand-Kapellen. Sie hatte den rotzigen 
        und leicht tölpelhaften Charme von ländlichen Provinzschönheiten, 
        wie sie unbeholfen/locker/naiv im Supermarkt steppte und sich auf der 
        Straße dilettantisch verrenkte. So stelle ich mir DDR-Jugendkultur 
        vor, nachdem sie im Westfernsehen alte Monroefilme gesehen haben. Danach 
        erschien sie Sonntag vormittag als TV-Ansagerin im Jugendprogramm, und 
        spätestens jetzt mußt du dich fragen, ob wirklich die Gleichung 
        Blond gleich Blöd stimmt. Ich beantworte es mal so galant wie möglich: 
        ihre Antworten auf meine Fragen waren nicht die intelligentesten. Aber 
        bei der HÖRZU hält man das für ungezwungen und druckt ihr 
        Foto, und die BRAVO macht mit ihr eine Fotostory (4 Seiten lang ein Tag 
        im Leben der NS), die im Juni/Juli erscheinen soll. Nina geht zur Zeit 
        zur Artistenschule, wo sie sich auf "Schlangenmensch" spezialisieren 
        will, und wohnt mal hier, mal da, in besetzten Häusern oder bei ihren 
        geschiedenen Eltern (ihre Mutter ist bei derselben Theatergruppe wie Albrecht 
        Metzger, der "Roten Grütze" buhh!, daher Ninas TV-Kontakt). 
        Und sie will berühmt werden (oder auch nur ein kleines bißchen 
        bekannt) und singt deshalb nicht mehr bei Rubber Beat (früher: Panda, 
        oder umgekehrt), sondern läßt sich als Solostar von Michael 
        Voigt verkaufen, als Mini-Kim Wilde/Mini-Monroe. (Ein Vergleich, den ich 
        nicht zulassen kann.) Ihre Songs hat Gerrit Meijers geschrieben (der Ex-PVC- 
        und jetzige White Russia-Gitarrist): vier Hard-Rock-Nummern mit mittelmäßigen 
        Melodien und zuviel Gitarrengewichse.
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             Mark Reeder zeigt Humor (Foto: Carsten Grau) 
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DIE MAUER
        "Today in the world of freedom the proudest boast is: Ich bin 
        ein Berliner", und Tausende in Sportpalast-Stimmung jubeln 1963 
        vorm Schöneberger Rathaus John F. Kennedy zu. (Zur Erklärung: 
        Berliner sind dicke Pfannkuchen, aus denen rote Marmelade quillt, wenn 
        du raufdrückst.) John F. Kennedy war Amerikas ranghöchster Sexstrolch, 
        zumindest solange, bis Lyndon B. Johnson kam. Er hat Marilyn Monroe bestiegen 
        und war an ihrem Untergang beteiligt. In ihrer dekadenten Endphase färbte 
        sich MM die Schamhaare blond und verzichtete auf ihr Höschen, und 
        als JFK wieder unter ihrem Kleid beschäftigt war, zuckte seine Hand 
        verärgert zurück. Er vermißte ihr Höschen. Und Berlins 
        alternative Marketingmanager wollen Nina Schultz zur koketten Low-Budget-Marilyn 
        aufbauen. Wann schließt sich der Kreis?
        An der Wand von Knut Schallers Wohnung hängt ein blauer 60er-Jahre-Popteppich 
        mit den Porträts von John F. und Robert Kennedy. In den 50er Jahren 
        war Knut an seiner Volksschule der Star, weil er als erster eine Original-US-Levi's 
        Jeans hatte. In seinem Zimmer stapelt sich US-Popkultur der 50er/ 60er: 
        Spielzeugautos, Postkarten, Nackt-Frauen-Figuren. Das macht ihn mir erstmal 
        sympathisch (auch wenn er anscheinend z.B. die klassischen Corgi-Modelle, 
        das Batmobil und den 007-Aston-Martin vergessen hat). In den 60ern/ frühen 
        70ern hat er in London gelebt und später das Berliner Nachtleben 
        mit Harald Inhülsen und Wolfgang Büld (dem "Punk"-Filmer 
        aus dem Sauerland) durchstreift. Und PVC gegründet. Die absolut 
        keinen Spaß machen (verstehen?), sondern ernsten lärmigen langweilenden 
        Rock (eine Art langsame Schwermetallausgabe der UK Subs). Und sie liegen 
        richtig damit in der Heavy-Hochburg ohne Spaß Deutschland. Auch 
        wenn sie eigentlich (schon seit 4 Jahren) auswandern wollen, nach New 
        York, der einzigen Stadt, die ihnen über Berlin geht (Oh Gott, das 
        alte Klischee). Aus der ihr Schützling (?) Joy Rider kommt, von der 
        mir wirklich jeder in Berlin erzählt hat, daß sie in NY nichts 
        werden konnte. Und Jimmy Fox, PVC-Gitanist und Joy Rider-Freund, dementiert 
        und sagt, ich soll ihn lieber nicht mehr treffen, wenn ich das von Joy 
        behaupte. Es paßt auch nicht ins starke, gesunde Berlinimage, das 
        PVC erfunden haben und kernig vertreten, auch wenn Knut den "Wall 
        City Rock" nicht so tierisch ernst haben will (dazu ist es viel zu 
        lächerlich) und die Mauer am liebsten in rosa (huuuh, als schwules 
        Fanal?) hätte. Und schließlich seien sie auch unfähig, 
        irgendwas anderes zu spielen. Motörhead sind freiwillig witzig und 
        PVC immerhin manchmal unfreiwillig.
DER ANTIIMPERIALISTISCHE SCHUTZWALL
        Großzügig angelegte Bauwerke kennzeichnen das Innenstadtbild 
        der Hauptstadt der Deutschen Demokratischen Republik. Weiträumige 
        Architektur aus dem Modellbaukasten und gemächlicher Straßenverkehr 
        mit motorisierten Seifenkistenfahrzeugen der Marke "Trabant" 
        entführen in die Märchenwelt des DDR-Sandmännchens und 
        der (inzwischen ausgelaufenen) Nachmittags-Kultserien "Professor 
        Flimmrich" und "Meister Nadelöhr - Besuch im Märchenland". 
        Einzig völlig unpassende, westliche Konsulats-Limousinen stören 
        das harmonische Stadtbild. Die Menschen sind anspruchslos und bescheiden. 
        Die DDR bietet ein Bild der pittoresken Armut. Man sollte dieses unsägliche 
        Berlin-Problem in der passenden und geschmackvollen Art und Weise erledigen, 
        die uns Tommi Stumpf/KFC empfiehlt: "West-Berlin samt Punks, Fixer, 
        Türken, Sex Shops, Ideal, Hausbesetzer, Hunde, Dreck, Rentner, Künstler 
        und ähnliche Berliner an die DDR verschenken! Die einzige Möglichkeit, 
        dieses Pack loszuwerden!"
        P.S. White Russia ist nicht etwa der Vertreter der (glücklicherweise) 
        spärlichen Ost-Berliner Punkszene, sondern natürlich eine weitere, 
        höchst überflüssige Psychedelik (?)-Hard-Rockgruppe (Prolo-Band, 
        wie mir gesagt wird), aus ehemaligen PVC- und FfursBestandteilen. Wirkliche 
        Russen haben mehr Spaß! Den richtigen Best gab Chrutschow an, als 
        er in der UNO mit dem Schuh auf den Tisch schlug!
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             Blixa Bargeld/Einstürzende Neubauten 
          (Foto: Hemme/h&h)  | 
        
DILLETANTEN
        Eine weitere unnötige Erfindung, um dummen Plattenkäufern und 
        Medientrotteln eine jahrhundertalte Sache schmackhaft zu machen. Das "Geniale-Dilletanten"-Buch 
        (im Merve-Verlag) hatte den Sinn, den Intellektuellen zu geben, was sie 
        wollen: Erfinde im nachhinein die passende Ideologie und mach dich über 
        sie lustig! Aber es war nicht lustig, und der Spaß spielt sich beim 
        Hirnwichsen der Macher ("Dilletanten") ab. Um über den 
        ganzen abgehobenen Humor von Blixa/Neubauten bis Tödliche 
        Doris lachen zu können, muß man wohl so eine zerbrochene 
        Figur wie Alfred Hilsberg ("Berlinhörig" sagt DD) sein, 
        der jeden einzelnen der ganzen Szene als intelligenter einschätzt 
        als mich (eine Feststellung, auf die er Wert legt). Und andere Doris-Fans 
        sind der bekannte Hamburger Kulturkritiker und Richter Dietrich Kuhlbrodt 
        und der DDR-Dramatiker Heiner Müller. Und Doris-Geräusche werden 
        in einer Wiener Disco gespielt. Genug Alarm! Finger weg!
        Beim Telefongespräch mit Wolfgang Müller (dem Macher hinter 
        Tödliche Doris) machte er einen etwas weniger schlimmen Eindruck 
        als befürchtet Was wohl daran liegt, daß er kein Abitur hat, 
        sondern nach dreimaligem Sitzenbleiben nur eine Art Hilfs-Mittlere Reife 
        (mit drei Fünfen). Er hält Hamburg für asexuell, und in 
        Berlin "wird viel geflckt" (Volksmund: Dumm fickt gut). Und 
        ergänzt: "Ficken ist eigentlich langweilig", (Alfred Hilsberg 
        mischt sich ein: "Stimmt!"); wenn man keinen guten (aufregenden) 
        Partner hat. Ihn interessiert, wen ich für gut halte. Antwort: Debbie 
        Harry (genauer: Debbie 1977 und 1979).
        Frieder Butzmann (28) legt Wert darauf, kein Dilettant zu sein. 
        Als 5-jähriger hatte er die zwei folgenden traumatischen Erlebnisse: 
        er mußte mitansehen und -hören, wie sein Vater (Kunstschmied 
        aus Konstanz) im Prä-Neubau-Stil Hammerschläge auf Tonband aufnahm, 
        was unweigerlich dazu führte, daß Frieder mit seinem Metallschwert 
        (und der Kraft eines 15-jährigen) die Nachbarskinder mit ihren Holzschwertern 
        verprügelte. Die logische Konsequenz: mit 8 baute er sein erstes 
        elektronisches Instrument, und mit 12 saß er als psychedelischer 
        Prä-Hippie im buntbemalten Kinderzimmer. Nach der Ausmusterung wegen 
        Übergewicht und dem schadenfrohen Grinsen der Prüfungskommission, 
        er verpasse nun bei der Bundeswehr die beste Gulaschsuppe der Welt, geht 
        er als Student nach Berlin, wo er bittend auf Anrufe (Tel. 324 12 66) 
        sexhungriger Mädchen unter 48 Kilo wartet. Aber: Spiele ihnen nicht 
        deine Produkte vor, wenn ihr zusammen Spaß haben wollt! (Mehr Abnormitäten 
        bei Frieders Kumpane, dem Urberliner, verrückten, trinkenden Sexzwerg 
        Burkhard Seiler, dem Zensor).
        Mutfak, 19-jähriger gescheiterter Germanistikstudent (im ersten 
        Semester), leidet auch am übermäßigen Alkoholgenuß 
        und hat deshalb überall Hausverbot. Er war nirgendwo aufzutreiben, 
        und ich kann nicht beurteilen, ob er das witzige Original ist, von dem 
        alle erzählen (ich bezweifle das). In seinem Fanzine "Y-KLRMPFNST" 
        wird er immer dann peinlich, wenn er über Gott und die Welt doziert 
        (seine letzte Ausgabe ist voll davon!). Und witzig, wenn er zum Beispiel 
        Interviews mit sich selbst führt. Mit der Krachband "Hans und 
        Gabi" tritt er als Vorgruppe der UK Subs auf, und BRAVO schreibt 
        (im Dezember 1980): "Volle Flaschen zerschellten an der Wand hinter 
        der Buhne, Hans und Gabi spielten unverdrossen weiter, obwohl Sänger 
        Mutfak bereits aus einer Schramme am Kopf blutete. Erst eine Invasion 
        von etwa 30 wild um sich prügelnden Punks brachte die sechs Helden 
        zum Schweigen." Jetzt durchstreift er die Stadt mit anderen "Vollstarken", 
        der neuesten, besonders fiesen und gemeinen, von ihm miterfundenen Straßengang 
        mit ihrem neuen Gesellschaftstanz "Haufen" (ich mag keinen Gruppensex!).
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             Frieder Butzmann und Thomas Kiesel 
          (Foto: Sabine Schwabroh)  | 
        
PUNKS
        Jimmy Fox/PVC erzählt mir von einer neuen, ganz harten, gnadenlosen 
        Kreuzberger Punkszene, die das nächste wichtigere Ding werden kann. 
        Kann Punk noch wichtig sein? Interessiert mich das? Karl Walterbach bringt 
        auf "Aggressive Rock-Produktion" die wichtigsten deutschen Punkbands 
        heraus (Slime, Betoncombo usw.) Das Schlagwort von den neuen Hippies langweilt 
        mich, und noch schlimmer ist, daß es zutrifft.
PEOPLE'S RECORDS
        1980 gründen Michael Voigt und Elisabeth Recker mit 
        Heirat (10000-DM Ehestandsdarlehen) das Monogam-Label. Elisabeth posiert 
        nackt für das Cover der ersten Single, Rainy Day Women. Michael Voigt 
        ist seine Mitwirkung daran heute peinlich. Denn er legt Wert darauf, der 
        einzige in der Szene zu sein, der kein Musikfan ist. Er will ein Produkt 
        gut verkaufen und wäre lieber Grundstücksmakler, wenn er das 
        könnte. Und er ist der Geldhai, der alle hereinlegt (die dumm genug 
        sind, wie er betont). Eine gute und gesunde Einstellung in verkleinerter 
        Jack-White-Tradition, jenem smarten und cleveren Musikproduzenten, 
        der durch hochkarätige Scheiße (Schöne Maid, Jürgen 
        Marcus usw) reich geworden ist. Laß die Trottel dieser Erde sich 
        daran abreagieren, damit sie woanders keinen Schaden mehr anrichten. Sie 
        werden dir dankbar sein! Aber noch ist dieser Anspruch für Michael 
        "Nase" Voigt ebenso etwas unpassend wie sein C&A-Mini-Manager-Outfit. 
        Mit seiner People's Records-Firma (und seinem Mitarbeiter Michael Schäumer, 
        dem Ex-P-1/e-Synthispieler mit Ex-Phil-Oakey-Frisur, von dem man sagt, 
        er müsse als Straßenfeger dazuverdienen) kümmert er sich 
        vorwiegend um die zweite und dritte Liga. Er wird die nächste Lydia 
        Lunch-Platte produzieren, die im Sommer für drei Monate nach Berlin 
        zieht und Alfred Hilsbergs Berliner Wohnung gemietet hat. Sein nächstes, 
        größeres (noch namenloses) Projekt ist eine LP mit vier Sängerinnen, 
        die weibliches Selbstbewußtsein auf Liebesliedern zu melodischer 
        Swingmusik verkörpern sollen und belehrende Nihilistenpolitik des 
        Russen Netschajew (um 1850) rezitieren, zum Lärm/Powersound der frühen 
        Chrome/Ubu. Die Sängerinnen sind bisher: Daniela (früher bei 
        Hans & Gabi, 18-jährige Ballettänzerin und kommende Modedesignerin. 
        Mode in Berlin: keine, und wenn, dann regiert der Bolschewik-Chic, den 
        du dir im englischen Mode-Hipblatt "Face" ansehen kannst), Minou 
        My-Ling (36) aus Bali, Ex-Tourmanagerin von Birthday Party, AuPairs und 
        Gang of Four, und Freundin von Andy Gill (Gang of 4); und 
        *** (1), die mir Voigt als wunderschön 
        und liebreizend beschrieb. Und sie selbst empfiehlt mir zu schreiben: 
        "Meine, süße Französin", ihre einzigen deutschen 
        Worte; ihre Standardantworten hießen "I don't care" und 
        "I'm like a flower". Meine Meinung: 98% Pose, 2% Cleverness, 
        0% Erotik.
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             Sprung aus den Wolken (Foto: Ute Kemphake) 
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DER REST
        Die Goldenen Vampire könnten laut Frieder Butzmann die gleiche Wirkung 
        wie früher Mittagspause haben. Ihr abgewandelter 60er-Garagenbeat/Rockabilly 
        ist konventionell und langweilt mich (sie erzählen von modernen Einlagen, 
        die ich auf ihrer Livecassette nicht höre), aber sie sind immerhin 
        nicht unerträglich peinlich. Und wer den Ralph Bendix-Hit "Hotel 
        zur Einsamkeit" spielt und Flutsch-Finger, das neue pornographische 
        Eis von Langnese (der Ed von Schleck-Nachfolger), mag, kann nicht ganz 
        schlecht sein. Und dem Sänger verzeihe ich fast noch seine Thorax 
        Wach-Vergangenheit (diese Öd-Gruppe aus Göttingen) für 
        das Verdienst der Band, die Pension Stammheim (dieser Name und dann aus 
        Bonn!) mit Knüppeln in die Flucht geschlagen zu haben. Für die 
        Aufforderung an den Vampire-Gitarristen, sich erstmal das Peter Bursch-Gitarrenbuch 
        zu kaufen, gehören sie auf ewig in den Hochsicherheitstrakt!
        Die Goldenen Vampire werden demnächst mit Panther Bums (passend, 
        weil ähnlich langweilend) und danach mit Lydia Lunch und Birthday 
        Party (unpassend, weil anders langweilend) auf Tour gehen und beim Zensor 
        eine Single' machen.
        Der Rest ist verbrannte Erde. Alle stehen sie in der Hölle der ganz 
        trostlosen/unangenehmen Fälle: Die Ichs (hohler Dilletanten-Lärm), 
        Geile Tiere (hohler Schwulenlärm), MDK (hohler Hard-Rock 
        und peinlich aufgesetze Magma-Klischees), Sprung aus den Wolken 
        (hohle Hippie-Geräusche), das ganze Cassetten-Combinat (mit 
        hohler, alter Hippie-UndergroundKunst-Attitüde), Leben und Arbeiten 
        (mit hohlem, lärmigen, leidenden Monoton-Beat und ausrasiertem Nacken, 
        die von diesem ganzen Haufen noch den besten Eindruck machen, am wenigsten 
        alt und verstaubt sind. Auf ihrer Maxisingle haben sie ein langsames, 
        erträgliches Akkordeonstück). Und der ganze Bodensatz der alten. 
        und jämmerlichen Bands wie Interzone, Belami, UKW, Prima Klima, 
        Neonbabies, Scala 3, Lilli Berlin, 1.Futurologischer Congress, Ideal 
        und Spliff sind die erfolgreichsten. Ich weiß: Es gibt den 
        häßlichen Deutschen immer noch.
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             Goldene Vampire 
          (Foto: M. Gerstenberger/Malbuch)  | 
        
DER ROCKBEAUFTRAGTE
        Regierungsdirektor Bernd Mehlitz, (42) ist der begehrteste Mann 
        in der Szene, schreibt die BRAVO. Er ist die letzte Hoffnung überflüssiger 
        Musiker, doch noch zum Durchbruch zukommen. Und er ist die letzte Hoffnung 
        überflüssiger Bürokraten (des Senats), denen die Jugend 
        (wer immer das ist) schon längst aus den Händen geglitten ist. 
        (Gegen Mißverständnisse: Politiker sind Manager, die ihren 
        Job schlecht erledigen - von diesem grauenvollen Politik-Verständnis 
        müssen wir uns natürlich distanzieren - Red.) Politiker kriegen 
        es immer als Letzte mit, und 1980 hängt sich der Senat mit seinem 
        Rockwettbewerb an den Zug. 166 Bands beteiligen sich (1981: 225 Bands), 
        und zu den Gewinnern gehört Perplex, die Gruppe von Lutz 
        Manthe, dem freien Senatsmitarbeiter und Jurymitglied. Was selbst 
        dem Kulturdezernat zu peinlich ist, das Manthe stillschweigend entfernt. 
        1981 hat sich der Neue-Deutsche-Welle-Trend auch schon bis zur Berliner 
        Jury herumgesprochen (bestehend aus dem alternativen Abschaum der Hippie-Musiker-Rockjournaille), 
        und der Manthe-Nachfolger Bernd Mehlitz (ein gutmütiger, bärtiger, 
        treuseliger Amateurjazzer) beklagt, daß originelle Gruppen wie Foyer 
        des Arts keine Chance gehabt hätten. Das grauenhafte Ergebnis (die 
        Siegerbands) war im dritten TV-Programm zu sehen. Die Fernsehwerbung (und 
        nicht die lächerliche, vom Senat bezahlte Single) ist der Anreiz 
        für die Beteiligung an der Rock-Tombola. Alle sind glücklich 
        und zufrieden, und der Senat hat für 1982 einen 2,2 Millionen-Etat 
        bewilligt. Bands aus der BRD möchten auch gern in der Berliner Finanzsonne 
        liegen, und andere Stadtregierungen werden das Modell vielleicht übernehmen. 
        Der Senat hat das Plattenstudio Wilmersdorf eingerichtet (für 150 
        000 Mark, 16-Spur), wo Bands ohne Plattenvertrag für ca. 250 DM vier 
        bis fünf Tage aufnehmen können. Das Quartier Latin wird vor 
        der Pleite gerettet und soll jetzt mehr Berlin-Bands spielen lassen. Gruppen 
        bekommen Ausfallbürgschaften für Tourneen und Hilfe beim Besorgen 
        von Übungsräumen. Erzählt mir Bernd Mehlitz in seinem Büro 
        im 17. Stock des Europacenters, mit Blick auf die Gedächtniskirche. 
        Er ist der Mann, dem besorgte Mütter gerne ihre rockenden Söhne 
        anvertrauen.
AUSGEHEN
        Du kannst in Berlin 24 Stunden unterwegs sein und dich 24 Stunden dabei 
        langweilen. Auftritte in der Music Hall (Rheinstraße 45) 
        und im SO 36 (Oranienstraße), zu denen die Szene geht (300 
        bis 500 Leute, ergänzt durch den üblichen Schwall alter und 
        neuer Hippies). Die Szene (zumindest was Alfred Hilsberg darunter versteht, 
        also Dilletanten, Punkies, Auswurf) trifft sich ab Mitternacht im Risiko 
        (Yorkstraße). Der Rest und alle, die dazu gehören wollen, (also 
        die neue Boheme, die der Spiegel in seiner Titelgeschichte drei Jahre 
        zu spät breitwalzt), kommen ab 2 Uhr in den Dschungel (Nürnberger 
        Straße 54, ohne Namensschild), einer halbwegs gut gestylten, taghellen 
        (man will gesehen werden), ehemaligen Eisdiele, Künstler und Schimmel-Schickeria 
        gehen auch ins Nacht-Cafe Exil (Paul Lincke-Ufer), eine unfreundlich-muffige 
        Wien-Bayerischer Wald-Mutation. Völlig "out" ist das Cafe 
        Central (Nollendorfplatz), in dem einst der SO 36-Gründer Kippenberger 
        (der bekannte, umstrittene Berliner/Hamburger Künstler und Selbstdarsteller, 
        den DD unbedingt verteidigt. Und den du vergessen kannst, meine ich) von 
        Punks wegen seiner SO-Preispolitik k.o.-geschlagen wurde (es gibt tatsächlich 
        noch Leute, die dümmer und überflüssiger als Künstler 
        sind). Ab 4 Uhr kann man sich in der Schmuddelbar Mink (Paulsborner 
        Str./am Adenauerplatz) sehen lassen, dem neuen Hip-Treffpunkt mit Gesichtskontrolle, 
        wo du vielleicht auch mal Stripteasetänzerinnen siehst, die morgens 
        um 7 Uhr von der Arbeit kommen. Frühstück gibt es in den zahllosen 
        Studenten- und Künstler-Cafes. Am angesagtesten ist das Cafe M(itropa) 
        in der Goltzstrasse, mit abgerissenem Publikum und den üblich hohen 
        Preisen. Danach geht man schlafen oder nachmittags/abends ins Künstler 
        Wien-Café Einstein (Kurfürstenstraße). Ich schlafe 
        aber lieber nachts/morgens und gehe essen zum Burger King (in Berlin 
        gibt es fast kein McDonald's). Es wäre natürlich mehr "hip", 
        nach Ost-Berlin zu fahren (auch wenn das Essen dort noch unter Sauerkaut-Format 
        ist), aber dafür mußt du gern in Schlangen warten, die es dort 
        in jedem Imbiß gibt. Und der absolute Kult-Tip: nachts durch Ost-Berliner 
        Agentenbars zu streifen und den Chefideologen aus Berlin-Adlershof Karl-Eduard 
        von Schnitzler zu treffen (aus meiner Lieblings-DDR-Show "Der schwarze 
        Kanal").
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             Das SO 36 vor 3 Jahren (Foto: G. Wellhausen) 
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FUSSBALL
        "Wir fahren doch lieber in den Süden hinunter als in den verdammten 
        Westen hinein" beruhigt Tasso Wild (Hertha BSC) im legendären 
        Bundesligaskandal-Telefongespräch den Offenbacher Präsidenten 
        und Südfrüchtegroßhändler Horst Gregorio Canellas. 
        Beim SO-36-Eröffnungsfestival bezeichnen die rheinischen Bands (die 
        Fußballfans sind und von den Berlinern für Künstler gehalten 
        werden) die Berliner Bands (die Fußball nicht leiden können 
        und sich für basisnahe Losgehbands halten) als "Led Zeppelin". 
        Die Hertha-Frösche (Deutschlands dümmster Fußball-Abschaum) 
        schlagen sich mit Berliner Punks (Deutschlands sehr dummen Punks). Und 
        Berlins Fußballmannschaften sind das einleuchtendste Beispiel für 
        das kollektive Versagen in der Frontstadt. Angefangen von Hertha BSC, 
        denen 1965 wegen unprofessioneller Dummheit und Tolpatschigkeit die Lizenz 
        entzogen wurde (1971 mußten sie beim Bundesligaskandal noch einmal 
        feststellen, daß man sich bei Dummheiten nicht erwischen lassen 
        darf), über Tasmania 1900 (Herthas Ersatz in der Bundesligasaison 
        65/66, mit dem schlechtesten Abschneiden aller Zeiten: 8-60 Punkte, 15-108 
        Tore) bis zu Tennis Borussia, deren Abstieg 1975 auch von diesem Triumvirat 
        nicht verhindert werden konnte: dem alten, ausgebrannten Italien-Heimkehrer 
        Karl-Heinz Schnellinger, dem Mäzen und ehemaligen Fußballprofi 
        Jack White (bürgerlich: Horst Nussbaum aus Pirmasens, der für 
        ein Punktspiel noch einmal als Vorstopper auflief) und dem Trainer Georg 
        "Schorsch" Gawliczek. Schließt sich der Kreis, wenn dieses 
        Jahr die drei Bundesligaskandal-Mannschaften Schalke, Kickers Offenbach 
        und Hertha (mit Trainer Gawliczek!) in die erste Liga aufsteigen?
SEX
        In Berlin wird "viel gefickt" (sagt Tödliche Doris). Das 
        alte Boheme/Lebemann/Lebefrau-Klischee. Malaria machen jetzt Jagd 
        auf Stars (und deshalb hat DD keine Chance mehr, auch wenn er sich extra 
        auf die Pariser Gästeliste für das Malaria-Konzert setzen ließ). 
        Aber keine ordinären Pop-Stars wie Adrian Wright, der sie (damals 
        noch Mania D) Weihnachten 1980 in geistiger Umnachtung in Berlin besuchen 
        wollte (er hatte sie als Vorgruppe der Human League kennengelernt). Und 
        Mania D (Gudrun, Bettina) waren davon garnicht begeistert! Glauben sie 
        etwa, dass New Order die richtige Mischung aus Berühmtheit und intellektueller 
        Bedeutungsschwere haben?
        "Wir leben das Leben, wie es ist! Wir sind keine Muff-Moralin-Prediger, 
        sondern wir sind offene Renaissance-Menschen und wollen das auch in der 
        öffentlichen Meinung zum Ausdruck bringen." (Joseph Goebbels 
        1934 in Berlin).
      
(Quelle: Sounds 6/82)
        (1) Name auf Wunsch entfernt (15-11-05)
Kid P.!
        1. In deiner Berlin-Story hast du mich vergessen.
        2. Es ist zu heiß in B.
        3. Wo blieb die Aufstellung der Drogen/Verbraucher?
        4. Ich nehme z. Z. exzessiv Heroin, obwohl momentan die größte 
        Grütze angeboten wird. B. ist dermaßen langweilig und banal, 
        es bleibt einem nichts anderes übrig.
        5. Ich empfehle, sich an Musikalischem nur AFN-Disco (Do. 21.00) reinzuziehen. 
        Tapen!
        6. Begattung etc. ist bei mir mangels interessanter, aufregender Masse 
        eingestellt. Keine Erotik.
        7. Kein Unterschied zwischen Touristen und einheimischen Kleiderständern.
        8. Malaria sind lächerlich, "Alu" ist die einzige überzeugende 
        Gruppe weit und breit. Unterbewertet.
        9. Mich findet man ab und zu im Dschungel, aber nur wegen Reizunterflutung, 
        und weil ich in eine Bedienung verliebt bin. Es wird spät. - 
Sebastìan Solànge, Berlin
KID P. DU BIST EIN ARROGANTER WIXER!!!
        wir ham alle dein "bärlin-bericht" gelesen, und sind zu 
        der auffassung gelangt, dasdu nen ganz großen idiot bist!!! welches 
        recht haste eigendlich hier anzukommen, wie nen befickter tourist und 
        dann hier de janze scene anzumachen, zu verscheißern und an allem 
        rumzumotzen, ohne die geringste ahnung von allem hier zu haben?!?! HÄÄ!!! 
        du bist ne ganz olle marmelade! wat währt ihr fotzen inwessiland 
        den schon ohne bärlin??? aber hier angeschissen kommen und alles 
        mieß machen, ihr wixa, det könnt ihr alle prima! denn wie singt 
        KFC-tommy so richtig: "wir sind gefangen in der brd!" na demnächst 
        "berichteste ja aus münchen, hoffendlich reißen de holzhackerbuam 
        dier ordendlich den arsch uff, wenn de da och sone kacke wie über 
        bärlin schreibst.
        So, und nu wär icke mal einiges klar stellen: an PVCsülzste 
        rum, hör mal, die warn immerhin de erste deutsche punkband, allerdings 
        schon zu ner zeit alls ihr ihn euren wessi-nestern noch uff damned und 
        clash abgefahn seit! versuch du sack erstmal gittarre spielen wie der 
        knut schaller! am MUTFAK rummecken, obwohl du ihn nicht mal gesehn, bzw. 
        gesprochen hast, ist ja nun reichlich bescheuert von dir. aber f. butzmann 
        die fotze aus'm zensor diesem scheißladen, über den berichteste, 
        typisch!
        und WHITE RUSSIA solln also ne prolo-krach-band sein, so so, na ick hab 
        se neulich erst wieder im remporom gesehn (mit nacktem sänger und 
        so gags) ob nu prolo-band, oder nicht, die sind immer noch voll welt!! 
        und zu doris und blixa bargeld, die sind immer noch besser als eure krupps, 
        der plan oder 'nachdenkliche wehrpfliche' oder son scheiß!!!
        zu deinen "ausgehtips", sagmal, ins STONZ haste dich wohl nicht 
        getraut wa? na ist och besser so für dich, sonst hätten die 
        hardcorepunx, die da rumhängen schon dafür gesorgt das de mit 
        ner eingetretennen fresse aus bärlin verschwindest!!! ick halte dich 
        nämlich für sone art POPPER!!! UND NUN ZUM THEMA: PANK! DER 
        DICH JA 'NICH INTERESSIERT'! DU ARSCH!!! ICK SCHRIEB IN MEINEM LETZTEN 
        BRIEF AN EUCH "PUNK IST TOD" - NEEE! ICKE NEM'S ZURÜCK 
        - ER LEBT!!! JEDENFALLS HIER BEI UNS!!! TJA JA! TOTGESAGTE LEBEN LÄNGER!!! 
        IN ENGLAND ABER OCH! HORT EUCH MAL DIE JANZEN NEUEN PANKBANDS AN! NICHT 
        BLOS EXPLOITED!!! VOLL WELT!!! BRINGT DOCH IN DE NÄCHSTE SOUNDS NENPOSTER 
        VON KIT PEEE! DET HÄNG WA UNS UFFS KACKHAUS! DAMIT UNS DIE SCHEISSE 
        IM HALS STECKEN BLEIBT!!! UND DIE ADRESSE VON DEM LÜMMEL! DAMIT WA 
        DEM MAL UFF DE BUDE RÜCKEN KÖNNEN!!! IM ÜBRIGEN WO BLEIBT 
        N EIGENDLICH DER VERSPROCHENNE BERICHT ÜBER CRASS???! HÄÄÄ!!!
CAPTAIN VICIOUS
        KREATUR
        SID VIOLENCE
        CAPTAIN SENSIBLE
        (nee nich der von damned)
        UND JENNY'S RATTE!
        K-3 6 / BÄRLIN!
        KIT PEEE FUCK OFF!!!
(Leserbriefe Sounds 7/82)
Lieber Kid P. Ich danke dir für deinen fabelhaften Berlin-Report. Anerkennung! Das Interesse an uns ist sprunghaft angestiegen. Das Unfertige, Hohle ist ja derzeit gefragter denn je, dein Artikel ist das beste Beispiel. Und weißt du, was das Tollste ist: Wir reden wieder miteinander. Ist es nicht wunderbar! Ja, wir sind jetzt wieder wer, und das ist gut so. Danke, Kid P.!
Hannes Vester, Berlin
Bitte lüftet niie das Geheimnis um Kid P. Gerade Obskurität machen ihn so lesenswert/anziehend.
Also zu Kid P. möchte ich sagen: so scheiße so ... spießer... 
        scheiße einfach ... scheiße, so ... spießer!
        Diese Dofffies vom Haircut 100 auf Titelbild zu nehmen und den ganze Drei 
        (3) Seiten mit ganz großem Foto zu widmen ist echt Verschwendung. 
        Kleiner Vorschlag: schickt doch euren Hans Keller mal (wenn er sich traut) 
        zu Black Flag, Circle Jerks, Fear oder oder... eine Geschichte mit vielen 
        Fotos über Drei Seiten lang und Hebt ein Foto von Darby aufs Titelblatt. 
        (los! peitsch!)
        P.S. auch könntet ihr was über Vollstarke bringen (es gibt jede 
        Menge die nur daruf warten loszuschlagen.) Vollstarken Fanzine "HAAR" 
        Auflage 500 zu beziehen über...
euer Vollstarkenkönig MAX Müller, Wolfsburg
Hallo Redaktion
        Seid so gut und schmeißt diesen Klumpenwichser Kid P. aus der Redaktion. 
        Mit seinem dilettantischen Rotz versaut er das ganze Blatt. In Berlin 
        konnte er sieh der Prügel entziehen, wenn ich (alter Hippie) nach 
        Hamburg komme und das ist totsicher, werde ich ihm seine taube Nuß 
        so lange gegen eine Wand schlagen, bis der Löffel Grütze ausläuft.
Peter Kiff, Köln
(Leserbriefe Sounds 8/82)
Nach den aufregenden Dorau Enthüllungen: Tauscht Andreas auch Knibbelbilder? Ersehne signierten "Fliegenden Hamburger." Aha.
gk, Köln
Die Wahrheit über Kaiserslautern.
        Die Scene (bestehend aus 25 Punks incl. Sympathisanten) trifft sieh entweder 
        im Glockencafe, wo Doors oder an guten Tagen auch mal die neue Human League 
        läuft, oder in der Disco "Flash", dessen Programm zu 60% 
        aus "Highway to Hell", 20% "Fan Fan Fanatisch", 10% 
        "Riders on the Storm" und 10% "God save the Queen" 
        besteht. Die absolute Hip-Gruppe sind sowieso schon seit 20 Jahren die 
        Doors und werden es in dieser Stadt auch noch weitere 20 Jahre sein.
        An Gruppen gibt es außer "Crossroad", die seit ihrem Bestehen 
        "Sweet Home Alabama" ins Publikum gröhlen und Dr. Future, 
        ekligen Zappa-Sympathisanten, nur noch "Awacs" mit Deutschrock 
        und Bläsergruppe inclusive mir, Kahlschlag, die Angelic Upstarts 
        nachspielen (mit mir am Schlagzeug) und die Gruppe von Kalle, die sich 
        wie eine Kreuzung aus Stranglers und DAF anhören (Hit: "Kalter 
        Krieg im Hinterhof").
        Lieber Kid P., was glaubst du, was in einem Kaiserslauterer Punk, für 
        den jedes Konzert der drei letztgenannten Gruppen ein Ereignis ist, vorgeht, 
        wenn er deine Städteberichte liest? Hielt einen bisher noch der Gedanke 
        an eine Auswanderung nach Berlin am Lehen, so bleibt jetzt nur noch der 
        Sprung von unserem (Deutschlands weit höchstem!) Rathaus oder das 
        Ersaufen in der hiesigen BBK-Brauerei. Bitte, bitte, lieber Kid P., besuche 
        uns mal in unserem schönen Lautern, dann ist es uns nicht so langweilig, 
        und du kannst deine Städtereportagen noch mal überdenken. Zeit 
        und Ruhe hättest du hier dann!
Matthias Götte, Kaiserslautern
(Leserbriefe Sounds 9/82)