Rachid Baba Ali Ahmed
Lila Amara
Cheb Aziz
Dead Popstars

Die algerischen Musikszene hat einen hohen Blutzoll zahlen müssen, wie auch die Kulturszene insgesamt. Mehrere bekannte Stars wurden in dem jahrelangen Bürgerkrieg in Algerien ermordet, wobei unklar ist, ob die Täter bei den islamistischen Terroristen oder bei den staatlichen Mörderkommandos zu suchen sind. Beide Seiten hatten Interesse an der Liquidierung von Künstlern und Journalisten, die ihnen in Quere kamen. Bisher sind mir folgende ermordete Musiker bekannt:

Cheb Hasni († 29.9.1994)
Rachid Baba Ali Ahmed († 15.2.1995)
Lila Amara († 13.8.1995)
Cheb Aziz († 19.9.1996)
Matoub Lounès († 25.6.1998)


Rachid Baba Ali Ahmed

Rachid Baba-Ahmed, ein bekannter Produzent und Komponist von Rai-Musik, wurde an 15.2.1995 im Fastenmonat Ramadan in Oran in seinem Auto mit Schüssen aus einer Maschinenpistole ermordet. Rachid, der aussah wie Fidel Castro, war der erste, der moderne Studiotechnologien in Algerien verwendete, und machte möglicherweise auch unter dem Namen Rachid & Fethi (mit seinem Bruder?) selbst Musik. Sein Tod war der Auslöser für die Gründung der Bewegung "L'Algerie, la vie!" durch Kabyle Idir und Cheb Khaled, dem ersten Superstar des Rai. "Wir kämpfen für ein Algerien", umreißt Idir die Ziele der Organisation, "in dem man Muslim sein und ebenso sein Juden- und Christentum leben kann."

 


Lila Amara

Über Lila Amara weiß ich nur, daß die kabylische Sängerin in der Nacht vom 12. auf den 13.8.1995 zusammen mit ihrem Ehemann Bachir erschossen wurde. Die Armee fand die Leichen des Ehepaars am Stadtrand von Algier.

Lila Amara war eine Interpretin von "Chaabi", der Popmusik in Marokko und auch Algerien. Der typische 12/8 Rhythmus kann Europäer bei den ersten Begegnungen massiv aus der westlichen Fassung bringen.

Der Frauenhaß der "Bärtigen", der Islamisten, trägt psychotische Züge, die bezeichnend sind für den religiösen Fundamentalismus, der sich gegen die Modernisierung vieler islamischer Staaten aufbäumt; nirgendwo ist das Streben nach sexueller Herrschaft deutlicher als in Algerien. Den Frauen dort, seit der Unabhängigkeit 1961 relativ emanzipiert, wird der Verhaltenskodex eines pervertierten Islam aufgezwungen. Weichen sie davon ab, ist ihr Leben in Gefahr. Zur Zielscheibe werden Bräute, deren Hochzeitsfeier zu ausgelassen war, und unverschleierte Schulmädchen. Vor allem aber trifft es Frauen in öffentlichen Ämtern und kritische Intellektuelle. Immer mehr Frauen, vom Regime kaum beschützt, sind es aber auch, die Zivilcourage zeigen - und auf den Straßen westliche Kleidung und unverschleiertes Haar. Anderen Frauen genügt das nicht. Sie wählen von zwei Übeln das kleinere, bewaffnen sich und unterstützen den Gegenterror des Regimes.

 

Cheb 'Aziz

Cheb Aziz lebte bereits schon einige Zeit in London im Exil wegen der Verfolgung algerischer Rai-Musiker durch die Islamisten. Doch er kehrte nach Oran zurück, um an einer Hochzeit teilzunehmen. In der Nacht vom 18. auf den 19. September 1996 wurde er vermutlich durch eine bewaffnete islamische Gruppe entführt. Am 20.9.1996 fand man in Constantine seine Leiche. Der 28jährige, der mit bürgerlichen Namen Bechiri Boudjema hieß, hinterlies seine Frau, ebenfalls Sängerin, und 2 Kinder.

Seine Musik war eigentlich unpolitisch, doch seine Lieder über Liebe und Alltag reichten der Islamischen Heilsfront (FIS) bereits, ihn als "anrüchig" zu verteufeln - genauso, es wie die Einheitspartei FLN bereits in den 80er Jahren in Algerien praktiziert hatte.

 

 

 

 

 

 

 

 

weiteres über Musik und Islam

Quellen zu Cheb Hasni, Rachid Baba Ali Ahmed, Lila Amara, Cheb Aziz und Matoub Lounès: BCFE Newsletter Spring 1995, Chronique de la violence politique en Algérie, Cheb Hasni - Radio Casablanca, France-Mail-Forum Nr. 5: Informations culturelles, MUSIC FROM MATOUB, The Amazigh Voice, June 1995

© 03-01-2001 by Martin Fuchs / Mehr Tote? / Zurück zu den Lebenden?