Alexandra |
(no biography) |
Was kann man über Alexandra schreiben, was noch keiner geschrieben hat? Alexandra wird immer gerne in die Schlagerkiste gesteckt - und die meisten Webseiten im Internet bedienen leider dieses Klischee. Die Karriere von Alexandra war nur kurz, sie hatte interessante Ansätze, doch keiner weiß, was aus ihr gewörden wäre. Sie als Schlagertuse oder Pionierin des deutschen Chansons zu vermuten ist reine Spekulation. Halten wir uns an die Fakten: Geboren als Doris Treitz am 19.5.1942 in Heydekrug (Memelland), verheiratet mit mit Nikolai Nefedov und 2 Jahre später wieder geschieden, gestorben am 31.7.1969 bei einem Autounfall bei Heide (Schleswig-Holstein). Sie schrieb eigene Lieder, zusammen mit Udo Jürgens den Hit "Illusionen", übersetzte französische Chansons von Adamo, sang deutsch, russisch, englisch, französisch und hebräisch, adaptierte Volkslieder und bediente mit ihrem Monsterhit "Sehnsucht" das deutsche Klischee der tiefen russischen Seele (daß sie selbst hasste). Sie war hin- und hergerissen zwischen den eigenen Liedern und den Vorgaben ihres Managers und Produzenten (der einerseits so mutig war, ihre Karriere mit einer LP-Veröffentlichung - "Premiere mit Alexandra" von 1967 - zu beginnen statt der üblichen Singles, andererseits sie zwang, das ungeliebete "Sehnsucht" aufzunehmen), zwischen künstlerischen Erfolg und der Rolle als alleinerziehende Mutter in der 60er Jahren - ein junger Mensch, der seinen Weg sucht eben. Die Ansätze für verschiedene Karrieren und Lebenswege waren da (Emanzipation oder Anpassung? Chanson oder Schlager?), doch sie wurden nie ausformuliert. Der Tod kam dazwischen. Was bleibt ist ihre ungewöhnliche Stimme (ein Vergleich mit Nico scheint mir nicht absurd), ihr Repertoire, daß die Grenzen der üblichen Schlager-Schubladen spreng, ihre Texte auch jenseits von Herz und Schmerz (nicht nur "Mein Freund der Baum", gern als ökologisches Feigenblatt mißbraucht, hört euch mal "Schwarze Engel" an, daß auch heute noch manchen bigotten Christen empören dürfte - aber natürlich nimmt auch die Liebe einen großen Anteil in ihrem Repertoire ein, mal fröhlich, oft auch traurig, "russisch" eben). Ich finde ebenso wie bei Marianne Rosenberg gibt es keinen Grund, die Liebe zu Alexandras Liedern als peinlich zu empfinden und zu verschweigen. Ob Alice Schwarzer schon mal über sie geschrieben hat? Könnte interessant sein... Wer mehr über Alexandras Leben und Sterben (doch doch, es gibt eine gewissen Todeskult um Alexandra mit Fotos vom Grabstein und Verschwörungstheorien, wer alles Interesse an ihrem Tod gehabt haben könnte - dazu eine E-Mail von Daniel Binieck) wissen möchte, mag das Buch von Marc Boettcher "Alexandra - Ihr bewegtes LEBEN - Ihre sehnsuchtsvollen LIEDER - Ihr tragischer TOD" lesen - ich habe es bisher nicht getan (inzwischen doch - lest die Rezension). Seine Fernsehdokumentation (läuft gelegentlich im Fernsehen, jetzt auch auf DVD erschienen) ist ganz nett und hat mit mein Interesse an Alexandra geweckt, auch wenn er doch zu sehr in der Schlagerwelt verfangen ist und den kritischen Blick von außen nicht hinkriegt. Wichtiger war für mich die ebenfalls von ihm zusammengestellt Doppel-CD "Die Legende Einer Sängerin", die meines Wissens zum ersten Mal die Methode der dokumentarischen CD-Compilation (eine Mischung aus Hits und unveröffentlichten, aber interessanten Aufnahmen, verbunden mit einem Booklet mit Hintergrundinformationen und Daten zu den Aufnahmen) auf einen deutschen Künstler außerhalb der Rockszene angewendet hat (obwohl, eine solche CD-Compilation von Roy Black würde mich eher weniger interessieren), auch wenn der richtige Archivar-Blick nicht vollständig gelungen ist. Abgesehen davon erfüllt Alexandra natürlich auch mein Interesse an toten KünstlerInnen und ihrem abgeschlossenen Werk, daß sich somit hervorragend archivieren und abschließend bürokratisch verwalten läßt. Einen toten Schmetterling kann man besser betrachten als einen lebenden, hehe (ärgerlich für den Schmetterling, aber bequem für den Betrachter). Wer auf dieser Seite allerdings Fotos von Grabsteinen und kaputten Autos sucht, soll bei den Links unten weitermachen oder zu rotten.com surfen. Die Fanseiten im Internet sind manchmal echt unfreiwillig komisch, oft fehlt jegliche systematische Dokumentation des Werk von Alexandra, was aber durch kultische Verehrung (Marc Boettcher wird an einer Stelle gar als "Meister" bezeichnet!) wettgemacht wird (incl. "Link's" zu Heintje und sinnfreien Flashfilmen). Auch aus diesem Grund liegen mir leider keine
genaueren Informationen über Alexandras LPs von 1967-1970 vor, noch über
die zeitliche Reihenfolge ihrer Single-Veröffentlichungen. Das musikalische
Werk von Alexandra lässt sich daher augenblicklich nur anhand von CD-Samplern
und Fan-Seiten im Internet fragmentarisch erschließen. Im Augenblick sieht
es so aus, als daß die etwas lieblose, aber günstige 3CD-Box "Ihre
größten Erfolge" und die bereits genannte DoCD "Die Legende
einer Sängerin" den Großteil des Werks erschließen (Die
4CD-Box "Die unsterbliche Legende" lasse ich mal außen vor wegen
dubiosem Vertriebsweg. - dazu ein Kommentar von Martin)
und jegliche andere derzeit erhältliche CD überflüssig machen.
Daneben gibt es noch etwa 25 weitere Titel, die nicht auf diesen beiden CD-Sets
zu finden sind (es können auch weniger sein, da die posthumen Veröffentlichungen
von 1970 ja eigentlich die ersten Aufnahmen von 1966 sind, teilweise mit zusätzlichen
Arrangements versehen (die Buddy Holly-Methode, siehe auch Beatles und "Free
as a Bird" und "Real Love"), aber auch teilweise unangetastet gelassen,
so daß vermutet werden kann, daß die 4CD-Box von Shop Direct als Zusammenstellung
aller (?) jemals veröffentlichten Bänder einige Aufnahmen doppelt enthält),
was eine schöne weitere DoCD ergäbe (die Alternative wären remasterte
Wiederveröffentlichungen der Orginal-LPs mit CD-Bonus-Tracks von Singles,
Samplern und aus dem Archiv). Hallo Mercury, Zaunpfahl winke winke! - siehe
auch E-Mail von Wolfgang Zum weitersurfen
(Auswahl): © 2001, 2004, 2021 by Martin Fuchs / Mehr Musik / information overload |
Reaktionen und Mails |
Update
vom 2.5.2004: |
Inzwischen ist auch der
Inhalt der CD bekannt: 12 Lieder (Mein Freund der Baum, Zigeunerjunge, Sehnsucht,
Illusionen, Grau zieht der Nebel, Was ist das Ziel, Die anderen waren schuld,
Those were the days, Ja lubblú tebjá, Der Traum vom Fliegen, Arcordeón
(franz), Kleine Anuschka) und ein Interview von Dieter Bröer mit Alexandra
(12:11 Minuten lang) - das ist nicht so der Super-Bonus, der zum Buchkauf auffordert. Und der Promotext hat auch so seine Stilblüten: "Welche bis heute ungelösten Rätsel begleiteten die Umstände, die Alexandra letzten Endes am 31.7.1969 in den Tod getrieben haben? Marc Boettcher, Dramaturg, Regisseur und freier Autor griff tief in die Recherchekiste und brachte Dinge ans Tageslicht, die niemand dort vermutet hatte. Dabei geriet er selbst unter Druck, wurde beschimpft, gedemütigt und mit Mord bedroht. Die im Jahre 1999 erschienene Erstauflage ist schon lange vergriffen. Nun ist gerade die zweite, grundlegend neu überarbeitete Fassung erschienen, deren Vorwort er mit den Worten schließt: 'Bis vor kurzem ging ich noch davon aus, dass Alexandras tödlicher Autounfall ein Zusammenspiel tragischer Zufälle war, doch während der Recherchen zur Neuausgabe dieses Buches geriet diese Auffassung immer mehr ins Wanken, so dass ich momentan nichts mehr ausschließen möchte.'" Die ersten Kommentare aus der Fan-Szene liegen auch schon vor: "Sehr schöne Gestaltung, gegenüber der Erstausgabe. Inhaltlich hat sich aber nicht viel geändert. (Ist ja auch fast unmöglich) Ein paar Bilder sind hinzugekommen. Was mich stört ist die Mordtheorie. Aber hätte der Autor es nicht behauptet, würden die Medien wohl kaum Interesse zeigen. Es ist ja kaum glaubwürdig, wenn man mir erzählt: "Wir haben in USA bei MGM nach verschollenen Aufnahmen gesucht und schon kamen Mordrohungen" Die Diskografie finde ich zu oberflächig, man hätte mehr daraus machen können. Ich meine mit Abbildungen und etwas genauer aufgelistet, wäre es besser. Die beiliegende CD finde ich eine Super Idee!" |