HARDCORE'82
Ein Führer durch die deutsche Punk-Szene, fünf Jahre danach
England:
Bands der dritten bis fünften Generation halten eine Musikform am
Leben, die sich als Genre etabliert hat. USA: nach dem Urknall scheint
der Höhepunkt, besonders in den Metropolen Kaliforniens, noch lange
nicht erreicht. Und hier: Hardcore als Stagnation, Revival oder auf dem
Weg zum vielfach geforderten "neuen Punk"?
Von Alf Burchardt
Viele, die, infiziert vom Geschehen jenseits des Kanals,
hierzulande gegen Ende des letzten Jahrzehnts erstmalig ein Instrument
in die Hand nahmen, versuchten sich bald an komplexeren Musikformen. Die
Öffentlichkeit und die Medien zogen mit, und bundesdeutscher Punk
existierte weiter im Verborgenen. Man zog sich in seine Stadtviertel -
seltener: Dorfidyllen - zurück und musizierte im Familienkreise weiter.
Die deutsche Hardcorelandschaft präsentiert sich 1982 aufgesplittert
in Klein- und Kleinstszenen.
Punk findet von 1000 Berlin bis 8960 Kempten statt. Der Untergrundcharakter
sorgt dafür, daß dieses unter Voraussetzungen geschieht, die
vor wenigen Jahren noch für jede Art von neuen Klängen galten.
Die über das Land verstreuten Hardcorezirkel erweisen sich gegenseitig
als zuverlässige Abnehmer ihrer Erzeugnisse. Dabei ist die durch
Fanzines geschaffene Halböffentlichkeit immer noch einer der wichtigsten
Orte der Kommunikation. Im Idealfall porträtieren sie die lokale
Szene, entdecken neue Bands und liefern Frontberichte vom Live-Geschehen.
Auftrittsmöglichkeiten sind allerdings notorisch schlecht, ein Zustand,
der schon manche elanvoll gestartete Band hat resignieren lassen. Potentielle
Clubs verschließen sich oft aus Sorge um Inventar und Image den
Gruppen. Findet doch einmal ein Auftritt statt, erweisen sich vorher gehegte
Befürchtungen als berechtigt. Aber auch gestandene Punks klagen über
den Nachwuchs. Pseudos oder Pattex-Punks schaden einer Sache nur, wenn
sie das Werfen von Bierflaschen für praktizierte Anarchie halten.
Diese "Sache" soll in diesem Artikel nicht ideologisch ausgeleuchtet
werden, sondern ich will versuchen, einen Überblick über Aktivitäten
der Szene zu geben. Grundlage bilden dazu die Plattenproduktionen.
Ein Besuch im verständig sortierten Laden zeigt, daß hier in
diesem und im letzten Jahr einiges geschehen ist. Der Sprung auf den Plattenmarkt
erfolgt für die meisten Bands über die in Eigenregie erstellte
EP, auf der selten weniger als vier Stücke sind. Rekordhalter sind
Blitzkrieg mit neun Songs im 7"-Format. Der Vertrieb erfolgt
dann, in dem das Produkt in mühevoller Arbeit an Fanzines und die
wenigen einschlägigen Läden verschickt wird. Ansätze zur
Überwindung vieler Probleme bieten Label wie Rock-O-Rama in Köln
und Aggressive Rock Produktionen in Berlin. Sie wirken auch der Regionalisierung
entgegen, da ihre Perspektive nicht auf die eigene Stadt beschränkt
ist.
Regionalliga West
Herbert
Egoldt betrieb schon seinen Rock-O-Rama Plattenladen, als er das gleichnamige
Label gründete. Erstes Produkt war eine EP der Vomit Visions,
die mit ihrem Titel "Punks Are The Old Farts Of Today" das Thema
für einen Besinnungsaufsatz liefern. Die 1979 erschienene LP der
Hamburger Razors betrachtet Herbert als den eigentlichen Start
seiner Plattenproduktion. 1980 folgte die LP HEIMATFRONT der Leverkusener
Band Oberste Heeresleitung. Der Gruppenname und der Soldat auf
dem Cover galten vielerorts als Beweis für die politische Rechtsorientierung
der Musiker beziehungsweise des ganzen Labels, auch wenn die Texte dafür
keine Anhaltspunkte liefern. Herbert sieht die Kampagne gegen OHL als
Hexenjagd: "Das OHL-Cover ist gründlich mißverstanden
worden. Die Gruppe hat viel Zeit investiert, um das Bild eines Soldaten
zu finden, dessen Gesicht das Elend des Krieges widerspiegelt. Es ist
auch unsinnig, einen aus dem Kaiserreich stammenden Begriff wie OHL mit
neonazistischem Gedankengut zu kombinieren. Wenn die Band auf dem Sampler
singt 'Wir brauchen eine Mauer, die uns vor dem Osten schützt', dann
ist das ironisch gemeint, bloß wollen viele Leute das wohl nicht
sehen." OHL hofft mit Stücken wie "Belsen, ein KZ"
auf ihrer zweiten LP l000 KREUZE diese Diskussion beenden zu können.
Auf dem Cover befindet sich konsequenterweise wieder ein Soldat.
Nach
der ersten OHL veröffentlichte Rock-O-Rama eine verunglückte
Cotzbrocken-LP und den Köln/Leverkusen Sampler DIE DEUTSCHEN
KOMMEN. Titel und Coverboy - richtig, ein Soldat - lieferten den Kritikern
wieder neues Material. Dazu Herbert: "Das Bild schickte mir jemand
für das Cover der zweiten OHL-LP. Er hat die Sache wohl auch falsch
verstanden, denn der Soldat auf dem Sampler ist ganz anders als der auf
HElMATFRONT. Ich habe das Bild dann den beteiligten Bands gezeigt, und
die waren spontan begeistert. Nicht weil sie Nazis sind, sondern weil
für sie der Soldat als Symbol für die Aggressivität der
Musik steht. Ich persönlich dachte mir dann, daß ich den Kritikern
wieder so ein Cover hinknalle wenn sie es nicht anders haben wollen."
Auf der Platte befinden sich neben OHL und Cotzbrocken noch Stoßtrupp
aus Leverkusen, deren Beitrag Herbert als Katastrophe mit Notlösungscharakter
einstuft, und Fasaga aus Köln. Die "deutschen Ramones"
mit dem "Spex"-Schreiber Dirk Scheuring hatten schon LP-Pläne,
lösten sich aber nach Erscheinen des Samplers auf. Fünfte Band
auf der Platte ist der OHL-Split Der Fluch. Von ihnen erschienen
noch LP und Maxi. In den Covern - nein, nicht Soldaten, sondern Boris
Karloff ist darauf - stecken Platten, auf denen zu Gitarre und Schlagzeug
Gruselfilmmystik bemüht wird.
Der Fluch ist eine persönliche Vorliebe des Labelchefs und weicht
von der sonstigen Rock-O-Rama Linie etwas ab. Das schlägt sich auch
gleich im schleppenden Verkauf nieder. Dagegen spielte die gleichzeitig
veröffentlichte LP der Schleswiger Band Stress ihre Unkosten schnell
wieder ein. Hoffnungen setzt Herbert auf den Absatz der zweiten OHL-LP,
nachdem die erste sich trotz vernichtender Kritiken und Sub-Garagentonqualität
wie auch die Cotzbrocken-Platte immerhin 3000 Mal verkaufte. Parallel
zu 1000 KREUZE erschienen die LPs OHNE GNADE von Chaos Z aus Stuttgart
und LIEBER SCHWIERIG ALS SCHMIERIG von B. Trug aus Kempten.
Eine zentrale Figur der west deutschen Szene ist der Duisburger Urpunk
Willi Wucher. Zwar hat er die Organisation von Festivals derzeit
aufgegeben, dafür erschien sein Fanzine "U.N.G.Wollt" bereits
siebzehnmal. Breiten Raum nimmt darin die Berichterstattung über
die Becks Pistols ein, denen er als Sänger angehört.
Die geplante Single stellt er in seiner Kolumne im Duisburger Blatt "Rockpott"
leider gleich wieder in Frage. Man wird also weiter warten müssen,
bis sein Name wieder auf Plattencovern auftaucht. Bisher grüßten
Die Wut aus Gelsenkirchen ihn auf ihrer EP, und Artless
erwähnen ihn als Mitglied des Hintergrundchores. Ein Höhepunkt
der von Willi betreuten Artless-Karriere war ihr Auftritt in einer ARD-Dokumentation
über Duisburger Punks am 31.5.1981. Bevor die Band sich dann Ende
des Jahres auflöste - zwei Mitglieder wirken bei den Nervösen
Fingern weiter - nahmen sie noch eine bemerkenswerte EP auf.
"Mein Bruder ist ein Popper" ist einer der Beweise, daß
die Szene zu Hits in der Lage ist, die eine größere Beachtung
verdient hätten.
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Sind in Schwierigkeiten - Luzibär
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Foto: Fritz Köberlin
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In diese Kategorie fällt auch "Geistig 7"
von Luzibär auf Ich-hab-nen-Platten. "Mettmanns beste
Gruppe" besteht u.a. aus ehemaligen Mitgliedern von V.D.,
bekannt durch "Akne" vom Schallmauer-Sampler. Die Band bezeichnet
sich als Undertones/Buzzcocks-beeinflußt und wandelt auf ihrer EP
erfolgreich auf dem Pfad zwischen Punk und Power Pop. Interessierte sollten
sich zum Erwerb entschließen, bevor es der auf der Platte als Arschloch
bezeichneten Person gelingt, sie verbieten zu lassen. Käuferunterstützen
den Etat von Luzibär, der demnächst eventuell durch ein zusätzlich
zu zahlendes Schmerzensgeld belastet wird.
Während andernorts allenfalls englische Bandnamen ein Relikt aus
vergangenen Zeiten sind, fallen zwei von drei bei H'art in Bochum erschienene
Produkte hauptsächlich durch englische Texte auf: eine Maxi von den
Upright Citizens und die LP OPEN PRISON von Out Of Order.
Platte Nummer drei ist die LP HASS . . .ALLEIN GENÜGT NICHT MEHR
von Hass.
Nachdem sie einige Zeit auf dem Markt war, wurde sie von der Ariola eingekauft,
bemerkenswert in einer sonst ausschließlich unabhängigen Szene.
Den dadurch entstandenen Imageverlust zeigt die Rezension eines Hass-Auftritts
in der Wuppertaler Börse im "U.N.G.Wollt": "Dafür,
daß ich schon einiges über die gehört hatte, fand ich
die nicht sonderlich gut Die waren genau so, wie es sich für Profis
gehört Sie spielten ordentlich und diszipliniert, sahen nett aus
- einfach reizend!"
Regionalliga Süd
Für viele Betrachter aus nördlicheren Gefilden
ist Punk im Süden der Republik ein Phänomen, das nicht mit sonst
geltenden Maßstäben gemessen werden kann. Es funktioniert nach
anderen Gesetzmäßigkeiten und führt daher zu anderen Ergebnissen.
In Berlin hinterläßt der Frontstadtcharakter seine Spuren in
der Musik, im Westen die urbane Ballung, im Norden die Kulturschiene London-Hamburg.
Im Süden scheint die Welt der Punks freundlicher zu sein. So nimmt
sich auch einmal eine Tageszeitung wohlwollend des Umfeldes an, das
"... den harten Beat eines Schlagzeuges, die Akkorde einer Bassgitarre
und die Melodiestimme, gespielt auf zwei Electric-Gitarren..."
hervorbringt (Süddeutsche Zeitung über Scum).
Bei einer Betrachtung der Szene kommt man an den Marionetz nicht
vorbei, obwohl sie sich nicht mehr als Punks bezeichnen und ihre Musik
als "kompromißlosen Power Pop" einordnen. Ihre No-Fun-LP
findet aber in Hardcorekreisen guten Absatz und ihre Auftritte werden
von Fanzineschreibern bejubelt. Marionetz im Rundfunk und im Fernsehen
zeigt, daß die Gruppe mediengerecht ist. Ihre Fußballhymne
"Heya TSV" wurde sogar im Olympiastadion gespielt. Ein solcher
Erfolg wird Slime mit "Block E" Im Hamburger Volksparkstadion
wohl verwehrt bleiben. Für den Herbst ist die neue LP DIE MARIONETZ
IM WELTRAUM geplant.
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Mediengerecht - Marionetz
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Auch wenn im letzten Jahr das Münchner Punkzentrum
Milb geschlossen wurde, scheinen die Auftrittsmöglichkeiten in München
und Umgebung überdurchschnittlich gut zu sein. Orte wie das Picnic
in Erding, die Post in Ampermoching oder die Alabamahalle in München
geben den Bands die Chance zu spielen. Bei Gigs in In-Discos kann es dagegen
schon mal zu Zwischenfällen, bedingt durch unterschiedliche Kulturverständnisse,
kommen. Das Fanzine "Positiv" berichtet, wie bei Scum im "Why
Not" Band und Vertreter der Schickeria - in diesem Fall die Filmgang
um Lemke, Dollar und Co. - aneinander gerieten. Scum aus Pasenbach und
Condom aus München haben nach langjährigem Bestehen in
diesem Jahr ihre ersten EPs herausgebracht. ZSD stieg mit zwanzig
Stücken auf der LP EHRE UND GERECHTIGKEIT ein. Das beiliegende Blatt
unterschlägt drei Texte, Selbstzensur oder höhere Gewalt? Ebenfalls
aus München stammt Tollwut, die sich eine Besprechung ihrer
EP im SOUNDS verbitten.
Der Prototyp der engagierten Provinzband ist Normahl aus Winnenden
bei Stuttgart. Am Wochenende wird nach Möglichkeit getourt, und in
den oft von der Gruppe selbst angemieteten Sälen finden sich dann
300-400 Zuschauer ein. Auf dem Mülleimer-Label erschien letztes Jahr
eine EP und 1982 die LP VERARSCHUNG TOTAL Die Band selber ist zwar mit
dem Produkt nicht zufrieden, doch fällt die Platte durch einen undogmatischen
Ansatz positiv auf. Berichte über Normahl und Chaos Z stehen im "Aktuellen
Mülleimer".
Regionalliga Berlin
In Berlin war ein Jahr lang das KZ36 Zentrum der Punks.
Zwei Sampler geben einen Überblick über das damalige Geschehen.
Differenzen zwischen Bands und Machern über die Zusammenstellung
der zweiten Platte und über das weitere Konzept führten schließlich
zum Auseinanderbrechen der KZ-Initiative. Die Gruppen Stromsperre,
Rucki-Zucki-Stimmungskapelle, Vitamin A und Ixtoc 1
schlossen sich zur Visa-Tonkooperative zusammen und brachten eine eigene
Platte heraus. Im Gegensatz zu dieser rein idealistisch ausgerichteten
Fraktion füllt die Beschäftigung mit der Musik beim ehemaligen
KZ-Mitgestalter Karl-Ulrich Walterbach mehr als nur den Freizeitbereich
aus. Er veranschlagt täglich sechs Stunden Arbeitsaufwand für
sein Label Aggressive Rock Produktionen. Nebenbei gestaltet er das Programm
im S0 36 mit. Seine über das KZ geknüpften Kontakte nutzte er
für den ersten SOUNDTRACKS ZUM UNTERGANG-Sampler. Aus der Arbeit
für die Platte ergab es sich, mehr mit Bands zu machen, denen in
ihrer Stadt ein Ansprechpartner fehlte, wie zum Beispiel Slime
in Hamburg. Im Herbst 81 fand eine Untergangstournee mit Aheads,
Beton Combo, Middle Class Fantasies und Slime statt. 1982
folgte der zweite SOUNDTRACKS-Sampler. Das Ergebnis hätte nach Karls
Meinung besser ausfallen können. Fest eingeplante Bands wie Artless
oder Buttocks lösten sich kurz vor dem Studiotermin auf, und es mußten
Kompromisse bei der Gruppenauswahl und bei der Tonqualität eingegangen
werden. Die Sluts konnten wegen einer Verletzung ihres Schlagzeugers ihr
Material nicht neu einspielen, und mit der Präsenz der Marionetz
sind weder Karl noch Band zufrieden.
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Beweisen Stehvermögen - Slime
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Von den SOUNDTRACKS blieb ein Kreis von rund zehn Bands
für die weitere Arbeit von AGR nach. Mit ihnen soll die Labelpolitik
von "Hardcore im engeren Sinne" weiterverfolgt werden. Sein
Punkideal sieht Karl derzeit in den USA verwirklicht. Unzufriedenheit
mit den oft klischeeverhafteten Texten läßt ihn Distanz zu
den eigenen Produktionen wahren. Auch im Erfolgsfalle gibt es für
die Musiker nicht nur Bestätigung: "Ich habe mit Slime häufig
darüber gesprochen, warum auf der ersten LP gleich drei Bullentexte
sein mußten. Während der Produktion von YANKEES RAUS gab es
dann viele Diskussionen über politische Perspektiven. Man kann die
ganzen Sachen nicht in Form von Parolen abhandeln. Ein Ergebnis war immerhin,
daß dieses Mal nur deutsch gesungen wurde." Eine Produktion
mit den FKK Strandwixern aus München lehnte Karl ab, weil
die Texte "so etwas von peinlich" waren.
Die Entwicklung der Frankfurter Killerpralinen zeigt die Suche
nach einer eigenen Identität. Ihre unter neuem Namen veröffentlichte
Maxi bedeutet sowohl textlich als auch musikalisch eine Änderung
des vorher als Middle Class Fantasies verfolgten Kurses. Der Mut zur Eigenständigkeit
wurde bis jetzt noch nicht belohnt, denn die Platte spielte ihre Unkosten
noch nicht wieder ein.
Anders
dagegen die beiden Slime-LPs: die erste, von der die Band 6000 selbst
absetzte, verkaufte sich inzwischen 11000 mal. Die zweite wanderte in
den ersten drei Monaten 8000 mal über den Ladentisch, so daß
eine Verkaufszahl von 15000 nach einem Jahr realistisch erscheint. Gerade
aber bei Slime erweist sich das verwendete Reizvokabular für den
ohnehin problematischen Vertrieb als zusätzliches Hindernis. Vertriebe,
die wegen Slime 1 Besuch von offizieller Seite erhielten, wollen sich
keine allzu großen Lagerbestände von der Gruppe mehr leisten.
Bei einer Hausdurchsuchung der AGR-Räume wurde übrigens neben
dem Stein des Anstoßes auch der erste SOUNDTRACKS-Sampler einkassiert.
Die Erfahrungen mit den bisherigen Produktionen fließen in neue
Projekte ein, wobei auch die Absatzchancen eine Rolle spielen. Wie Rock-O-Rama
ist auch AGR auf die Einnahmen für die veröffentlichten Platten
angewiesen, um Neuerscheinungen oder Nachpressungen finanzieren zu können.
Die LPs der inzwischen aufgelösten Aheads aus Herford und der Beton
Combo haben im neuen Programm keinen Platz mehr, Karl kannte den Sänger
der Beton Combo aus gemeinsamen KZ-36-Zeiten. Das Zustandekommen der LP
HOHLE SCHWEINE ist daher wohl mehr als freundschaftliche Geste zu bewerten,
denn mit dem Resultat ist der AGR-Chef nicht nur wegen des Richtung Schlagzeug
verrutschten Mixes unzufrieden.
Im Oktober sollen LPs von den Braunschweiger Bands Sluts
und Daily Terror und den Bielefeldern Notdurft erscheinen.
Im Februar folgen Canalterror aus Bonn und Toxoplasma aus
Neuwied. Toxoplasma konnten bei Auftritten im Kuckuck die kritischen Berliner
Punks restlos überzeugen. Hohe Erwartungen scheinen berechtigt. Die
AGR-Aktivitäten bleiben aber nicht auf die BRD beschränkt Ein
DDR-Hardcore-Sampler ist für November vorgesehen. Als Gegenstück
zu einer ROIR-Cassette mit deutschen Bands plant Karl ein deutsch-amerikanisches
Projekt. Weiterhin hofft er im Vorprogramm von Tourneen ausländischer
Bands, die ihm als SO-Mitgestalter angeboten werden, eigene Gruppen auftreten
lassen zu können, um sie einem größeren Publikum vorzustellen.
Regionalliga Nord
Im
ehemaligen Pogomekka Hamburg spielen die Punks musikalisch nur noch eine
Statistenrolle. Seit der Schließung des Krawalls ergeben sich nur
noch sporadisch Gelegenheiten für Auftritte. Bands der ersten Stunde
existieren kaum noch. Als eine der letzten Gruppen warfen die Buttocks
nach mehrjährigem Bestehen das Handtuch. Mitglieder der Coroners
konnten sich in Schickikreise verbessern. Stehvermögen bewiesen Slime
und die Razors. Slime gehört zu den Ausnahmebands, die bis
zur zweiten LP durchhielten. Auch die Razors veröffentlichen noch
Platten. Nach ihrem Abschied von Rock-O-Rama erschienen auf Konnekschen
eine Single und eine Maxi. Es läßt aber nicht gerade auf ein
Kreativitätshoch schließen, daß sich unter den fünf
Stücken beide Singletitel befinden. Die Razors singen natürlich
immer noch englisch wie auch Napalm auf ihrer Konnekschen-EP. Außerdem
auf dem Label: Grober Unfug. Das Hamburger "Funzine"
feiert sie als beste Band der Stadt und berichtet begeistert von ihren
Auftritten in Jugendkellern und Schulaulen. Ihre Single, die die Qualität
von Luzibär erreicht, läßt für die geplante LP einiges
erwarten.
Hannovers Musikexporte werden immer mehr durch das No Fun-Popideal geprägt.
Unterschiedlich ausgerichtete Bands wie Daily Terror oder die Marionetz
verlassen das Label nicht mit den besten Erinnerungen. Daily Terror liefern
auf ihrer AGR-Single mit dem Stück "No Fun is No Fun" einen
Kommentar dazu. Verständnisprobleme beim Text scheinen beabsichtigt,
denn auf der Rückseite gibt es keine Hörprobleme. Wahrscheinlich
befürchtete man eine Verfolgung durch die Juristen des Hauses No
Fun. Näheres dann in der nächsten SOUNDS in Hollow Skais unvermeidlichem
Leserbrief.
Neben No Fun gibt es in Hannover noch Frostschutz Records, über deren
Programm der KORN LIVE-Sampler einen Überblick gibt Bands wie Klischeé
und Kaltwetterfront sehen sich aber nicht als reine Hardcore-Vertreter.
Blitzkrieg, "Hannovers erste Kid-Punk-Band", haben sich aufgelöst
und hinterließen zum Abschied die Cassette WER SCHNELLER IST, LEBT
LÄNGER. Gitarrist Wixer bleibt mit den Boskops dem Punk treu;
Pedder ist bei Klischeé eingestiegen.
P.S.: Auf dem Berliner Vinyl-Boogie-LabeI sind EPs von den Honkas
und von Harnröhrer erschienen. Die Platten von EA 80
und von Howruc zeichnen sich neben schlechter Aufnahmequalität
auch durch das Fehlen von Informationen auf dem Cover aus. Sicherlich
sind einige andere Produkte noch unerwähnt geblieben, aber einen
lückenlosen Konsumführer konnte und wollte ich nicht erstellen.
Was nicht einmal der Plattenladen meines Vertrauens führt, läßt
sich wahrscheinlich auch nur durch einen Fahndungstrupp aufspüren.
Gerne hätte ich einmal die EP von OH 87 aus Verden gehört.
Doch Probleme der Kommunikation und des Vertriebes wurden ja schon erwähnt.
Die Schwierigkeiten der Szene liegen nicht nur auf technischer Ebene.
Es bleibt abzuwarten, ob die hohen Ansprüche, die Karl-Ulrich Walterbach
an die Entwicklung einer eigenständigen deutschen Hardcoreszene stellt,
sich erfüllen. Die bisherigen Erfahrungen haben gezeigt, daß
es vor allem gilt, textlich eine eigene Ausdrucksform zu finden. Bei allen
Vorbehalten gegen die Gruppe Hass, ihr LP-Titel beschreibt die Lage treffend.
Die Bullen/Spießer/Bundeswehr-Thematik läßt sich nicht
endlos strapazieren. Harnröhrer singen "... der kreative
Punk stirbt langsam ab ...". Ich hoffe nicht.
Illustrationen: U.N.G. Wollt
(Quelle: SoundS 10/82)
Leserbriefe
1. Mich interessiert nicht, wer sich hinter dem Kid P.-Pseudonym versteckt
- dazu ist dieser Mensch zu lächerlich - hört das kolossale
"here today - gone tomorrow" der Ramones und ihr wißt,
was von dem blabla über Peinlichkeiten wie ABC, Haircut 100 etc.
zu halten ist (von wegen große Gefühle?!) . . . Ähnlich
D.D. - immerhin, in lichten Momenten scheinen Kontakte zur Realität
(?) zu existieren. Segeberg-Frontbericht in Spätsaison kam sehr gut
und die Tank-of-Danzig-Langrille wurde auch mit einigen wohlwollenden
Worten bedacht (schön, schön).
2. Wen's interessiert - hier die Top five aus Berlins Norden (Wedding):
What goes on (Live) - Velvet Underground, Never been in a riot - Mekons,
Beatle boots - Pop Rivets, Rucki-Zucki - Emst Neger. Wir - Freddy.
3. Hardcore 82. Der Artikel war wohl hoffentlich nur 'n Einstieg? 'Ne
bloße Auflistung ist zwar ganz informativ, aber wie wär's mal
die Bands zu Wort kommen zu lassen (Serie oder so)? Die einzige real-existierende
unabhängige Musik mit Basis-Kontakt ist von euch zu lange ignoriert
worden, um dann auf knapp 4 Seiten abgehakt zu werden! Zukunftsfroh!
Bernd Berlin
(Quelle: SoundS 11/82)
Hiermit wünsche ich allen einen wundervollen guten Tag!!! Gleich
vorweg: Der "Hartcore '82"-Bericht war wohl nix, oder? Okay,
vor nem Jahr wär er toll gewesen, was neues, stimmt, aber jetzt,
November/Oktober 82?? Euer mit 100000 DM bezahlter Schreiber Alf (who
is that?) ist doch garantiert nur innen Plattenladen gerannt, hat sich
nen paar Platten angehört/gekauft (OHL-LP für 16 DM, macht doch
wenigstens aufm Foto den Preis ab!) und darüber wat geschrieben und
nen paar interviews gemacht (Naja...). Warum nur die Bands die ein oder
mehr Platten gemacht haben? Warum nur die Gruppen, die jeder Tankwart
(hä?) kennt? Den SOUNDTRACK ZUM UNTERGANG z.B. gibtz doch schon in
fast jedem 'Rock'-Plattenladen! Wo bleiben die kleinen Gruppen, die anders
als in eurem Bericht KEINE Labels, Platten, Geldgeber, Konzertmöglichkeiten
und Übungsräume haben??? Ich vermisse die beliebten ZZZ HACKER
aus Bielefeld! Aber das nur nebensächlich! Nu 'mal ernst: wann kommt
nen Bericht über lokale Bands, die kaum aus ihrem Ort rauskommen?
(wie gesagt, ZZZ HACKER...) Denn nicht jede Band hat das 'Glück'
ne Platte und nen Label zu bekommen! Macht mehr Tapes! (ZackZack) Dass
soweit zum BRD-bericht! Jetzt mal was anderes: Warum versteift ihr euch
so auf den CRASS-Bericht?? Wenn Ihr schon so 'nen Knaben für 200000
DM nach England schickt, dann kann er auch mal wat über EXPLOITED,
VICE SQUAD, DISCHARGE, INSANE undundund Berichten, oder? Soll er doch
lieber schnell 3 gute Pogo-Artikel als 1 Crass-Bericht 1000 mal rauszuschieben!
Stimmt doch! Hugh! Sowieso: Die USA-Hartcore Szene habt ihr total verpennt!
Jedes fanzine bringt super US Berichte/ Platten/Tapes, aber Ihr? Ihr zahlt
euren Knaben 500 000 DM damit er mal kurz nach US rüberdüst
und die 2000. Funkband, die wie immer die beste aller Funkbands ist, interviewt!
Ich hab nix gegen Funk, aber manchmal wär es besser wenn ihr das
"F" in ein "P" wexselt! Ansonsten macht weiter so,
auch wenn sich der brief Böse anhört, ok? Ich kauf SOUNDS trotzdem!!
So; Hacker mies, Exploited fooles! Es Verabschieden sich freundlichts
und mit besten grüßen:
ZZZ HACKER, Cashba; Kussi, Milos; Django; Schrecken eines Heino-Fans,
Bielefeld
P.S.: Wetten, das ihr euch nicht traut, den Brief abzudrucken? Hahahaha.
(Quelle: SoundS 12/82)
Die Musikzeitschrift SoundS aus Hamburg wurde mit
der Ausgabe 1/83 eingestellt. Der Titel lebte eine Zeitlang auf dem Umschlag
der Musikzeitschrift MusikExpress, ebenfalls aus Hamburg, fort. Einige
Autoren von SoundS schrieben später für SPEX aus Köln.
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