...gelesen... |
Thomas
Meinecke "Mode & Verzweiflung" (Suhrkamp 1998) Thomas Meinecke ist bekanntlich Sänger und Gitarrist
bei F.S.K. und das schon seit 1980. Autor ist er sogar noch länger,
nämlich seit er 1978 mit sogenannten Gleichgesinnten das Magazin
"Mode & Verzweiflung" gründete. Leider habe ich nie
ein Exemplar davon zu Gesicht bekommen, kann also nicht sagen, wie sich
Meineckes Texte in diesem Zusammenhang dargestellt haben, ob es ein
Fanzine war oder doch schon mehr Professionalität dahinter steckte,
wo es inhaltlich zu positionieren wäre, mehr Wiener und Tempo oder
eher SoundS und Spex? Die Texte von Meinicke sind interessant geschrieben,
aber nicht (mehr) immer verständlich, irgendwie schon typisch 80er
Jahre, überheblich und antihippie, aber mit einer eigenen verschrobenen
politischen Weltsicht. Vielleicht fehlt mir aber auch nur die genauere
Erinnerung an die Gedankenwelt jener Zeit (ich hatte vor etlichen Jahren
eine geistige Krise, während der ich mit ein paar Werbern von Scientology
ins Gespräch kam, aber das muss so negativ gewesen sein, was ich
damals von mir gab, dass sie keinen Missionierungsversuch an mir vornahmen
- leider kann ich mich heute beim besten Willen nicht mehr daran erinnern,
was ich damals so für Gedanken verbreitete - ist das jetzt Fluch
oder Segen, dass ich kein Tagebuch führe?) oder vielleicht war
es einfach ein sehr spezieller Kreis, für den die Texte damals
produziert wurden, jedenfalls ist das eine sehr mutige Entscheidung
von Suhrkamp, so ein unverständliches Büchlein (132 Seiten
dünn) heute herauszubringen. Logischerweise habe ich es auch dann
in der Remittenten-Kiste bei Kaufhof entdeckt. Jetzt steht es im Regal
und macht die Sammlung von Meinecke-Büchern vollständiger... |
H.P.
Lovecraft und andere "Das Grauen im Museum" (Suhrkamp 1984) Ich glaube, die Geschichten von H.P. Lovecraft können
heute nicht mehr die gleiche Wirkung entfalten wie zu ihrer Entstehungszeit.
Damals vor dem zweiten Weltkrieg lebten die Menschen noch in einem moralisch
festgefügte(re)n Weltbild, in dem vieles and Handlungsmöglichkeiten
undenkbar und/oder mit Tabus belegt war, wo gesellschaftliche Konventionen
und Klassenunterschied noch in Granit gemeißelt waren, und daher
die Wendungen in Lovecrafts Geschichten überraschend und erschreckend
waren. Der Leser von heute dagegen lebt in einer Welt, die das reale
Grauen in einem viel globalerem Maßstab und durch die umfassende
Berichterstattung von allen möglichen und unmögliche Ereignissen
ein gigantisches Repertoire an menschlichen Handlungsweisen kennt, sie
politisch korrekterweise auch billigt und vielleicht sogar selbst ausübt.
Das hat zur Folge, dass schon nach wenigen Seiten der Verstand des Lesers
anfängt, alle
in denkbaren möglichen Varianten des weiteren Handlungsverlaufs
durchzuspielen und daher das Ende/die Auflösung der Geschichte
nicht wirklich überrascht. Insofern werden die Geschichten von
Lovecraft (nicht nur) mit zunehmender Entfernung von ihrer Entstehungszeit
immer vorhersehbarer und spannungsloser. Es lohnt sich daher nicht wirklich,
sich mit dem Gesamtwerk zu befassen, die "Greatest Hits" -
es gibt tatsächlich von Suhrkamp ein Taschenbuch mit dem Titel
"Cthulhus Ruf. The Best of H.P. Lovecraft" - reichen völlig
aus. Was "Das Grauen im Museum" dann doch noch lesenswert
macht ist die Mitwirkung der weiteren Autoren, deren Input unabhängig
davon, wie groß er nun tatsächlich ist, dazu führt,
dass die Geschichten nicht immer nur mit den gleichen Lovecraftschen
Figuren, Mythen und Orten bevölkert sind, was die Sache dann doch
ein bisschen interessanter macht. So zum Beispiel die Indianergeschichten
um den Schlangengott Yig in Zusammenarbeit mit Zealia Bishop. Darauf
ein "Iä! Schab-Niggurath! Die Ziege mit den tausend Jungen!"
Oder heißt das "Rhan-Tegoth - Cthulhu fthagn"? |
Markus
Klein/Jürgen W. Falter "Der lange Weg der Grünen" (C.H. Beck 2003) Politik ist ein schnelllebiges Geschäft und die
politische Theorie von gestern kann heute schon obsolet sein. Was glücklicherweise
für dieses Buch nur im geringen Maße gilt. Okay, es endet
in der Analyse von grüner Partei und grünen Wählern mit
der Bundestagswahl 2002, die Erfolge der Europawahl 2004 darf sich der/die
LeserIn selbst erklären. Aber darum geht es nur am Rande, denn
eigentlich schildern Klein und Falter kompakt die Geschichte der Grünen
nebst Wahlerfolgen und -niederlagen und setzten diese in Bezug zur Geschichte
der innerparteilichen Strömungen und der Wandlung der grünen
Wähler. Und dies ist die Botschaft des Buches: die Grünen
sind im wesentlichen eine Partei der Generation der sogenannten "neuen
sozialen Bewegungen" wie Alt-68er, Anti-Atom-, Friedens- Frauen-
und Umweltschutzbewegung, deren politisches Profil in dem Maße
in die politische Mitte rückt, wie sich ihre Wähler auch immer
mehr in der Gesellschaft etablieren. Deshalb sei der Vorwurf des Verrats
an den ursprünglichen Idealen der Anti-Parteien-Partei unberechtigt,
weil diese Ideale von den eigenen Wählern auch nicht mehr hoch
gehalten werden (auch eine Folge des sogenannten "langen Marsches
durch die Institutionen"). Dies erklärt auch den steten Verlust
des Anteils der Grünen bei den Jungwählern. Ob mensch das
gut findet oder nicht, es ist die nüchterne Beschreibung der Folgen
der "Professionalisierung" der Partei, fast schon die Bestätigung
des Brechtschen Vorschlags an die SED, doch das (unbotmäßige)
Volk aufzulösen um sich danach ein neues (der Partei genehmeres)
Volk zu wählen: weil die grüne Partei professioneller geworden
ist, sie dementsprechend hauptberufliche Mitarbeiter bezahlen muss,
muss sich auch sehen, dass Geld hereinkommt, um diese zu bezahlen, also
betreibt sie eine Politik, die ihr entsprechende Mengen an Wählerstimmen
garantiert. Die grünen Funktionäre suchen sich am Markt das
notwendige Wählerpotential und produzieren dafür die entsprechende
Politik, die dem ausgewählten Wähler gefällt! Und deshalb
haben Sie auch zuletzt entgegen aller grüner Tradition den Taxifahrer
und Pornoroman-Übersetzter Josef Fischer, Kumpel von Gerhard "Abitur
auf dem zweiten Bildungsweg" Schröder, als Zugpferd eingespannt
(was der natürlich dankbar angenommen, um sein eigenes Ego weiter
zu füttern). Ja, irgendwie kann mensch das noch als "Mitwirkung
an der politischen Willensbildung" bezeichnen, aber wo ist dann
noch der prinzipielle Unterschied zu Gerhard Frey und der DVU, der diese
rechte Partei betreibt, um den Mitgliedern und Wählern die von
ihm herausgegebene Nationalzeitung zu verkaufen? That's Kapitalismus!
Ich fände es ehrlicher, wenn eine Partei bei ihrer Kernideologie
bliebe und sich dann, wenn die Wähler sie nicht mehr wollen, einfach
auflösen würde. Aber das würde voraussetzen, dass eine
solche Partei keinen Selbsterhaltungstrieb hätte, wie er durch
die "Professionalisierung" zwangsläufig entsteht und
deshalb die Partei auch durch die Wähler erpressbar macht. Das
steht zwar so in dem Buch nicht drinnen, aber solche Gedanken regt es
an. Und deshalb ist es gut. |
David
Huggins "Ein einziger Hit" (Gerd Haffmans bei Zweitausendeins, 2003) Sylvia T. Haymon "Antichrist" (Piper 1990) Es
soll in "Ein einziger Hit" irgendwie um eine Band gehen, die
mal ein One-Hit-Wonder war und sich danach wegen Erfolglosigkeit auflöste.
Jetzt trifft der Sänger den Bassisten und redet von einer Neuauflage
der Band, doch ein Mord kommt dazwischen. Leider ist das Buch aber nur
ein durchschnittlicher Action-Krimi, angeschickt durch ein bisschen
Pop-Flair. Die beiden Anti-Helden könnten dem Film "Still
Crazy" entsprungen sein, aber der Rest des Buchs hat weniger mit
Pop oder Rock zu tun als deine aktuelle SPEX. Dabei ist die Story ganz
ordentlich durchkonstruiert, taugt also als Samstag-Nachmittag-Lektüre
statt Fernsehen. "Antichrist" dagegen ist ein klassischer
Kriminalroman mit einem Inspektor, der mit seinem Privatleben und Ermittlungen
im Zentrum der Geschichte steht. Zwar geht es um einen Rockstar, der
eines Morgens gekreuzigt an seinem eigenen Werbeobjekt gefunden wird,
aber das Rockmilieu wird mit wenig Insiderkenntnis geschildert und bleibt
noch nicht mal im Klischee stecken, sondern transportiert nur bizarre
Vorstellungen der Elterngeneration. Die Mordstory selbst ist auch etwas
bizarr, aber darüber sollen andere urteilen, denn ich bin kein
Krimifachmann. Aus Pop-und-Rock-Sicht dagegen kann ich auch vor diesem
Buch nur warnen. "Antichrist" ist übrigens 1998 unter
dem Titel "Rockstars hängt man nicht" wiederveröffentlicht
worden, aber auch dieser Titel hat eigentlich nichts mit der Story zu
tun. Oder soll der Kommissar selbst der "Antichrist" sein,
weil er zum Judentum übertreten will? |
Noam
Chomsky "People Without Rights. Kosovo, Ost-Timor und der Westen" (Europa Verlag, 2002) Ich denke, jetzt ist es erst mal genug mit Chomsky.
Nicht, dass das falsch ist, was er schreibt, aber langsam geht mir sein
Stil auf den Keks, diese Vermengung von Fakten mit Meinungen, die einen
in einem schwer kritisierbaren Strudel zieht und kaum eine andere Erkenntnis
zulässt, als dass der Autor mit seiner vernichtenden Kritik an
der Glaubwürdigkeit der Außenpolitik der USA recht haben
könnte. Dabei stimmen die Fakten, soweit ich das beurteilen kann
und mich an die Berichterstattung für den Kosovo-Krieg richtig
erinnere. Wobei Chomsky sich auf die Rolle der USA in diesem Konflikt
beschränkt - über Deutschlands Rolle muss also jemand anderes
was schreiben. Aber sowohl Kosovo als auch Ost-Timor sind Themen von
gestern, und sich darüber aufzuregen bringt echt nichts, weil ja
keine Handlungsmöglichkeiten mehr bestehen. Insofern kommt es hier
zum gleichen Effekt wie den, weshalb ich vor Jahren es aufgegeben habe,
den Spiegel zu lesen: es entsteht das Gefühl, dass sich jemand
anderes aufgeregt hat und ich das daher nicht mehr tun muss. Gut dass
wir darüber gelesen haben, es steht in der Zeitung, bzw. im Buch,
also muss ich mich nicht mehr um die Beseitigung des Problems kümmern.
Wie gesagt, die Analyse ist okay, sie gleicht ja auch denen in den anderen
Büchern von Chomsky ("Offene Wunde
Nahost. Israel, die Palästinenser und die US-Politik",
"The Attack. Hintergründe und Folgen",
"War Against People. Menschenrechte und
Schurkenstaaten" und "Profit Over
People. Neoliberalismus und globale Weltordnung"), aber zum
Handeln fordert das nicht auf. Abgesehen davon, um eine konkrete politische
Position zu den ständigen Kämpfen zwischen Regierung und Industrie/Opposition
in Kolumbien und zur Vertreibung Aristides aus Haiti einnehmen zu können
braucht es ein paar mehr Informationen. Vielleicht in 5 Jahren im neuen
Buch von Noam Chomsky? |
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